Kapitel 14

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Wie ich voraus gesagt hatte, hatte ich in dieser Nacht kein Auge zu bekommen. Als die ersten Sonnenstrahlen aufgingen, sprang ich von meinem Felsen und weckte meine vier Freunde. "Zeyna die Sonne ist noch gar nicht richtig aufgegangen", beschwerte sich Chiara. Blake und Coal standen schon stramm und Jacopo rappelte sich auf. "Hast du gut geschlafen Zeyna?", fragte er mich und drückte seine Nase gegen meine Schnauze. "Ich konnte nicht... Ich wollte Blake und Coal heute die Grenzen zeigen. Wollt ihr mit kommen?", fragte ich. Jacopo sah mich traurig an. Er hakte jedoch nicht weiter nach, warum ich nicht schlafen konnte.
"Ich nicht ich schlafe noch was.", murmelte Chiara und legte sich wieder gemütlich hin. Jacopo sah kurz von mir zu Chiara. Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Blake und Coal standen auf und stellten sich hinter mich. "Also von uns aus kannst du auch noch schlafen Jacopo", sagte Blake und sah ihn freundlich an. Das schien Jac dazu zu bewegen, dass er unbedingt mitkommen wollte. Er stand auf und sah grimmig zu Blake und Coal. "Nein schon gut ich komme mit.", sagte er. Er streckte sich und stellte sich neben mich. Auch das nahm Blake locker. "Na schön wird bestimmt spaßig.", sagte er und seine Stimme klang erneut freundlich. Ich nickte abwesend und über legte kurz. "Ich geh nur noch kurz Shane bescheid sagen. Wartet doch kurz hier.", sagte ich etwas unsicher und ging langsam in Richtung Shanes Bau.

Noch bevor ich angekommen war, rief von drinnen eine Stimme "Komm ruhig rein Zeyna". Gesagt getan. Shane lag in der Mitte seines Baus und knabberte lustlos an einem Kaninchen. Er sah traurig aus und sehr müde. Hatte ihn unser Gespräch etwas genauso mitgenommen wie mich? Offensichtlich. "Was willst du Zeyna?", fragte er mit müder Stimme. In solch einem Zustand habe ich ihn noch nie gesehen. Allerdings sah ich wahrscheinlich nicht besser aus. "Ich wollte nur bescheid geben, dass ich Blake und Coal das Revier zeige.", gab ich ihm als Antwort auf seine Frage, wobei er bei den Namen kurz fast unmerklich zusammen zuckte. "Nimm Jacopo und oder Chiara mit! Ich will nicht, dass du allein mit ihnen bist.", sagte er mit gebieterischer Stimme und sah mich streng an. Ich nickte daraufhin, da Jacopo ja ohnehin vorgehabt hatte mit zu kommen. Dann verließ ich den Bau.

Ich ging wieder zu Jac, Blake und Coal. "Wir können los.", sagte ich kurz angebunden und ging ohne auf eine Reaktion zu warten von der Lichtung hinunter in den Wald. Jacopo schloss mit wenigen hüpfern zu mir auf und Blake und Coal gingen hinter uns. Von der Lichtung bis zur ersten Gebietsgrenze dauert der Weg ungefähr eine halbe Stunde. In dieser Zeit liefen wir alle schweigend. Dafür war ich auch dankbar, da ich ohnehin nicht vorhatte über das zu sprechen, was Shane mir gestern gesagt hatte. An der Grenze angekommen blieb ich stehen. Ich drehte mich zu Blake und Coal um. "Prägt euch diesen Geruch gut ein. Das ist der Geruch, der die Grenze unseres Gebiets anzeigt. Ihr dürft sie nicht überschreiten, da dies nur in Ausnahmefällen erlaubt ist.", während meiner letzten paar Wörter, sah ich Jacopo eindringlich an. Ich erinnerte mich noch zu gut daran, dass ich seinem und Chiaras Geruch gefolgt war, als ich das erste mal auf diese beiden Wölfe getroffen war.

Blake und Coal nickten mir zu und gingen an die Grenze. Sie rochen einige Minuten an verschiedenen Stellen um sich den Geruch ein zu prägen. Langsam wurde ich ungeduldig. "Los Jungs die Führung geht weiter", sagte ich, als ich es gar nicht mehr aushalten konnte. Und wir liefen wieder los. Immer entlang der Grenze. Dabei waren wir genauso still wie schon auf dem Weg von der Lichtung zur Grenze. Gegen Mittag beschloss ich, dass wir eine Pause machen sollten und ging ein wenig weiter in den Wald, da ich genau wusste das dort ein kleiner See war, an dem wir unseren Durst stillen konnten. Genau das taten wir auch und setzten uns an das Ufer. "Wie ihr beide gestern schon mitbekommen habt, glauben die Wölfe unseres Rudels an die Göttin Lunea", richtete ich das Wort an Blake und Coal. "Und um ihr zu huldigen, macht ihr zu jedem Neumond ein Ritual", ergänzte Blake seine Kenntnisse über unseren Glauben.

Ich nickte ihm zustimmend zu und schwieg ersteinmal eine Weile, in der ich mir über legte, wie ich den beiden unseren Glauben und die damit zusammen hängenden Rituale näher zu bringen. Ich wollte nicht nur, dass sie es verstanden. Ich wollte sie mit aller Kraft von unserem Glauben über zeugen. "Also der Überlieferung zufolge, war Lunea vor vielen vielen Monden eine wunderschöne, intelligente, eigenständige, starke Wölfin. Sie ist von Rudel zu Rudel gezogen und hat überall Harmonie und Frieden hinterlassen. Sie hat jedem geholfen, der sie brauchte. Sie war ein wahrer Engel auf Erden. Lunea hatte die Gabe so schnell zu laufen wie der Wind. Außerdem konnte sie die Zukunft sehen und somit jeden, der sie brauchte. Sie hatte einzigartige Heilkräfte. Aber all dies konnte sie nur, während der Nacht und während der Mond schien. In der Mondlosen Nacht des Monats war sie verletzlich. Sie versteckte sich dann immer, da es dunkle Mächte gab, die es nicht gut hießen, dass sie so gutmütig und vorallem so Machtvoll war.", ich beendete mit diesen Worten meinen Vortrag.

Ich hatte mir vorgenommen, Blake und Coal ganz langsam zu unserem Glauben zu führen. Ich würde ihnen immer wieder ein kleines bisschen über Lunea erzählen. "Zeyna, ich wusste gar nicht, dass du so wundervoll erzählen kannst. Und noch dazu diese Legende. Von wem hast du sie gehört? Es wissen nicht mehr viele Wölfe davon.", Jacopo wirkte überrascht und sah mich bewundernd an. Zum ersten mal heute wirkte er nicht angespannt. Es war fast so, als würde er Blake und Coal gar nicht mehr wahrnehmen. "Das ist so ziemlich das einzige Gespräch mit meiner Mutter, an das ich mich noch erinnern kann.", erklärte ich ihm traurig. Blake, der bis jetzt vollkommen regungslos und verblüfft einige Zentimeter von mir entfernt gesessen hatte, rutschte an mich heran als wolle er mir Trost spenden. Kurz genoss ich die Berührung. Doch dann richtete ich mich auf. "Wir sollten weiter sonst schaffen wir das heute nicht mehr", sagte ich mit fester Stimme um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich gerade sehr verletzt war. Die anderen nickten mir zustimmend zu. Vermutlich wussten sie, dass ich recht hatte. Also tranken wir noch kurz etwas und liefen dann wieder los, die Grenze entlang.

Zeyna - die Geschichte einer Wölfin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt