Kapitel 6:

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Ich sah den Jungen überrascht und neugierig an.
Er hatte rotbraune Haare und leuchtend blaue Augen.
An sich sah er sehr gepflegt aus, aber was seine Kleidung betraf sah es so aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen.
Das graue Hemd war zerknittert und die schwarze Reiterhose war an den Knöcheln etwas mit Schlamm verschmiert.
Ich hob die Augenbrauen und musterte Ihn argwöhnisch, es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet und der einzige matschige Untergrund in der Gegend war der Sumpf hinter der Mauer von Sandringham.
Der Tinka kam augenblicklich zu Ihm gelaufen und stupste Ihn mit dem Kopf an die Schulter.
Nun sah ich, dass auch er an den Hufen und Fesseln eine dünne Schlammkruste hatte.
"Normalerweise reiten die Feriengäste nicht alleine oder außerhalb von Sandringham und schon gar nicht mit einem Pferd, was noch nicht so lange hier ist." Sagte ich schlicht und ging an Ihm vorbei, in Richtung Zaun.
Ich hörte Ihn hinter mir Schnauben und wie er mir zum Zaun folgte.
"Ich darf mit meinem Pferd machen was ich will!" Sagte er wütend und ich hielt mitten in der Bewegung inne.
Halb war ich über den Zaun gebeugt und halb hing ich noch in der Luft.
Ich setzte mich auf den Zaun und blickte Ihn entsetzt an.
"Dein...WAS?" Fragte ich Ihn unglaubwürdig.
Er grinste mich triumphierend an und setzte sich neben mich auf den Zaun.
Der daraufhin kurz wackelte und im nächsten Moment wieder gerade stand.
"Ich hab Ihn von meinem Vater vor vier Jahren bekommen."
Ich blickte zu dem Tinka, der auf der Koppel freudige und ausgelassene Bocksprünge machte. Ich musste schmunzeln, als er an Mariscal vorbeischoss und dieser hinter Ihm her stürmte.
"Du hast eine starke Verbindung zu Ihnen, vor allem zu Ihm!" Er nickte in Mariscals Richtung.
Sein Pechschwarzes Fell glänzte in der Abendsonne und seine Mähne und sein Schweif schimmerten seidig und mit jeder Bewegung sah es so aus, als wären sie aus Wasser.
Ich nickte.
"Ja, das habe ich.
Ich habe auf seinem Vater reiten gelernt, bevor vollends seine Dressurkarriere begann und habe Ihn dann als Fohlen ausgebildet."
Ich merkte, wie sich der Zaun unter uns bewegte, als er sich zu mir herumdrehte.
"Du bist auf Calypso geritten? Und hast Mariscal dann auch noch ausgebildet?" Fragte er mich ungläubig.
Ich zuckte zusammen und biss mir auf die Lippe.
Mist!
"Also...nun ja, ich habe oft...die Sommer hier verbracht.
Mit meinen...Eltern und... älteren Brüdern." Druckste ich herum.
Er schien nicht besonders überzeugt zu sein und hob eine Braue.
Gerade als er den Mund öffnete um noch etwas zu sagen, sprang ich vom Zaun und kletterte hindurch.
"Kommst du? Ich denke nicht, dass Ragnor es so gut fände wenn du alleine hier draußen bei den Pferden bist. Und vor allem nicht bei den der Königsfamilie." Sagte ich ohne mich umzudrehen und lief wieder zurück zum Hof.
Hinter mir hörte ich wie auch er vom Zaun sprang und mir hinterherlief.
Dabei murmelte er irgendetwas, was wie 'na das kann ja mal spannend werden' klang und ich blickte über die Schulter.
"Wie heißt du eigentlich?" Wollte ich wissen und sah, wie er kurz zögerte, mir dann aber antwortete.
"Clayton, aber nenn mich ruhig Clay. Das tun eh die meisten in meiner Familie."
Ich nickte und lief weiter, währenddessen schloss er auf und lief nun neben mir. Die Hände gelassen in den Hosentaschen.
"Und du?" Fragte er an mich gewandt und hatte ein schelmisches Grinsen in den Augen.
"Wie heißt die kleine Zauberin, die mit Pferden spricht?"
Ich schnaubte.
"Das ist keine Zauberei! Das ist Kommunikation!" Aber er schien nicht großartig überzeugt und ich seufzte geschlagen.
"Julette. Nenn mich aber meinetwegen auch Julls."
Er blieb stehen und reichte mir die ausgestreckte Hand.
"Also gut, Julls.
Auf eine gute Zusammenarbeit, während wir hier sind!"
Ich beäugte Ihn misstrauisch, nahm aber schließlich seine Hand und schüttelte sie.
"Meinetwegen." Sagte ich schlicht und er grinste triumphierend.
Dann machten wir uns wieder auf den Weg zum Gästehaus.

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