Grenzen

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Peters Sicht

Peter hatte gehört, daß Bob und Justus über ihn geredet hatten, als er die Tür öffnen wollte.   „Auf gar keinen Fall!“, hatte er Bob bestimmt sagen gehört und hatte ihn mitten in der Bewegung innehalten lassen. „Bob du solltest unbedingt mit Peter darüber reden!“, meinte Justus darauf hin. „Nein Justus! Und du wirst es auch nicht! Versprich mir das“, verlangte Bob vehement. „Bob- ?!“, versuchte Justus wohl Bob zu überzeugen. Doch Bob verlangte nur noch eindringlicher: „Versprich es mir!“

Das klang nicht gut, um was es wohl ging, vielleicht um Bobs Grenzen, die er gerade austestete? 

„Ja schön, ich verspreche es“, sagte Justus hörbar ungern, „aber ich bin dennoch der Meinung, daß du es ihm sagen solltest.“

„Achja und wenn -“, fing Bob gerade eine Erklärung an, aber genau in dem Moment traten Jason und Tom aus dem Nachbarzimmer. „Geht ihr jetzt auch ins Kino?“, fragte Jason freundlich. 

„Ja, sobald Bob soweit ist. Bis gleich“, sagte Peter und hörte noch einen Satz, konnte aber nicht unauffällig länger vor der Tür stehen bleiben, sondern musste sie öffnen.

„Bob das ist absoluter Quatsch. Peter würde niemals-“, hatte er Justus sagen hören, als sie ihn bemerkten. Er trat ein. Er wollte nicht, daß die beiden wussten, daß er gelauscht hatte und tat so, als wäre nichts.

Nach einer kurzen Absprache, machten sie sich auf dem Weg zum Kino, wo sie da hin mussten, wusste er ja jetzt genau. Das Hotel hatte eine überschaubare Größe und er kannte nun jeden Winkel.

„Was für ein Film läuft eigentlich?“, fragte Bob, als Peter ihm die Hand gab und sie gemeinsam über den Flur liefen.

„The way he looks, sagt mir gar nichts, euch?“, antwortete Peter  und sah seine beiden Freunde neugierig an.

„Der Film ist von Daniel Ribeiro, hatte Premiere 2014 und ist quasi eine langversion des preisgekrönten Kurzfilms von Ribeiro aus dem Jahr 2010. Der Film bekam unter anderem den Teddy Award, bei seiner Premiere. Er spielt in Brasilien. Der Hauptcharakter ist Leonardo, der -“, fing Justus direkt an loszulegen.

„Stop! Just. Ich wollte den Film gerne sehen und will mir nicht vorher alles anhören“, unterbrach Bob lachend. 

„Viel mehr weiß ich doch gar nicht, ich habe nur vorhin an der Rezeption die Beschreibung gelesen“, erklärte Justus.

Das Hotelkino unterschied sich in einigen Dingen zu einem normalen Kino, zunächst bekam jeder der wollte eine Tüte Popcorn und ein Getränk, ohne dafür Unsummen bezahlen zu müssen. Es gab auch nur Partnersitze und zwar 4 Stück pro Reihe. Es gab 6 Reihen und in der hintersten saßen Tom und Jason, neben 2 jungen Frauen. Die 2 vorderen Doppelplätze waren frei.

Peter setzte sich neben Jason und Bob setzte sich dazu. Solche Sachen waren ja momentan vorgegeben.

Justus grinste: „Sehr gemütlich, soviel Platz nur für mich.“ Auch Jason und Tom lachten mit.

Zwei Reihen vor ihnen saßen Sascha und Markus und dann waren noch 3 weitere Pärchen, die sie bisher nicht kannten.

Peter zögerte diesmal, ob er tatsächlich wieder so offensiv mit Bob agieren sollte, um zu schauen, wo dessen Grenze lag, oder ob Bob schon jetzt total überfordert war und statt mit ihm zu reden, vielleicht zu Justus gegangen war.

Nun er wollte Bob provozieren, daß war die ganze Zeit über seine Absicht gewesen. Jetzt sah es so aus, als könnte er Erfolg haben  und nun sollte er kurz vor Ziel aufgeben? Nein er dachte gar nicht daran. Er wollte es nun wissen und das Licht war auch noch an.

Peter wagte es einfach und legte seine Hand auf Bobs Oberschenkel ab. Bob sah ihn an, doch in dem Moment ging das Licht aus und Peter ignorierte es, tat so als wäre nichts spannender, als das der Film nun begann. Doch er spürte Bobs Blick regelrecht auf seiner Haut brennen.

Dann nahm Bob seinen Arm weg und legte ihn sich über die Schulter und kuschelte sich an ihn ran. Das war dann wohl eine nonverbale Erklärung, was erlaubt war und was nicht, dachte Peter. Aber gut, er wollte schließlich die Grenzen ausloten und nicht Bob dazubringen ihm vor allen eine Szene zu machen.

Der Film war nett und unterhaltsam, keine Action und doch nicht langweilig. Man musste mal über ganz anderes nachdenken. Während er über so manches nachdachte beim Film schauen, streichelte er Bobs Arm.

Gabriel sagte über seine Gefühle soll man reden und doch machte auch er das selbst nicht. Er rannte lieber weg, vor seinen Gefühlen, rannte nach dem Kuss weg und ließ Leo alleine auf der Party zurück. Dann beschließt er zu behaupten, er wäre betrunken gewesen und hätte einen Filmriss, obwohl er fast nüchtern war. Er verursacht Mißverständnisse, obwohl er es nicht will. Viel schlimmer noch Gi, ihre Körpersprache und Mimik war zwar deutlich, aber sie weiß genau das Leo blind ist und diese nicht sehen kann. Und da sie ständig nicht sagt, was sie fühlt, wird sie auch ständig verletzt. Zum Ende hin reden alle offen mit Leo. Naja, bei Gi war es ausbaufähig, aber sie war wieder die beste Freundin von Leo und Gabriel und Leo werden ein Paar.

Peter überlegte, vielleicht sollte er auch statt diesem Spiel, das er hier veranstaltete, besser direkt und offen mit Bob reden. Aber wie? Er konnte doch schlecht hingehen und sagen: „Hey Bob, ich bin bi und habe mich vor Jahren in dich verliebt und halte es ohne dich nicht aus. Ich weiß das du asexuell bist, aber vielleicht finden wir trotzdem einen Weg beide glücklich zu werden?“  Das klang total verrückt.

Nach dem Film schlossen sie sich den meisten Anderen an und gingen in die Hotelbar, um mit den Anderen noch ein wenig ins Gespräch zu kommen.

Jason und Tom kamen nicht mit, die beiden würden ab morgen früh in einer Skischule Skifahren lernen und wollten sich davor ausschlafen. Umso leichter würde es sein mit anderen Hotelgästen, oder vielleicht auch den ein oder anderen Angestellten ins Gespräch kommen.

Das klappte auch super, sie redeten sehr angeregt, Justus mit dem Mann an der Bar, der ihn scheinbar anflirtete, oder täuschte das und es war die offene Art des jungen Mannes? Und Peter mit drei Pärchen, den beiden Frauen (Lesley und Sharon) aus dem Kino, Sascha und Markus und einem weiteren jungen Pärchen aus Pittsburgh Greg und Brian.

Bob in seinem Arm wurde zunehmend ruhiger und nach Mitternacht betrachtete Peter Bob genauer. Bob sah nicht gut aus, er war kalkweiß, hatte Ringe unter den Augen, die Augen selbst waren glasig und seine Arme waren mit Gänsehaut überzogen. Peter machte sich sofort Sorgen. „Schatz, ich glaube du gehörst dringend ins Bett“,  beschloss er umgehend.

Bob nickte nur. Sie verabschiedeten sich von den Anderen und gingen  zurück in ihr Zimmer. Auch auf dem Weg sagte Bob kaum ein Wort. Peter öffnete die Tür und Bob lief zum Bett und ließ sich darauf fallen.

Peter ging kurz ins Bad, um aufs Klo zu gehen und sich fertigzumachen. Als er nach 5 Minuten raus kam, schlief Bob tief und fest, quer im Bett und komplett angezogen inklusive seiner Schuhe.

Bob reagierte nicht darauf, daß er ihn ansprach, also zog er Bob die Schuhe aus, der davon absolut nichts mitzubekommen schien. Danach zog er ihm die Jeans aus, dabei schoß es ihm durch den Kopf, daß er sich es immer ganz anders vorgestellt hatte, wie es sein würde, Bob die Hose auszuziehen. Heißer.

Okay diese Träume entbehren jegliche Realität, aber das hier -  Selbst beim richtig hinlegen, regte sich Bob nicht, er musste völligst erschöpft sein, dachte Peter.

Vorhin schon war Bob nicht fit gewesen. Peter machte sich Vorwürfe, daß er Bobs Erschöpfung und Müdigkeit scheinbar so unterschätzt hatte. Er deckte Bob zu, machte das Licht aus, krabbelte neben Bob unter die Decke, kuschelte sich an Bob, gab ihm einen Kuss in den Nacken und sagte: „Gute Nacht, mein Schatz.“

Er sagte es nur, weil er genau wusste, das Bob ihn nicht hörte. Er hätte auch nichts sagen können, aber es fühlte sich so gut an. Fast als wären seine Träume wahr geworden. Mit diesem glücklichen Gefühl schlief auch er schnell ein.

***

Übrigens kann ich den Film absolut empfehlen, sofern man damit leben kann, daß der Film nicht synchronisiert ist und man auf Untertitel zurückgreifen muss ;)

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