Kapitel 11

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Ich schau auf meine Hand, um zu sehen, wie schlimm die Wunde, die ich mir selbst zugefügt habe, aussieht. Ich bereue es, dass ich es an dieser Stelle gemacht habe; es ist viel zu auffällig. Ich bereue es allgemein, dass ich mich selbst verletzt habe. Ich habe mir in diesem Moment keine Gedanken darüber gemacht, dass andere es sehen könnten. Alles was ich in diesem Moment wollte war es etwas zu spüren. So blöd es auch klingt, das Gefühl von Schmerz hat mir für einige Sekunden geholfen mich besser zu fühlen. Ich habe um ehrlich zu sein Angst, dass das zur Gewohnheit wird.
Nein Julie wird es nicht.
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass meine Wunde schlimmer aussieht als sie weh tat.
Nachdem ich meine Hand betrachtet habe, schaue ich  zu Chase. Besorgt schaut er mich an und wartet darauf, dass ich ihm eine Antwort gebe.
Ich beiße mir auf meine Lippe.
>> Can we talk about this later.<< frage ich mit zittriger Stimme.
>> I wanna know now.<<
>> Please not here .<< Ich schaue ihn mit einem flehendem Blick in die Augen.
>> Okay, but we'll leave soon to talk about this.<<
Er sagt das mit so einer Ernsthaftigkeit, dass ich noch mehr Angst bekomme. Ich sehe, wie er seinen Kiefer zusammenbeißt, sodass seine Wangenknochen zum Vorschein kommen.
Ich nicke und lege meinen Kopf zurück in seinen Arm. Wie soll ich es ihm erklären, ohne dass er denkt ich bin ein Psycho. Ich denke nicht, dass er nachvollziehen kann wie es mir die letzten Tage ging. Die restlichen Minuten bei Shawn denke ich nur darüber nach, wie ich es ihm kurz und knapp aber auch nachvollziehbar erklären kann. Ich hasse es, über sowas zu reden. Ich hasse es, wenn ich Leuten erklären muss, was in mir vor geht, denn um ehrlich zu sein weiß ich es selbst nicht.
>>  We're heading out, Julie has to go home.<<
Ich schaue zu Chase und bestätige seine Lüge mit einem kurzen Nicken.
>> It was really nice to meet you,<< meine ich zu Shawn und den anderen zwei Typen als wir das Haus verlassen.
>> It was nice to meet you too Julie. You and Chase are always welcomed, << antwortet Shawn.
Ich lächle ihn an.
>> Thanks.<<
Zusammen mit Chase verlasse ich die Wohnung. >>Shawn is really nice,<< meine ich als ich Chase zum Auto folge.
>> Don't try to change the subject,<< antwortet Chase.
Ich verdrehe meine Augen.
>> I mean it, <<wiedergebe ich ihm.
>> Get in the car. <<
Ich bleibe stehen und schaue Chase verwundet an. Es nervt mich, nicht zu wissen was in ihm vorgeht, was er momentan von mir denkt, doch er hat mir nicht zu befehlen was ich sage und erst recht nicht was ich mache.
>> Don't talk to me like that,<< sage ich und verschränke meine Arme.
Ich steige in den Truck und warte, bis Chase das Auto gestartet hat.
>> So you are driving me home as you told Shawn ? <<
Ich bin etwas beängstigt , da ich definitiv noch nicht nach Hause will. Es fühlt sich an, als hätte ich ihn nach einer geschätzten Ewigkeit endlich wieder gesehen, weshalb ich gerne jede Minute, die ich mit ihm habe nutzen will.
>> Nah.<< Eine sehr kurze , aber für mich erleichternde Antwort von ihm.
>> So where are we going ? <<
>> What did you do with your hand Julie ? <<
>> Where are we going Chase ? <<
>> Just answer me julie what the fuck.<<
Ich habe die letzten Minuten bei Shawn damit verbracht mir einen erklärenden Satz zurechtzulegen, allerdings hat es dieser Satz wie es aussieht nicht in mein Langzeitgedächtnis geschafft, denn ich habe keine Ahnung mehr wie ich es ihm erklären wollte.
Ich fühle mich unter Druck gesetzt, was mich nervös macht.
>> what does it look like to you.<<
Ich bereue diese Worte direkt, als sie aus meinem Mund kommen.
>> I don't know ? You tell me ! <<
Ich merke, wie seine Stimme lauter wird.
>> It's... I ... << Was ist nur los mit mir. Wieso bekomme ich keinen Satz aus mir raus ? Ich merke, wie mir die Tränen kommen.
Chase schaut mich an, während er die Einfahrt zu Shawns Haus verlässt.
>> Don't cry Julie. << Er hebt seine Hand und wischt mir eine Träne weg, die mir an der Backe herunterfließt.
>> I'll bring you to my house.<< Mein Hirn schaltet sofort auf Alarm, als ich die Wörter "my house " höre.
>> No Chase we can't. You know that I'll get send back home if someone sees me there. <<
>> That's why I'll park at the back of my house where nobody can see you.<<
Ich weiß nicht, was ich von dieser Idee halten soll. Einerseits würde ich so unendlich gerne zu seinem Haus, doch andererseits habe ich Panik, dass mich jemand sehen wird. Ich habe das Gefühl, die ganze Stadt beobachtet mich momentan und wartet darauf, dass ich einen Fehler mache und nach Hause muss.
Ich beschließe nichts weiter zu sagen um zu schauen ob Chase wirklich vor hat zu seinem Haus zu fahren. Es ist nur wenige Minuten von Shawns Haus entfernt.
Nach etwa 5 Minuten erreichen wir die Einfahrt zu Chase seinem Haus. Wie er angekündigt hat, parkt er auf dem Parkplatz hinter dem Haus. Zwar können mich seine Nachbarn von hier Haus trotzdem sehen, allerdings nicht die Autofahrer, die auf der Hauptstraße vorbei fahren.
>> Are you ready to get in ,<< fragt mich Chase prüfend.
>> I guess <<
Chase steigt aus dem Auto. Ich drehe mich einmal nach links und rechts, um mich zu vergewissern, dass niemand auf dem Gehweg läuft.
Aufgeregt folge ich ihm ins Haus. Obwohl ich die Küche bereits mehrmals gesehen habe, betrachte ich sie als wäre ich noch nie in seinem Haus gewesen. Es fühlt sich so gut an, wieder hier zu sein. Ich versuche, mein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Gastmutter zur verdrängen. Sie vertraut mir, dass ich nicht zu ihm gehe und wo bin ich jetzt ? Ich weiß nicht, ob Chase einen negativen Einfluss auf mich hat, doch ich versuche nicht weiter darüber nachzudenken. Langsam folge ich im die Treppen hoch zu seinem Zimmer. Ich setze mich auf sein Bett, während Chase auf dem Stuhl gegenüber von mir Platz nimmt.
>> What did you do with your hand?<< Seine Stimme klingt um einiges ruhiger als zuvor im Auto.
Ich schaue auf den Boden, um ihn nicht ansehen zu müssen während ich versuche es ihm zu erklären.
>> I was so sad earlier. I love you with my whole heart and I feel like you're the only person that really cares for me. When I had to tell you that it's done with us I felt so heartbroken. That's when I went to the bathroom and hurt myself. <<
Ich mache eine kurze Pause, da meine Stimme viel zu stark zittert.
>> I am sorry Chase. Please don't think I am weird. I never did that before and I will never do it again. <<
Ich drehe meinen Kopf zu ihm, um zu sehen wie er reagiert.
Schweigend sitzt er auf dem Stuhl und Schaut mich erstaunt aber zugleich auch beängstigt an.
>> Please say something,<< sage ich flehend.
>> I don't really know what to say. You hurt yourself because of me. You went through so much shit since you're here and that's all because of me. I don't think you're weird Julie and I still want to be with you, but I am shocked that you did that. I don't want you to do that again. <<
>> I won't, << antworte ich sofort.
Es stimmt was er sagt. Seit ich hier bin ist mein Auslandsjahr ein hoch und tief. Ich habe keine Kraft mehr für die Tiefpunkte. Ab jetzt möchte ich, dass alles gut wird und ich meine restlichen 7 Monate hier genießen kann. Doch um das zu verwirklichen, müssen Chase und ich an unserer Beziehung arbeiten. Ich möchte nicht über jede Kleinigkeit streiten, doch er sollte mir auch keine Gründe dafür geben.
>> You're not like that Julie. I know that I also did a lot of shit the last two months which is probably also a reason for what you did to yourself, but I promise you I'll change. <<
Ich lächle ihn an.
>> Okay <<
Es bedeutet mir viel, dass er sich ändern will. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Erleichtert lasse ich mich nach hinten fallen, sodass ich auf dem Bett liege. Ich hoffe, dass Chase sich neben mich legt, was wenige Sekunden später auch geschieht. Er legt sich hinter mich und umhüllt mich mit seinen Armen. Ich nehme seine Hand und lege sie in meine.
>> I love you,<< flüstert er mir von hinten ins Ohr.
Mein Atmung wird schneller bei diesen Worten.
Ich drehe meinen Kopf, sodass ich Chase in die Augen blicken kann.
>> I love you too.<<
Er lehnt sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. In diesem Moment, würde ich am liebsten die Zeit anhalten. Endlich spüre ich das Gefühl von Zufriedenheit und ich hoffe, dass es für immer anhält.

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