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Zum Mittagessen gab es heute Kohlrouladen mit Kraut und Kartoffeln, eines meiner Lieblingsessen. Eigentlich war hier jedes Essen meine Lieblingsessen, da die Köche einfach super gut waren. Ich hatte heute aber nicht so viel Hunger, daher holte ich mir nur eine kleine Portion und setzte mich neben Seth. Innerlich war ich noch immer total aufgeregt und hatte sogar etwas Angst. Was war, wenn jemand Thomas umbringen wollte und ich ihn nicht so schützen konnte, wie ich es musste? Was war, wenn ich dabei starb? Ich erzählte Seth von meinen Sorgen. „Du wirst das super machen, Yara, das verspreche ich dir. Du bist die Beste von uns, naja, abgesehen von mir natürlich, wenn einer das schaffen kann, dann du!" Ich lächelte ihn dankbar an. „Ich wäre froh, wenn du für den Auftrag mein Partner wärst!", sagte ich schließlich. Seth nickte. „Gerne!" Ich sah, dass seine Augen glänzten und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Ich trank einen Schluck Wasser und stand dann auf. „Marco, Ben, Jeff und ich gehen gleich etwas Tischtennis im Keller spielen, kommst du mit?", fragte Seth noch. Ich überlegte kurz, dann sagte ich zu. „Jo, ich bin dann gleich da." Vorher hatte ich noch etwas zu erledigen. Ich ging auf mein Zimmer und holte mein Handy aus der Nachttischschublade. Ich scrollte durch meine Kontakte und drückte dann schließlich auf anrufen. Nach dem dritten Ton wurde am anderen Ende der Leitung abgehoben, eine Frauenstimme meldete sich. „Hallo Mrs. Pettinson, ich würde gerne mit meinem Vater sprechen!" Ich hörte gedämpfte Stimmen, dann nahm mein Vater den Hörer in die Hand. „Yara, was für eine Überraschung, wie geht es dir, Liebling?" Es tat gut, die Stimme meines Vaters zu hören. „Hallo Papa, mir geht es super! Ich habe angerufen, weil ich dir etwas erzählen muss!" „Schließ los. Aber du musst dich etwas beeilen, ich habe heute viel Arbeit!" Ich atmete tief durch, dann erzählte ich meinem Vater von meinem Auftrag. Er war der einzige, der davon wusste, sonst wusste es keiner, nicht mal meine Mutter oder meine jüngere Schwester Mika. Als ich geendet hatte, herrschte kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Ich freue mich für dich, das ist das, worauf du die ganze Zeit trainiert hast!" Stolz schwang in seiner Stimme mit, aber auch etwas anderes, Wehmut. „Ja, ich bin auch riesig aufgeregt!" Ich konnte meinen Vater lachen hören. „Pass aber bloß gut auf dich auf, okay?" Ich nickte, bis mir einfiel, dass er das ja gar nicht sehen konnte. „Ja Papa, mache ich, versprochen!" „Ich bin unglaublich stolz auf dich, mein Engel!" Ich musste lächeln, deshalb liebte ich meinen Vater so. „Danke!" „Schatz, ich muss jetzt leider weitermachen, ruf doch am Freitag noch mal an,, Ich hab dich lieb, Bussi!" „Mach ich und ich dich auch, Papa!" Dann legte ich auf. Dann war es jetzt wohl offiziell, ich würde nach Jackson fliegen, um meinen ersten Auftrag zu erfüllen. Es tat gut zu wissen, dass mein Vater mich unterstützte, er war immer da, wenn ich ihn brauchte. Ich öffnete meinen Zopf und kämmte meine Haare gut durch, dann wickelte ich sie mir zu einem Dutt und machte mich auf zu den Kellerräumen, um noch etwas Tischtennis mit den Jungs zu spielen. Ich ging durch eine große Metalltür, grün gestrichen, und betrat das Treppenhaus. Schon von hier konnte ich die Jungs, vor Allem Seth grölen hören. Ich musste lachen und rannte die Treppenstufen runter. Die Tür zu den Tischtennisräumen war nur angelehnt, also trat ich ohne zu klopfen ein. „Jungs, meine Verstärkung is' da!", rief Seth erleichtert. An der Tafel an der Wand sah ich, dass Seth mit zwei Punkten im Rückstand war. Kopfschüttelnd schnappte ich mir einen Schläger und stellte mich neben Seth. „Die machen wir platt!" Er lachte. „Das gefällt mir!" Ich liebte diese Jungs wie Brüder, es machte für sie keinen Unterschied, ob ich ein Mädchen oder ein Junge war, es zählte ob ich teamfähig war, ob auf mich Verlass war.
Wir spielten eine ganze Weile und am Ende stand es 24 zu 20 für Seth und mich. Wir wollten grade eine neue Runde starten, als der Gong ertönte, der für uns den Unterricht am Schießstand ankündigte. Wir räumten auf und gingen dann in den 2. Stock des Gebäudes. Den Nachmittagsunterricht würde ich weiterhin mitmachen, hatte ich beschlossen. Aufm Schießstand war es derzeit noch ziemlich ruhig, wir waren die einzige Gruppe, die hier jetzt Unterricht hatte. Bisher hatten wir auf Ziele geschossen, die rund 15 Meter weg waren, heute wollte unser Lehrer Russel die Entfernung erhöhen auf 20 Meter. Der Schießstand war mit Hightech Waffen ausgerüstet, jeder besaß sein eigenes Scharfschützengewehr und seine eigene Pistole, eine P 226 LDC, das beste Model auf dem Markt, hergestellt von SIG Sauer. Ich liebte die Schießübungen. Nicht weil ich verrückt nach dem Töten war, sondern weil ich einfach gut darin war zu zielen, ich musste zugeben, dass ich noch nie auf ein lebendiges Opfer geschossen hatte. Jeder hatte seine eigene Bahn, an dessen Ende ein Schild mit Markierungen stand. Ich lud meine Pistole und begab mich zu meinem Stand. Der Lehrer erklärte uns, wie man den Lauf halten musste, danach trainierten wir jeder für sich.
Nach knapp 2 Stunden läutete dann die Glocke, die den nächsten Unterricht für uns ankündigte. Jetzt hatten wir Logik und danach Sprinttraining. Meine Armmuskeln schmerzten von den Rückstößen, aber daran war ich mittlerweile gewöhnt. Ich ging also zusammen mit den Anderen in den Raum, wo wir unsere Logikfähigkeit unter Beweis stellen mussten. Wir hatten uns vor einem Monat Projekte ausgesucht, bei denen wir ein Logikrätsel selbst entwerfen mussten und es dann an andere Paare (wir hatten immer zweier-Teams gebildet) weiterreichen mussten. Diese mussten dann versuchen es zu lösen. Hörte sich erst mal einfach an, aber Tatsache war, dass man im Durchschnitt 2 Monate brauchte, um eins dieser Rätsel zu lösen. Nach der Logikstunde fanden wir uns alle auf dem Sportplatz ein. Es dämmerte bereits, aber durch die Flutlichter hatten wir keine Probleme beim Sehen. Ich mochte das Sprinttraining, es machte Spaß. Ich war eine der Schnellsten, mein Rekord für 100m liegt bei 9,02 Sekunden, worauf ich auch ziemlich stolz war.
Beim Abendessen herrschte eine muntere Stimmung. Es gab Salat, Baguette und verschiedene Beläge, zudem eine Auswahl an Getränken. Ich stritt mit Lisa grade darum, wessen Lieblingsmusik besser war, als Vince zu uns an den Tisch trat. „Ich habe hier noch etwas, was du vielleicht lesen solltest, bevor du deinen Auftrag beginnst!", wandte er sich an mich. Ich zog verwirrt eine Augenbraue hoch. „Wenn du als Praktikantin von Thomas am Set von Maze Runner dabei bist, solltest du auch wissen, worum es in dem Film geht!" Ich nickte, wenig begeistert. Normal las ich Bücher, die mir auch gefallen, aber nicht welche, die ich unbedingt lesen musste. Ich nahm den Pappkarton und stellte ihn neben mich auf die Sitzbank, dann diskutierte ich mit Lisa weiter. Nach dem Essen gingen wir auf unser Zimmer und ich putzte mir die Zähne und zog meinen Schlafanzug an. Dann hockte ich mich auf mein Bett und öffnete den Karton. Darin lagen drei Bücher. Maze Runner, die Auserwählten im Labyrinth; Maze Runner, die Auserwählten in der Brandwüste und Maze Runner, die Auserwählten in der Todeszone. Seufzend nahm ich mir den ersten Band und machte mich auf eine lange Nacht gefasst.

Ein Bodyguard mit FolgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt