Kapitel 28

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Perplex schaute ich Ceiron an, wobei ich nur seine Umrisse erkannte, da es noch immer stockdunkel in meinem Zimmer war.

"W-wie meinst du das?", stotterte ich unbeholfen, während Ceiron sich aufsetzte und ich es ihm gleich tat.

"Wenn ich dich markiere, bedeutet es auch, dass du die Wolfsgene von mir bekommst", sprach er leise, aber bedacht, die richtigen Worte zu benutzen.

"Aislinn, ich bin der Alpha. Der stärkste Wolf im Rudel und meine Gefährtin muss ebenso stark sein, mehr charakterlich, als körperlich", meinte er. Ich verstand, auf was er hinaus wollte. Ich war nicht stark, weder körperlich noch charakterlich. Alles, was von mir übrig blieb, war ein Häufchen Elend, dass sich nach Anerkennung sehnte und nach Liebe lechzte.

"Und du siehst mich nicht in dieser Position", stellte ich leise bedrückt fest.

"Doch, natürlich. Du bist für mich die stärkste Person, die ich kenne", sagte er sanft, wobei er eine Strähne meiner Haare hinter mein Ohr strich. "Du hast viel durchgestanden und doch bist du der rücksichtsvollste Mensch, den ich kenne."

"Woher willst du wissen, was ich durchgestanden habe?", fragte ich irritiert.

"Der einzige Grund, warum man den Schmerz anderer verstehen kann, ist der, dass man ihn selbst gespürt hat", erklärte er mir leise. Kein Laut wollte mir über die Lippen kommen, stattdessen schaute ich verwirrt zu den Umrissen von Ceiron.

"Ich war 7, als mein Vater und meine Mom bei einem Kampf mit anderen Wölfen ums Leben kamen. Ich konnte ihnen nicht helfen, denn ich war zu dem Zeitpunkt nur ein schwacher Junge, da das Wolfsgen erst bei Heranwachsenden ausbricht. Nachdem ich keine Eltern mehr hatte, kam ich zu meiner Tante, die mich als Missgeburt angesehen und auch so behandelt hat. Meine Mom war wie du ... ein Mensch", erzählte er mir, wodurch mir langsam die Tränen in die Augen traten.

"Meine Tante war die Schwester meiner Mom und verstand nicht, wie meine Mom sich in einen Wolf verlieben konnte. Sie ließ mich ihre Abneigung jeden Tag fühlen und auch ihre beiden Söhne hetzte sie gegen mich auf. Dabei war ich nur ein Junge, der den Tod seiner Eltern versuchte zu verarbeiten und nichts sehnlichster brauchte, als ein liebevolles Zuhause."

"Hast du deswegen so eine Abneigung gegen Menschen?", fragte ich leise in die Dunkelheit.

"Ich habe keine Abneigung. Immerhin bin ich auch ein halber Mensch. Ich möchte dich nur beschützen, Linn", raunte er mir mit seiner sanften Stimme zu, wodurch sich auf jeden Zentimeter meiner Haut eine Gänsehaut bildete.

"Aber was bringt es dir, wenn du mich schützt, aber alle anderen in Gefahr bringst?"

Mir schwirrten noch immer die Worte von Rea im Kopf, dass der Alpha nur mit der Markierung seiner Mate zu den absoluten Kräften kam.

Aber wollte ich wirklich etwas aufs Spiel setzen, um denjenigen zu helfen, welcher mich größtenteils schlecht behandelte?

"Du bist mir wichtiger", antwortete er. Seine Stimme war zwar warm, aber gleichzeitig auch kühl, was mich abermals leicht zurückweichen ließ. "Ich möchte dir nicht noch mehr Leid zufügen."

"Das tust du aber mit deinen Abweisungen."

"Glaube mir, wenn ich dich markiere und du meine Luna wirst, musst du ganz andere Dinge durchstehen", sagte er und gab mir damit deutlich zu verstehen, dass es wohl nicht einfach sei, die Frau des Alphas zu sein.

"Wenn ich dich an meiner Seite habe, überstehe ich alles", erwiderte ich ohne auch nur über meine Worte nachzudenken. Ich verstand nicht, wo dieser Drang herkam, aber ich wollte ihm helfen, seine Sorgen beseitigen, auch wenn er mit mir wahrscheinlich nur noch mehr Sorgen hätte.

"Ich liebe es, wie selbstlos du bist, aber ich kann nicht", sagte er, ehe ich plötzlich merkte, wie er von dem Bett aufstand. Eilig sprang ich ebenso auf, jedoch sah ich nicht viel, was die gesamte Lage etwas komplizierter machte.

"Ceiron, bitte", flehte ich, denn ich wollte nicht, dass er mich wieder allein ließ. Mir wieder ein Stück meiner Seele raubte.

"Aislinn, bitte mach es mir nicht so schwer", meinte er seufzend, wobei ich seine Hand spürte, wie diese sanft nach meiner griff. "Ich weiß nicht, auf welche Art und Weise ich es dir noch sagen soll."

"Warum kämpfst du so dagegen an?", fragte ich wütend, während ich ihm auch meine Hand entriss. Ja, ich wusste bereits, dass er der Auffassung war, er würde mich schützen wollen, aber wieso überließ er diese Entscheidung nicht einfach mir selbst?

Es war nicht das schlimmste, wenn die Liebe nicht erwidert wurde, es war viel schlimmer, wenn man wusste, was der andere fühlte, er es aber dennoch nicht zuließ.

"Weil ich dich so brauche, wie du bist!", schrie er mich verzweifelt an. "Ich will dich nicht als Wolf, oder als Luna. Ich will dich so, wie du jetzt vor mir stehst! Dein Geruch, welcher einfach jegliche Gehirnzelle von mir auslöscht, deine menschliche Tollpatschigkeit, welche mir jeden Nerv raubt und deine Stimme, welche jede Faser meines Daseins zum Schwingen bringt. All das würde ich verlieren."

Seine Stimme brach und die Verzweiflung von ihm löste in mir eine unendliche Traurigkeit aus.

"Aber als Mensch kann ich dich nicht in meine Probleme ziehen. Es tut mir leid", hörte ich leise seine Stimme. Gerade als ich antworten wollte, ging meine Tür auf und das Licht in meinem Zimmer an. Ceiron war wie vom Erdboden verschluckt, weshalb ich mitten im Raum stehend nun meine besorgte Mutter entgegensah.

"Liebling, was tust du denn hier?", fragte sie und sah sich inzwischen ebenfalls in meinem Zimmer um, als würde sie nach etwas suchen.

Warum musste sie genau in diesem Moment hereinplatzen? Gerade, wo er sich mir so anvertraute!

"I-ich Schlafwandel?", sagte ich, wobei es mehr wie eine Frage klang.

"Ich habe eine männliche Stimme gehört", sagte sie und hob dabei eine Augenbraue. "Also, wo versteckst du ihn?"

Sie kam in mein Zimmer und schaute hinter der Tür, ehe sie zu meinem Kleiderschrank ging und auch diesen öffnete. Dachte sie wirklich, ich wäre so klischeehaft und würde einen Jungen in meinem Schrank verstecken?

"Da hast du dich sicherlich verhört. Hier ist niemand", meinte ich eilig, als sie auch noch unter meinem Bett nachschaute.

"Ich bin mir sicher, dass ich mich nicht verhört habe", meinte sie streng, jedoch stand sie wieder auf und ging zurück zur Tür, wo sie sich nochmals zu mir herumdrehte.

"Ich bin es langsam wirklich leid. Du veränderst dich immer mehr seit dem Tod deines Vaters, deswegen habe ich mich auch mit Michael besprochen und er sieht es genauso wie ich. Er hat einen Neffen, welcher am Wochenende zum Meer fährt, mit einigen Freunden und du fährst mit", bestimmte sie, woraufhin ich sie fassungslos ansah.

"Was? Mom, nein! Ich kenne die nicht einmal", protestierte ich und bekam von ihr nur einen sauren Blick geschenkt.

"Keine Widerrede! Entweder das oder ich bringe dich zum Psychologen!"

Wollte diese Frau mich komplett verarschen?

My broken soulmate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt