Inmitten von Männern

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Seren saß in ihrem Zimmer und wartete, dass Thatch sie holte. Es war ihr fünfter Tag, an dem sie in der Küche arbeiten sollte und heute stand zusätzlich eine Premiere an. Sie würde ihren Posten nicht beim Smutje in seiner privaten Kombüse haben, sondern in einer von den großen, zusammen mit jeder Menge Mitgliedern aus seiner Division. Ein wenig nervös war sie schon. Ace hatte sie den gesamten gestrigen Abend versucht, zu beruhigen, dass die Jungs alle nett seien, und das mochte der Wahrheit entsprechen. Sie war daran gewöhnt viele Piraten um sich zu haben nach den zwei Wochen, die bald wie im Flug an ihr vorbeigezogen waren. Trotzdem hatte sie Bedenken, sich zu blamieren, da sie im Grunde beim Kochen noch immer eine Niete war. Die Bücher von Thatch erhellten sie zwar etwas, doch machte sie das auch nicht sicherer, sondern rief in ihr lediglich mehr Vermutungen hervor, was sie alles falsch machen könnte. Der Smutje sah davon ab, die junge Frau mit in die Vorbereitungen für das Frühstück einzubeziehen, weil er nie wissen konnte ob und wie lange der Sommersprossige sie am Abend noch in Beschlag nahm. Selbst ging er stets zeitig zu Bett. Da klopfte es endlich und sie schlug den Wälzer auf ihrem Schoß zu.

»Hey, ich bin Dug«, stellte sich der Mann mit den kurzen, blauen Haaren vor, dem sie zugeteilt worden war. Ein nettes Lächeln zierte sein Gesicht, welches sie zaghaft erwiderte.
     »Seren«, brachte sie heraus und er lachte leise.
     »Entschuldige. Es liegt nicht in meiner Absicht, mich über dich lustig zu machen«, meinte er schnell, weil sie ihn so pikiert musterte. »Jeder auf dem Schiff weiß, wie du heißt.«
     Mit einem stummen Seufzer nickte sie. Nicht, dass ihr die Tatsache entfallen wäre, gerade hatte die Blondine sie nur außer Acht gelassen.
     »Thatch hat das heute auch nicht gemacht, um dich vorzuführen. Die Kommandanten haben heute viele, lange Besprechungen und von uns darf niemand in seine geheiligten Hallen«, deutete er mit dem Kinn zu der Tür, die in das kleine Reich des Brünetten führte und sie nickte verstehend.
     »Für euch der Lauch?«, kam ein glatzköpfiger Freibeuter zu ihnen und hatte beide Arme voll mit dem Gemüse.
     »Bietet sich hier neben dem Waschbecken doch an«, meinte der Blauhaarige.
     »Hey. Ich bin Georg«, stellte er sich vor, nachdem er seine Hände wieder frei hatte.
     »Freut mich«, legte sie leicht lächelnd den Kopf schräg.
     »Behalt' schön deine Finger bei dir, Dug«, zwinkerte er seinem Kameraden im Davongehen zu, welcher lediglich mit einem Kopfschütteln reagierte.
     Die beiden schnitten die Stangen der Länge nach auf und wuschen sie gründlich ab, bevor sie das Gemüse in feine Scheiben zerkleinerten.
     »Was gibt es heute eigentlich?«, fragte Seren, denn sie wüsste schon gern, wozu der ganze Porree dienen sollte.
     »Eine Suppe für den Abend. Das Mittag wird so weit durch die Reste von der Party gestern abgedeckt«, antwortete er. »Deswegen habe ich nachher Zeit und kann dir zeigen, wie man Fleisch pariert, das wir morgen benötigen.«
     »Okay«, sagte die Blondine langsam.
     »Keine Panik. Du kannst offensichtlich mit einem Messer umgehen und ebenso mit deinen Katana, also bekommst du das auch hin«, meinte er optimistisch. Nachdenklich runzelte sie ihre Stirn. »Dan!«, hob er knapp einen Arm und gab seinem Nakama damit ein Zeichen.
     Der Gerufene trat den Hocker neben sich lässig zu der jungen Frau rüber, die nur noch verdatterter dreinschaute.
     »Falls du dich setzen möchtest, tu dir keinen Zwang an«, zwinkerte der Blauhaarige ihr zu, als sie erneut den Kopf zu ihm drehte.
     Irgendwas war hier doch faul. Oder waren die tatsächlich alle überaus nett und unverhältnismäßig aufmerksam? Dann kam ihr ein anderer Einfall. »Sag mal, dauert es eigentlich lange, bis wir die nächste Insel erreichen?«
     Dug setzte die Spitze der Klinge waagerecht auf das Brett und legte seine Handfläche auf dem Griff ab. In Gedanken bewegte er das Messer hin und her. »Das wird sicherlich noch ein paar Tage dauern. Du hast ja bereits am eigenen Leib erfahren, dass das Wetter in der neuen Welt ziemlich launisch sein kann.«
     »Hm«, machte sie nur.
     »Warum fragst du?«, wollte er behutsam wissen.
     »Nun«, stieß Seren geräuschvoll Luft aus. »Bitte krieg das nicht in den falschen Hals. Es ist nun mal Fakt, dass sich auf diesem Schiff über tausendfünfhundert Männer befinden und die Frauen sehr schnell durchgezählt sind«, stellte sie fest. »Ich will keinem niedere Beweggründe unterstellen, bin aber eher eine realistische Person, weswegen mir natürlich klar ist, dass menschliche Bedürfnisse besonders bei erhöhtem Alkoholkonsum gern mal auf unangemessene Weise ihren Weg an die Oberfläche finden«, führte sie aus.
     Der Koch verzog das Gesicht, musste allerdings zustimmen, dass solche Vorfälle im Bereich des Möglichen lagen. »Was das angeht, kann ich dich beruhigen«, meinte er gelassen. »Erstens ist Vaters Wort auf der Moby Gesetz und auf Vergewaltigung stehen strengste Strafen, die zur Folge haben, dass man keinen weiteren Sonnenaufgang erleben wird«, sagte er dunkel. »Zweitens hat niemand von uns sonderliche Lust, als ein Häufchen Asche vom Wind davon getragen zu werden«, trat ein schiefes Grinsen auf seine Lippen.
     Mit verschränkten Armen lehnte sich die Blondine gegen die Arbeitsplatte und dachte nach. »Ace?«, hauchte sie und ihre Augen wurden groß.
     »Tut mir leid, aber darauf darf ich nicht antworten. Das wirst du ihn selbst fragen müssen«, gab er abweisend zurück.
     »Aha«, schnitt sie einige Scheiben vom Lauch runter. Dann vielleicht ja anders, grübelte sie. »Und wer kümmert sich für gewöhnlich um eure weiblichen Gäste?« Möglicherweise machte das ja immer der Sommersprossige und sie brauchte sich nicht im Geringsten wundern.
     »Niemand«, sagte der Freibeuter knapp und sie schaute ihn irritiert an. »Wir haben sonst keine. Du bist die Erste. Es gibt zwar einige Frauen, die zu Vaters Töchtern zählen, aber null hier auf der Moby.«
     »Wieso?«, war alles, was ihr dazu einfiel.
     »Das hinterfragen wir ehrlicherweise nicht und akzeptieren den Umstand. Sollte er eine Änderung für nötig oder richtig erachten, dann werden wir das schon erfahrene«, zuckte Dug mit den Schultern.
     »Na gut«, seufzte sie resignierend, denn so würde sie nicht weiterkommen. Ace war ein lieber Kerl und ziemlicher Chaot, was sie nicht weiter störte. Er hatte nun mal eine andere Sichtweise der Dinge als sie und das durfte er schließlich. »Wie bist du hier gelandet?«, versuchte sie, die Unterhaltung wieder auf eine entspanntere Ebene zu bringen.
     »Mir war gar nicht klar, dass du neugierig bist«, schüttelte er amüsiert den Kopf.
     Welche Frau denn nicht? Natürlich hörte sie gern Geschichten von anderen und wollte neue Sachen erfahren. Generell hielt sie sich lediglich stärker zurück, aber die Atmosphäre hier in der Küche und das Arbeiten lud sie irgendwie zu einem Schwätzchen ein.
     »Meine Vergangenheit ist nicht sonderlich erheiternd, spannend oder inspirierend«, warnte er die Blondine vor.
     »Da haben wir doch glatt was gemeinsam«, meinte sie mit einem aufgezwungenen Lächeln.
     »Meine Eltern waren die Herrscher über ein Königreich und ich als ihr ältester Sohn der Thronerbe«, begann er zu erzählen. »Mich hat dieses Gehabe bei Hofe von jeher angekotzt. Dazu noch die Regeln, Pflichten und sonstigen Unannehmlichkeiten, die dort so auf den Schultern lasten. Sicherlich hast du davon bereits mal gehört«, warf er ihr einen Blick zu und sie nickte leicht. »Meinem Vater missfiel mein aufsässiges Verhalten sehr und als ich sechzehn wurde, meinte er dann, ich solle mal eine andere Seite des Lebens kennenlernen, damit ich zu schätzen wüsste, was ich hatte. So kam es also, dass ich in einer Gastwirtschaft gelandet bin. Es war keine schäbige Absteige, sondern ein gut bürgerliches Lokal und ich habe schnell festgestellt, dass ich Freude am Kochen hatte. Geplant war, dass ich dort bis zu meinem achtzehnten Geburtstag bleiben sollte, aber es kam anders.« Er machte eine Pause.
     »Was ist passiert?«, hakte Seren gespannt nach.
     »An einem regnerischen Tag, der mein Leben für immer verändern sollte, legte eine Kaisercrew an der Insel an. Du kommst sicherlich selbst drauf, welche es war. Sie kamen in die Maulende Stute, den Laden, in dem ich arbeitete. Den Abend war ich nicht in der Küche eingeteilt, sondern bediente die Gäste. Von allen Seiten vernahm man Geschichten über Abenteuer, welche die Piraten erlebt hatten, und mein Herz schlug höher. Desto mehr sie erzählten, je neugieriger wurde ich und ließ mich von den Worten mitreißen.
     Nach einigen Stunden hat Thatch mich angesprochen und gefragt, was ich dort eigentlich tat. Das war der Moment, in dem ich innehielt und mir die gleiche Frage stellte. Marco meinte dann, ich sehe aus wie ein Mann, der den Ruf des Meeres versuchte zu ignorieren, obwohl das völlig sinnlos sei und ich mein Glück nur auf den Ozeanen finden könnte. Es war ein kläglicher Versuch meinerseits, ihm erklären zu wollen, dass ich Pflichten hatte und mich nicht davonstehlen konnte. Der komplette Schankraum hatte herzlich was zu lachen, wegen meiner Stotterei. Letztenendes wurde ich auf einen Stuhl an Vaters Tisch gezogen und noch in derselben Nacht stellte er mir die eine Frage. Am nächsten Morgen segelten wir dann weiter und ich war ein Sohn von Whitebeard. Keine einzige Sekunde habe ich diese Entscheidung bereut«, endete er und schien ehrlich stolz.
     »Du hast gelogen«, zischte sie gepresst. »Ich habe vielleicht nicht gelacht, hing allerdings gebannt an deinen Lippen und verspüre den Wunsch, es nachempfinden zu können, wie das ist«, meinte sie mit einem Ton, in dem sich Ärger, Traurigkeit und Frust zur Unkenntlichkeit vermischten. »Aber ich sage dir mal was«, donnerte sie ihre flache Hand dermaßen kraftvoll auf die Arbeitsplatte, dass wegen dem Knall alle im Raum in ihrer Arbeit stoppten. »Schön, dass ich die Aufmerksamkeit von euch habe, denn das könnt ihr gern hören und weitererzählen«, sprühten die blauen Seelenspiegel beinahe Funken. »Du hast damals eine Wahl gehabt und getroffen. Das ist bei mir anders. Ich habe ernsthafte Dinge zu erledigen, die ich nicht einfach so hinter mir lassen kann und die wesentlich schwerer wiegen, als das Schicksal eines einzelnen Reiches. Wenn ich ...« Sie stoppte und atmete durch. »Richte Edward aus, dass er mich schlichtweg fragen soll, damit ich ablehnen kann und nicht weiter mit solchen plumpen Rekrutierungsversuchen belästigt werde«, zischte sie erbost und zerhackte anschließend den Lauch.
     Es blieb mucksmäuschenstill und die Piraten warfen sich ratlose Blicke zu.
     »Jetzt hörst du zu«, sagte Dug ruhig, doch seine Tonlage duldete keinerlei Widerspruch.
     Bedacht holte die Blondine Luft und drehte sich in seine Richtung. »Dann sprich«, kam es ihr bedrohlich leise über die Lippen.
     »Vater hat uns ausdrücklich verboten, Versuche in diese Art zu starten und wie ich bereits erwähnte, ist sein Wort hier Gesetz. Du wolltest es wissen und ich habe es dir erzählt, weil die Höflichkeit das so gebietet. Wir behandeln dich als unseren Gast mit dem nötigen Anstand und Respekt. Wenn du etwas fragst, antworten wir. Das solltest du nicht verwechseln. Niemandem ist daran gelegen, dich zu verstimmen, aber für das, was du dir selbst zusammendichtest, können wir nichts. Also tu uns den Gefallen und lass sowas in Zukunft. Keiner auf der Moby möchte dir irgendwas Böses.«
     Sie griff sich an den Oberarm und schlug ihre Lider ein Stück nieder. Womöglich sprach er die Wahrheit und ihr Verhalten war vermessen gewesen. »Es tut mir leid«, brauchte sie heraus. »Es war nicht meine Absicht. Ich wollte nicht ... Ich hab' nur ...«, zuckte sie mit den Schultern.
     »Schwamm drüber!«, rief Georg von der anderen Raumseite. »Selbst die Kommandanten neigen manchmal dazu, etwas Unüberlegtes zu sagen«, fügte er hinzu und die Piraten lachten, denn ihnen war klar, wen er damit meine.
     Unsicher lächelte die junge Frau einmal durch die Runde. Sie würde es wohl niemals begreifen, dass solche Verbrecher tatsächlich dermaßen freundlich und nett sein konnten.
     Die Küchenmannschaft bereitete die Suppe fertig Ende zu, während Seren geradezu mit Informationen zum Würzen und der Behandlung bestimmter Lebensmittel überschüttet wurde. Es tat ihr wirklich gut, dass die Männer so herzlich und offen mit ihr umgingen. Jeder schien wenigstens einen Satz mit ihr wechseln zu wollen und auch wenn sie sich soviel Dinge auf einmal unmöglich zu merken vermochte, war es eine angenehme Form der Überforderung.
     Im Speisesaal blieb der Kommandantentisch leer, weswegen die junge Frau sich mit zu einigen der Köche setzte. Das Essen verlief größtenteils schweigend. Ob das an ihr lag, erschloss sich der Blondine nicht. Allerdings war es mal eine willkommene Pause für Kopf und Ohren.

Am Nachmittag stand dann das Zerteilen von Tieren, welche bereits ausgeblutet waren, auf der Agenda. Keulen, einzelne Fleischstücken und spezielle Leckerbissen austrennen. Nicht zu vergessen die zig Fische, die filetiert werden mussten. Dug behielt recht, denn Seren hatte keinerlei Probleme. Ihre Schnitttechnik war zwar noch nicht so perfekt wie die von den Köchen, aber sie erzielte dennoch brauchbare Ergebnisse. Nebenbei vertrieben sie sich die Zeit mit Geschichten aus der Vergangenheit.
     Der glatzköpfige Georg erzählte von seinem Leben als Sohn eines Fischers. Die Mutter war früh gestorben und deswegen blieben beide allein zurück. Eine neue Heirat kam für seinen alten Herrn nicht in Frage, weil er seine Frau über alles geliebt hatte und jede andere nur mit ihr verglichen hätte. Das Einkommen war miserabel und auf der Insel befand sich lediglich ein kleines Dorf, weswegen der Handel ebenfalls träge verlief. In dem Ort kannten sich die Menschen und in seiner Kindheit empfand er es dort sogar als schön. Doch je älter er wurde, umso mehr wurde ihm gewahr, dass etwas fehlte. Georg konnte es nicht benennen und bekam es nicht zu greifen. Es war eine innere Unruhe, die sich immer weiter in den Vordergrund drängte. Manchmal glaubte er, dass sein Vater es spürte, allerdings sprachen sie nie darüber. Eines Tages legte ein Schiff an der Insel an, wovon er jedoch zuerst nichts mitbekam, weil er im Wald gewesen ist, um Holz zu beschaffen. Erst gegen Abend kam er zurück und ließ alles fallen, was er in den Händen hielt. Eine Piratenbande hatte das ganze Dorf verwüstet und trieb weiter ihr Unwesen. Er lief durch die Straßen und war erfüllt von blankem Zorn. Eine Gruppe Männer drehte sich zu ihm um, als er sie anschrie, und zog die Waffen. In dem Moment wäre er tot gewesen, hätte sich nicht jemand vor ihn gestellt und die Kugeln abgefangen. Es handelte sich dabei um Jozu, den Kommandanten der dritten Division, welcher von der Diamantfrucht gegessen hatte. Die Kaisercrew rettete Ort und Menschen, ohne zu zögern. Für viele kam diese Hilfe allerdings zu spät. Georgs Vater zählte ebenfalls zu den Opfern. Die Whitebeards blieben und bauten die Gebäude wieder auf. Der Yonko stellte die Insel unter den Schutz seiner Flagge. Als alle am Hafen standen, um die Piraten dankbar zu verabschieden, sprach Edward ihn an und lud ihn ein, Teil seiner Familie zu werden. Ablehnen konnte er nicht und willigte deswegen ein. Nachdem der Anker gelichtet worden war und er sich den schier endlosen Ozean besah, wurde Georg klar, was ihm gefehlt hatte. Es war die Freiheit.
     Dans Geschichte war eine ganz andere und seine zahlreichen Tattoos erzählten einige Einzelheit davon, wenn man sie genauer betrachtete. Als Vollwaise hatte er es immer schwer gehabt und sich irgendwie durchkämpfen müssen. Er lebte in einer großen Stadt, was ihm das Stehlen etwas erleichterte. Ehrliche Beschäftigung konnte er in seiner Lage kaum auftreiben und musste deswegen kriminelle Dinge tun, damit er nicht verhungerte. Im Alter von fünfzehn sprach ihn ein Mann an, der wohl eher einen schmierigen Eindruck erweckte, allerdings bot er ihm für angeblich leichte Arbeit ein Dach über dem Kopf an und der Junge willigte ein. Als sie ihr Ziel erreichten, begriff Dan, auf was er sich eingelassen hatte, doch da war es bereits zu spät. Es handelte sich um ein Freudenhaus und er sollte dort sicherlich nicht bedienen. Der kleine Blonde wurde in ein Zimmer gebracht und weinte da bitterlich. Immer wieder hörte er Leute vor der Tür und war dankbar, dass sie nicht reinkamen. Am Abend brach dann ein Tumult auf dem Flur los und er versteckte sich unter dem Bett, verstand die Worte nicht, welche gebrüllt wurden. Die Tür krachte in die Wand und er glaubte, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Ein freundliches Gesicht erschien in seinem Blickfeld. Es war Thatch, der es nach einigem guten Zureden schaffte, ihn aus dem Versteck hervorzuholen. Der Pirat hatte sein Wimmern gehört und war deswegen reingekommen. Den Kleinen dort zu lassen, war keine Option für den Smutje, weswegen er ihn mitnahm. Letztendlich wurde Dan in die Bande aufgenommen, auch wenn er noch so jung war.

Seren schloss die Tür hinter sich und warf sich erschöpft auf ihr Bett. Ihr Schädel dröhnte ziemlich und hatte zu tun, alle Informationen zu verarbeiten. Edward war ein beeindruckender Mann, der wirklich Leben rettete und veränderte. In Worte konnte sie all ihre Empfindungen nicht verpacken. Dass solche selbstlosen Menschen tatsächlich existierten, ließ Hoffnung in ihr aufkeimen. Egal, was die Regierung meinte, wie gefährlich und bösartig Piraten doch seien, sie irrten sich. Die ganzen Freibeuter auf der Moby Dick waren herzensgute Kerle, denen Seren vertrauen konnte und mittlerweile auch wollte. Wie unvernünftig, dumm und naiv es entgegen aller Vernunft sein mochte, es war, was sie empfand. »Keine persönlichen Bindungen«, murmelte sie und seufzte dann tief. An diesem Vorsatz musste sie zwangsläufig festhalten. »Schluss jetzt«, rollte sie sich grummelnd auf die Seite, zog die Decke über sich und schloss ihre Augen.

Dem Schicksal verpflichtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt