Ich umschloss meine Finger wieder vorsichtig um die Scherbe, ehe ich mit einem festen Ruck daran zog. Ich spürte den Widerstand, ließ aber nicht locker, bis ich die komplette Scherbe in der Hand hielt und Ceiron nur erleichtert aufatmete.
"Schon besser", murmelte er, ehe er sein T-Shirt nahm und dieses um seine Schulter, unter der Achsel herumwickelte und seine Hand fest darauf presste.
"Ob das besser ist, bezweifle ich so wie das blutet", sagte ich und schaute misstrauisch auf die Wunde, aus der nun noch mehr Blut rann.
"Das hört gleich auf", meinte Ceiron locker. Seine dunklen Augen bohrten sich abermals in meine, wodurch meinem Körper wieder dieses Kribbeln durchzog und ich meinen Kopf sinken ließ.
"Kann ich sonst irgendetwas tun?", fragte ich leise, da ich mir so nutzlos vorkam, während er mich so musterte.
"Du könntest ja meine Verletzung heile küssen", erwiderte er mit einem Zwinkern, was mich genervt meine Augen verdrehen ließ.
Da war er wieder, der arrogante, selbstverliebte ...
"Das hättest du wohl gerne", entgegnete ich, jedoch konnte ich nicht verhindern, dass meine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen.
"Nicht nur das", murmelte er, woraufhin mein Lächeln verschwand und ich beschämt wegschaute. Ich war viel zu unerfahren, um darauf etwas selbstbewusstes erwidern zu können.
Ceiron legte sich einfach wieder hin, als ich nicht darauf antwortete. Er schloss seine Augen und ich musterte ihn einige Zeit, während ich mir die Frage stellte, wie dieses Beben zustande kommen konnte. Ich hatte eine Vermutung, dass es etwas mit den Halo-Kristallen auf sich gehabt haben könnte, aber sicher war ich mir dessen nicht.
"Denkst du, das war diese Verrückte?", fragte ich leise in der Hoffnung Ceiron hätte die Antwort darauf.
"Ich hoffe nicht, denn das würde bedeuten, dass sie auch im Besitz des zweiten Kristalls wäre", sagte er, wobei zwischen seinen Augen wieder diese kleine Sorgenfalte entstand.
"Hey! Ceiron, Aislinn", hörten wir eine Stimme, weshalb ich meinen Kopf eilig nach oben drehte, wo Rea direkt vor dem Abgrund stand und auf uns herabsah.
"Das hat sogar länger gedauert, als gedacht", stellte Ceiron leise fest, als Rea bereits zu uns heruntergeklettert kam.
"Geht es euch gut?", fragte dieser besorgt, als er bei uns ankam und Ceiron misstrauisch betrachtete. "Was ist passiert?"
"Ich wollte zu ihm rüberspringen, aber habe es nicht geschafft, weshalb Ceiron mich aufgefangen hat und auf das Auto gekracht ist", teilte ich Rea mit, während Ceiron sich wieder die Seite festhielt und sich versuchte aufzusetzen.
"Kannst du gehen?", fragte Rea, als er Ceiron stützte.
"Ja, sind nur paar Rippenbrüche. Alles gut", winkte er ab, ehe er langsam auf die Beine kam und schmerzverzerrt sein Gesicht verzog. "Sicher?", hakte Rea nach, als er seinen Griff um Ceiron verstärkte, da dieser leicht schwankte.
Ceiron warf Rea nur einen bösen Blick zu, ehe wir uns von dem Auto entfernten und auf die Gesteinswand von der Schlucht zugingen. Mein Blick fiel nach oben und ich wusste bereist dort, dass ich es niemals hoch schaffen würde.
Allerdings stützte Rea nicht nur Ceiron, sondern auch mich, weshalb wir nach einigen Minuten tatsächlich oben ankamen, wo Ceiron sich erschöpft auf den Boden fallen ließ. Es tat mir weh, ihn so schwach zu sehen und auch Rea schien etwas überfordert mit der ganzen Situation zu sein.
"Wir müssen so schnell wie möglich zum Rudelhaus", sprach Rea auf Ceiron ein, welcher sich dann auch behutsam wieder erhob. Am liebsten hätte ich Rea gesagt, dass er nicht so hetzen soll, immerhin war Ceiron nur wegen mir verletzt. Allerdings verkniff ich es mir, da ich einen Streit vermeiden wollte.
"Sag mir, dass es nicht auf Lillith's Mist gewachsen ist", sagte Ceiron, als er einmal über den Schrottplatz schaute, welcher komplett verwüstet war.
Rea ging voran zu seinem Geländewagen, welchen er nur wenige Meter entfernt geparkt hatte. "Leider ist es genau auf Ihren Mist gewachsen. Sie hat nun auch den zweiten Halo-Kristall für Erde", bestätigte er unsere Vermutung.
"Fuck, wie konnte das passieren", fragte Ceiron wütend, als dieser sich auf den Beifahrersitz niederließ und ich hinter ihm Platz nahm.
"Das kann ich dir genau sagen! Weil du als Alpha allem Anschein nach andere Prioritäten hast", knurrte Rea ebenso wütend, als sein Blick einmal durch den Rückspiegel zu mir glitt.
"Alpha?", lehnte ich mich ungläubig zu Ceiron vor, welcher allerdings nichts erwiderte und stattdessen stur geradeaus schaute.
Keiner in dem Auto sagte noch etwas und mir fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen. Ceiron war der Alpha, der seine Gefährtin finden musste, um seine vollständigen Kräfte zu erhalten.
Aber er sagte doch, ich wäre seine Mate. Müsste dies nicht bedeuten, dass er seine Kräfte schon haben sollte?
Jetzt verstand ich auch, warum mich in dem Rudel alle so respektvoll behandelten und warum sie mich, als die Lösung betitelten. Nur verstand ich nicht, warum ausgerechnet ich seine Mate sein sollte. Ich war nur ein wehrloser Mensch...
Hatte er sich vielleicht getäuscht? Aber wo kamen dann diese Gefühle her?
Ich versank so tief in meine Gedanken, dass ich gar nicht merkte, wie wir an dem Haus in dem Wald ankamen. Erst als Rea schwungvoll die Tür öffnete, schrak ich aus meinem Gedankenkarussell heraus.
Ich klettere aus dem Geländewagen heraus und folgte den beiden in das Innere des Hauses, wobei ich mir nicht einmal sicher war, dass sie noch eine Notiz von mir nahmen. Im Haus war bereits ein reges Stimmengewirr, welches aber sofort stoppte, als Ceiron das Wohnzimmer betrat.
Erst da fiel mir auf, welchen Einfluss er auf all diese Menschen hatte und mit wie viel Respekt sie ihm gegenüber traten. Doch anstatt Ceiron etwas sagte, ging er einfach zu der Treppe, um bei dieser angekommen direkt die ersten Stufen nach oben zu gehen.
"Ceiron!", rief ihn Rea hinterher, woraufhin er auch innehielt und sich leicht herumdrehte.
"Rea lass es!", knurrte er. "Ich muss mich ausruhen."
Ich stand inmitten von dem ganzen Chaos und spürte die Blicke der anderen Wölfe auf mir, was mir ein unangenehmes Gefühl bescherte. Ceiron schien mich hier einfach stehen zu lassen, was mir ebenfalls wieder ein Stich im Herzen versetzte.
"Nein! Du musst endlich die Verantwortung übernehmen und dich deinem Schicksal stellen", schrie Rea ihm hinterher.
"Bist du echt so feige?", brüllte er, weshalb Ceiron mit bebenden Körper herumwirbelte und ich glaubte, er würde jeden Moment die Kontrolle verlieren.
"Alle hier zählen auf dich... und auf sie!", sagte Rea, als er mit seinem Finger auf mich zeigte. Ich verstand nicht recht, was das nun mit mir zu tun hatte.
"Sie ist ein Mensch!", knurrte Ceiron und wiederholte immer wieder diese eine Tatsache, welche ihm anscheinend ziemlich wichtig war. "Und das bleibt auch so!"
Ich spürte etliche Augenpaare auf mir, ebenso wie die Zuversicht, welche sie anscheinend in mich setzten, weshalb ich einen Schritt vortrat.
"Wenn ich helfen kann, tue ich es", sagte ich leise und mit zittriger Stimme, da ich nicht einmal wusste, was genau für eine Hilfe ich damit anbot.
"Siehst du Ceiron! Selbst sie hat mehr Eier als du!"
"Sie ist einfach nur ahnungslos", entgegnete Ceiron sauer. Seine dunklen, wütenden Augen trafen auf meine und ich versuchte aus seinem Gesicht abzulesen, was wirklich in ihm vorging. Doch alles was ich sah, war wieder diese Wut und Abneigung, weshalb ich mich unbewusst kleiner machte.
Anscheinend war alles, was zwischen uns auf dem Schrottplatz geschah, wie weggeblasen und ich fragte mich, wie er es schaffen konnte mich so zu täuschen. Wie konnte ich so blind sein und seinen Worten glauben schenken?
"Akzeptiere es doch einfach!", schrie Rea wieder wütend. "Du musst sie zu deiner Gefährtin machen."
"Ich will sie aber nicht, als meine Gefährtin!", zischte Ceiron zwischen zusammengebissenen Zähnen, woraufhin ich einen weiteren Schritt zurückging. Es fühlte sich an, als hätte er mir einen Schlag ins Gesicht verpasst.
Wieder einmal...
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My broken soulmate
WerewolfAislinn wächst in einem kleinen Örtchen namens Adare auf, welches eine kleine Vorstadt in Irland ist. Ringsherum gibt es viele Wälder und Berge, welche sie mit ihrem Dad und ihren Motocrossrädern unsicher machen. Jedoch stirbt ihr Vater bei einem M...