𓂉
Die Flasche ist verhext. Mit der Zeit glaube ich, bereits jedem in der Runde eine Frage gestellt zu haben, nur Theo nicht. Von anderen wird er dennoch ausgewählt. Schon wieder wählt er Wahrheit aus. Meine Vermutung widerlegt er damit definitiv. Maia seufzt theatralisch auf und bezeichnet ihn als einen Feigling. Verzweifelt sucht sie nach einer passenden Frage.
»In wen bist du verliebt?« Damit gleitet ihr die unkreative Standardfrage über die Lippen. Es ärgert mich, weil man Theo so viel Interessanteres fragen könnte. Die Antwort darauf möchte ich nicht mal hören. Sie wird mir nicht gefallen.
»In niemanden.« Ich seufze erleichtert auf und rede mir ein, dass ich damit leben kann. Er hätte schließlich auf keinen Fall meinen Namen genannt und wenn, wäre der Rest des Spiels unangenehmer als ein Ich-Liebe-Dich beim ersten Date.
Maia gähnt. »Wie langweilig. Dann bist du Ayliz' Einladung nur aus Güte gefolgt?«
Theo schaut zu mir rüber und sucht dabei nach den passenden Worten. Wie gut, dass mir die Erwiderung bereits auf der Zunge liegt. »Nicht jeder kann mit sechzehn Jahren schon verheiratet sein, Maia.«
Sie senkt beschämt den Kopf. Mirko lacht. »Touché.«
»Wir sind verlobt«, erinnert sie mich, als hätten sie nicht meinen Streitschlichterraum für den Antrag missbraucht. Das Erlebnis werde ich nicht so schnell vergessen.
»Ach richtig! Wann wohl dieser Antrag gewesen sein mag?«, scherze ich.
Im Grunde sehe ich die Sache mittlerweile lockerer. Wir kennen uns inzwischen auch viel besser, weil ich mich in den Pausen immer mal wieder nach ihren Hochzeitsvorbereitungen erkundigt habe.
Theo ist an der Reihe und greift zur Spriteflasche, um sie zu drehen. Meinetwegen darf sie ruhig bei mir anhalten. Im Laufe des Spiels hat er ziemlich humane Fragen gestellt. Von Mirko wollte er wissen, was er in seiner Freizeit am liebsten macht. Alina sollte einen Hampelmann machen. Er spielt nicht auf unserem Niveau.
Bei Arian kommt sie schließlich zum Halten. Man kann hören, wie alle Anwesenden im Raum die Luft anhalten. Wir fragen uns, ob er sich bei ihm rechen wird und von seiner Kindergarten-Spielweise ablässt. Theo setzt tatsächlich ein teuflisches Grinsen auf. »Sag mir, wie lange bist du schon in das blonde Mädchen aus unserer Projektgruppe verliebt? Lennja, oder?«
Ich will auflachen, weil der Gedanke so abwegig ist. Die beiden hassen sich, schon eine geraume Zeit, trotz ihrer Gemeinsamkeiten. Er wird doch nicht–
Arians Pupillen weiten sich. Eine Reaktion, mit der ich nicht gerechnet habe. Lachen oder Kopf schütteln – klar, aber nicht damit. Er wirkt fast schon ertappt. »Ich bin nicht in Lennja verliebt«, beteuert er trotzdem. Ihm das nach diesem Verhalten abzukaufen, ist allerdings schwierig.
Dennoch existieren Fakten, die ich an dieser Stelle unbedingt anbringen muss. »Er hasst Lennja. Wie kommst du darauf, dass er sie liebt?« Sich ein Urteil zu erlauben, obwohl er die beiden nicht mal richtig kennt, während ich sie quasi mein gesamtes Leben begleite, scheint mir falsch. Hätte ich es nicht längst bemerkt?
»Weil ich Hass kenne und ihn gegenüber einer ganzen Reihe von hirnverbrannten Idioten verspüre. Er sieht sie anders an. Und seine Worte, als er Lennja beschuldigte, dich gegen ihn aufgehetzt zu haben, klangen verletzt. Sie hat ihm eindeutig das Herz gebrochen. Erst dachte ich, er würde dich lieben, aber dann habe ich beobachtet, wie er sich bei dir entschuldigt hat.«
Hä? Arian schiebt den Stuhl zurück. »Du Sherlock, du. Willst du eine Urkunde von mir, damit dir klar wird, doch in etwas gut zu sein?« Er meidet meinen Blick, als würde er sich schämen. Wovor? Sicher nicht dafür, in Lennja verliebt zu sein. Sie ist eine tolle Partie. Oh Gott! Im Kindergarten habe ich Arian sogar vorgeschlagen, später einmal Lennja zu heiraten, weil sie so viel gemeinsam hatten.
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Was Eisberge verbergen
Jugendliteratur»Warum lässt du dir nicht helfen?« »Die bessere Frage wäre, warum mir niemand hilft.« 𓂉 Ayliz lebt als ambitionierte Streitschlichterin nach folgendem Kodex: 1.) Streitschlichtende sind stets neutral. 2.) Die Streitschlichtung bleibt vertraulich. 3...