Kapitel 13. Unerwünschte Zuhörer

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Die Musik tönte, einbestellte Frauen zeigten ihre besten Tanzkünste, und die ersten Krüge klirrten beim Anstoßen, als die Tür geöffnet wurde. Ein Kalea trat ein und klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit aller Augen auf sich zu ziehen und dem Livian den Auftritt zu verschaffen, den er selbst im Gefängnis zu haben pflegte. „Ihre Gnaden, der Livian Ennaria Zeran und die oberste Instanz von Haxeth!" Jedes Auge wandte sich zur Tür und sekundenlang geschah nichts, so als mussten sich die Anwesenden absichtlich gedulden. Dann trat ein hochgebauter Mann in einem mitternachtsblauen, glänzenden Anzug, dessen Schnitt sich in der Taille verengte und an den Armen weit wurde, in den Saal. „Ist er das?", flüsterte Henri seinem Vater zu, und es war so dunkel, dass sie das Gesicht des Mannes zunächst nur schwer erkennen konnten. Richard kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf: „Nein, aber das ist Livian Kenzo." Hinter Haxeths Chef traten Alice Draca und Cindera Marion ein, sofort erhoben sich sämtliche Leiber und gingen grüßend auf sie zu. Koa ließ seinen Queue sinken und die Billardkugeln standen still. „Ist Alice nicht eine vollkommene Schönheit? Für ihr Alter blüht sie noch so jugendlich, dass es bei diesen Lichtverhältnissen aussieht, als wäre sie keine zwanzig Jahre alt", verehrte Koa die zweite, blonde Leiterin von Haxeth, die ein kühles, aber zugegeben schönes Anlitz hatte. Nonza ging bereits auf sie zu, doch nicht, ohne Richard zuvor seinen Krug in die Hand zu drücken, so als sei er ein Angestellter: „Ich werde sie grüßen, halten Sie mein Getränk." Reeson war einige Meter entfernt damit beschäftigt, mit zwei Kalea darüber zu streiten, dass nur vierzig statt fünfzig seiner bestellten Flaschen mit Brandlidra geliefert worden waren. „Diese Dame ist die Leiterin Cindera, nicht wahr?", lehnte sich Richard zu Koa, seine Augen hafteten sich an die schwarzhäutige Frau mit den rosa angemalten Lippen und dem lockigen Haar. Sie stand hinter der schönen Alice, knickste nicht, sondern schüttelte Hände, was ein Zeichen dafür sein konnte, dass sie einer späteren Zeitepoche entstammte. In ebendieser Sekunde fiel Cinderas Blick an denen vorbei, die sie grüßten, direkt zu Richard. Sekundenlang musterten sie einander, Henri runzelte die Stirn und Koa erklärte: „Wenn Sie mich fragen, so ist Cindera Marion keine allzu feierliche Gesellschaft. Alice hingegen... Oh, Alice ist wunderbar!" Und dann, als ein Großteil der Anwesenden vor der Tür versammelt stand, weiterhin Hände gereicht wurden, Männer sich verbeugten und Damen knicksten, trat Livian Zeran ein. Er trug einen Stoffanzug, der schwarz aussah, jedoch silbern funkelte, sobald Licht auf eine Falte fiel, hatte helles Haar und große, unschuldige Augen wie ein Hundewelpe. Henri hob seine Hand vor die Lippen um den Mund zu verdecken und flüsterte in Richards Ohr: „Der sieht ja aus wie ein Riesenbaby." „Was hast du gedacht, dass die Sadisten immer aussehen wie Psychopathen in Filmen? Lass' dich von Babyspeck nicht täuschen", murmelte dieser mit zusammengebissenen Zähnen, denn er lächelte weiterhin herzlich zur Tür. „Mein alter Freund!", rief Koa rasch und steuerte zu der Menschentraube, doch weil so viele Männer den selben Ruf ausstießen, beachtete Zeran den Enna zunächst mit keinem Auge. „Hat er etwa seine eigenen Kalea mitgebracht?", fragte Henri, während sie Koa folgten, denn hinter Zeran waren einige Vernarbte eingetreten, die keine Gewänder trugen, sondern schwarzrot gestreifte Shirts und Shorts, und den Mann schützend umkreisten. „Sieht danach aus", nickte Richard, und im nächsten Moment war die feierliche Begrüßung beendet, denn eine alte Dame aus der letzten Ecke des Saals hatte sich erhoben, war energischen Schrittes zur Tür gelaufen und stemmte vor Zeran die Hände in die Hüften. „Sie widerliches Stück", giftete sie ihn an, die anderen verstummten empört, rammten einander tuschelnd die Ellbogen in die Seite und die Dame zischte: „Wie konnten Sie sich an Elena vergehen? Livian Daria ist meine beste Freundin, Sie ehrenloser Narr! Denken Sie nicht, dass ich Sie erneut zu meinen Festlichkeiten in Monte Magriz einladen werde!" Jetzt sah Livian Zeran nicht mehr wie ein unschuldiges Riesenbaby aus und seine großen Augen verengten sich hässlich, doch er lächelte: „Ach, Livian Silvia, noch immer in Haxeth? Ich bezweifle, dass Sie demnächst eine Gesellschaft geben werden. Ein schimpfendes Weib ist wie ein bellender Hund, und für beide habe ich den selben Respekt."

Xenna - Kinderheim der TotenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt