Kapitel 10 - Jezebel

8 0 0
                                    

Eine Stunde davor...

Als Salladar den Kriegsrat verließ um der Hamadryade zu folgen, bemerkte er nicht, dass zwei der Helden zurückblieben. Ein Mann und eine Frau, beide in Roben. Schnitt und Farbe waren jedoch höchst unterschiedlich. Seine Robe war weit geschnitten und versuchte vergeblich seinen Bierbauch zu kaschieren. Die tief herunter gezogene Kapuze hüllte sein unansehnliches Gesicht in Schatten. Ihre Robe strafte sich eng um ihren schlanken und doch kurvenreichen Körper. Seine war aus weißem Stoff gewebt. Doch wo die anderen Magier der Heldengruppe strahlendes Weiß trugen, war seine Robe vergilbt und fahl. Als hätte man sie aus den Überresten antiker Mumien zusammengenäht.


Sie fuhr sich gelangweilt über den Kopf. Als ihre Hand an die Ohren kam, zögerte sie kurz irritiert. Sie beendete die Bewegung und strich ihre hoch aufragenden Ohren nach hinten. Während die Ohren wieder nach oben federten, setzte sie sich in Bewegung.

Der Mann in der fahlen Robe griff nach ihrer Schulter um sie zurück zu halten. Sie packte reflexartig den Unterarm mit beiden Händen, beugte sich vor und unterdrückte mühsam das Bedürfnis, den möglichen Angreifer über die Schulter zu schleudern. Dann ließ sie schnell los: „Verzeihung Herr Krüger. Ich habe die skillgesteuerten Reflexe dieses Körpers noch nicht vollständig unter Kontrolle."

Er winkte gelassen ab: „Das kommt noch." Er sah ungeniert ihren Körper von oben nach unten an: „Als ich Ihnen empfahl, sie sollten eine Charakterklasse mit Boni auf Geschicklichkeit wählen, dachte ich eigentlich eher an Elfen. Nicht an Hasenvolk."

Sie verzog keine Miene. Als ihr Chef sie informiert hatte, dass sie ihn in Zukunft öfter auf Reisen begleiten würde, hatte sie keinen Ausflug in die Virtuelle Realität erwartet. Nachdem sie das „Reiseziel" erfahren hatte, war sie davon ausgegangen, dass er sie für ganz andere „Dienstleistungen" dabeihaben wollte. Dass er tatsächlich nur jemanden brauchte der für ihn als Leibwächter und Rechte Hand diente, überraschte sie. Ihren Avatar hatte sie daher bei der Charaktererschaffung anderweitig optimiert. Zum Glück hatte sie ihren Chef soweit richtig eingeschätzt, dass sie ihren Charakter auch für seine angebliche Aufgabe optimierte. Eine schlaflose Nacht voller Recherchen in Spielforen hatte ihr genügend Informationen zu den internen Spielregeln und Charaktererschaffungsregeln verschafft.

„Hasenvolk hat +2 auf Geschicklichkeit, ebenso wie Elfen. Aber dazu haben Hasenvolk noch +2 auf Ausweichen und eine um 20% erhöhte Sprungkraft."

„Haben sie sich auch mit der Kultur ihres Volkes beschäftigt?"

„Wozu? Es gibt laut der Serverstatistik nur wenige Spieler die Hasenvolk wählen. Vermutlich, weil es eine pazifistische Rasse ist."

„Exakt. Sie sind ein Paria unter ihrem Volk, einfach durch die Wahl einer Kämpferrasse."

Sie zuckte desinteressiert die Schultern: „Die Abneigung fiktiver Figuren stört mich in keinster Weise."

Er tippte sich auf seine Augenbraue und sah auf ihre an derselben Stelle platzierten Ringpiercings.

Sie hob die Hände. An acht der Finger glänzten Ringe. „Ich habe als Vorteile Ringmeister und Stechender Blick gewählt. Mit Piercings umgehe ich die Mengenbegrenzung von Ringen. Ich glaube da hat einer der ursprünglichen Programmierer nicht genau bei der Definition von Ringen aufgepasst."

„Stechender Blick ist ein Nachteil, kein Vorteil." Seine Stimme klang mehr fragend als tadelnd.

„Die verängstigte Reaktion von NSCs, sehe ich nicht als Nachteil. Die Einschränkung in der Nachtsicht durch die permanent verengten Pupillen, habe ich bereits mit einem günstigen magischen Ring ausgeglichen." Sie tippte auf eines der drei Piercings in ihren Augenbrauen: „Die beiden anderen sind aktuell nur Zierde, ich werde sie bei nächster Gelegenheit noch durch etwas Nützliches ersetzen. Momentan habe ich mein Budget bereits ausgeschöpft."

Dungeon der Assassinen (Band 1: Questgeber)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt