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Ich wachte davon auf, dass Thomas mich weckte. „Yara, ein Mann hat uns etwas zu Essen und etwas Wasser gebracht. Ich dachte, dass du vielleicht Hunger hast!" Ich nickte. „Danke." Auf dem Tisch stand ein Tablett mit zwei Scheiben Brot und einer Flasche Wasser. „Die klassische Henkersmahlzeit!", murmelte ich und nahm mir eine Scheibe. Thomas musste grinsen und nahm sich die andere. „Hat der Mann etwas zu dir gesagt?", fragte ich ihn mit vollem Mund. „Nur, dass wir nachher einem gewissen Victor vorgestellt werden und dass du dann lieber wach sein solltest!" Ich runzelte die Stirn. „Ah, und dass wir essen sollen, es wird nur eine Mahlzeit pro Tag geben!" „Ich habe nicht vor, länger als zwei Tage hier zu bleiben!", entgegnete ich und trank einen Schluck Wasser. „Also hast du schon einen Plan?" Thomas sah mich hoffnungsvoll an. „Ja. Also so halb. Ich möchte erst wissen, was dieser Victor von uns, oder besser gesagt von dir, möchte und dann sehe ich weiter." „Aber du weißt, wie wir hier rauskommen?" Ich nickte. „Den Weg hab ich mir gemerkt. Wenn wir zurück in unser Gästezimmer gebracht werden, will ich den Wärter überrumpeln und dann nichts wie weg hier!" „Klingt sicher", bemerkte Thomas skeptisch und nahm sich die Flasche. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bring uns hier raus, das hab ich dir gesagt. Und das wird klappen!" Denn wir haben nur diesen einen Versuch, ergänzte ich in meinem Kopf. „Ich hoffe es." Wir aßen schweigend zu Ende, dann setzten wir uns auf eins der Betten. Fieberhaft grübelte ich darüber nach, was mir der Name Victor sagte. Ich wusste, dass ich den Namen mal im Unterricht in der Akademie gehört hatte, natürlich nicht in Bezug auf etwas Gutes. „Worüber denkst du nach?", fragte er. „Darüber, was mir der Name Victor sagt. Ich habe ihn schon mal gehört." „In einem guten Zusammenhang?" Ich schüttelte den Kopf. Schließlich ging ich alle Namen durch, die ich schon mal gehört hatte, vom Serienmörder, bis zum Drogenbaron. Dabei blieb ich bei einem Namen hängen. Die Viper. Er oder sie war der Anführer einer Terroristenorganisation, hier in Jackson. Er war strickt gegen Frauenrechte. „Thomas. Hast du dich in letzter Zeit für die Rechte von Frauen eingesetzt?" Denn wenn ich mich richtig erinnern konnte und davon ging ich aus, dann hieß die Viper mit Vornamen Victor. Zu meinem Entsetzen nickte Thomas. „Immer mal wieder, warum?" Ich fuhr mir durch die Haare. „Nicht so wichtig, ich bin nur am Überlegen." Mit gerunzelter Stirn sah er mich an. Wenn dieser Victor tatsächlich besagter Kopf dieser Bande war, hatten wir ein Problem. Sie waren zwar nicht besonders groß, ich glaubte, dass sie aus 20 Mitgliedern bestanden, aber anscheinend nicht ganz ungefährlich. „Ich habe Angst!", sagte er plötzlich und sah auf seine Hände. „Das ist normal. Hätte ich keine Ausbildung hinter mir, hätte ich genau so viel Angst. Aber ich habe gelernt, sie zu beherrschen." Ich sah ihn an. „Weißt du, ob es dem Rest des Cast's gut geht?" Ich dachte kurz nach. „Keiner wurde getroffen und wenn ich das richtig gesehen habe, dann wurde auch sonst niemand mitgenommen." Erleichtert atmete er auf. Sein Blick streifte meinen. Man konnte sich wirklich in diesen haselnussbraunen Augen verlieren. Tja und ob ich es wollte oder nicht, es sah so aus, als ob ich drauf und dran war, mich in diesen jungen Schauspieler, dem diese Augen gehörten, zu verlieben.
Ich hörte, wie der Riegel vor der Tür zurückgeschoben wurde und sprang auf. Als die Tür sich öffnete, stand ein Schrank von einem Mann im Rahmen. „Victor möchte euch sehen!" Er grinste schadenfroh. In seiner Hand hatte er eine AK-49, ein Sturmgewehr, mit dessen Lauf er mich und Thomas vor sich her durch den Gang trieb. Wir gingen noch eine Treppe hinunter, dann öffnete sich eine breite Tür von alleine. Dahinter lag ein teuer eingerichtetes Wohnzimmer. Ein Mann saß auf einer schwarzen Ledercouch und trank einen Tee, eine Zeitung lag ausgebreitet auf dem Glastisch vor der Couch. „Ah, meine Gäste sind da, setzt euch doch!" Mit einer Handbewegung wies er auf die beiden Sessel ihm gegenüber. Misstrauisch setzte ich mich, Thomas tat es mir nach. Der Mann, der vermutlich Victor war, sah von der Zeitung auf.

Mit kalten Augen fixierte er mich. „Du bist also das Mädchen, das zwei meiner Männer umgebracht hat. Ich bin überrascht. Und neugierig. Glaub mir, das bin ich nicht oft, also, wer bist du?" Seine Stimme war freundlich, doch mir entging der drohende Unterton in seiner Stimme nicht. Thomas neben mir war unruhig, er hatte Angst. Ich erwiderte den Blick des Mannes kalt und schwieg. Victor lächelte und entblößte dabei eine Reihe makelloser Zähne, seine beiden Schneidezähne hatten Goldkappen. „Nicht sehr redselig, was? Naja, ist ja eigentlich auch egal. Kommen wir zu dir, Thomas!" Sein Blick fixierte nun Thomas, der zwar zurückschaute, sich jedoch unwohl durch die Haare fuhr. „Weißt du, zu Erst wollte ich dich töten. Aber jetzt, ich frage mich, was für ein hübsches Sümmchen für dich doch rausspringen würde. 5 Millionen Dollar? Was meinst du?" Ich dachte, dass er so schlau war, nicht zu antworten, wurde aber enttäuscht. „Ich weiß es nicht." Innerlich stöhnte ich auf. Je weniger wir redeten, desto weniger erfuhr er über uns. „Wir werden es sehen. Du setzt dich jetzt dort auf den Stuhl vor der Wand. Und du wirst in die Kamera sagen, dass es dir gut geht und dass ich 6 Millionen Dollar für deine Freilassung haben möchte! Alle weiteren Details klären wir dann nach der Kontaktaufnahme!" Wieder grinste Victor gewinnend. Doch Thomas rührte sich nicht. Victors Lachen erlosch und er seufzte. Plötzlich wurde ich von hinten gepackt und spürte an meinem Rücken einen Körper, dann wurde mir der Lauf einer Pistole an die Schläfe gedrückt. „Entweder du machst was ich dir sage, oder", Victor lächelte „deine kleine Freundin hier beißt ins Gras!" Erschrocken uns blass starrte er erst Victor und dann mich an. Ich musste zugeben, dass ich nicht mehr ganz die Ruhe selbst war, mit einer entsicherten Pistole an meinem Kopf. Schließlich stand Thomas auf und setzte sich auf den Holzstuhl. „Du wirst diesen Text vorlesen!" Victor reichte ihm ein Blatt Papier, setzte sich wieder und trank einen Schluck aus seiner Tasse. Thomas las den Text und runzelte dann besorgt die Stirn. Dann nickte er. „Ich bin bereit!" Ein weiterer Mann schaltete die Kamera an und Thomas holte tief Luft. „Eine Nachricht von der Viper: Mir geht es gut. Und ich werde wieder freigelassen, wenn sich bis morgen jemand mit der Viper in Kontakt setzt. Im Gegenzug für die Freilassung von mir müssen 6 Millionen Dollar auf ein Konto überwiesen werden. Sonst werden meine Freundin und ich hingerichtet. Die Frist beträgt eine Woche!" Ich schluckte. Tatsächlich hatte Thomas nur gesagt, dass es ihm gut ging, mich hatte er nicht erwähnt. Plötzlich traf mich etwas Hartes im Gesicht und ich ging zu Boden, Blut lief mir die Stirn hinunter. Thomas zuckte und presste die Lippen aufeinander. Grob wurde ich vor die Kamera gestoßen. „Ein kleiner Beweis, dass sie nicht scherzen. Gruß, die Viper!" Victor schaltete die Kamera wieder aus. Meine Stirn pochte wie wild und ich schmeckte Blut auf meiner Zunge. „Na bitte, war doch gar nicht so schwer!" Er reichte mir ein Taschentuch, mit dem ich mir das Blut aus dem Gesicht wischte und es dann auf den Riss drückte. Anscheinend hatte mich ein Messer getroffen. „Magst du mir jetzt deinen Namen sagen?" Stur sah ich zu Boden und schwieg. Ich meinte, so etwas wie Wut über das Gesicht des Mannes huschen zu sehen, doch so schnell, wie es gekommen war, war es auch wieder vorbei. „Begleite unsere Gäste doch bitte wieder in ihr Zimmer, wir sind hier fertig!", wies er schließlich den Schrank an. Grob stieß dieser uns aus dem Raum und brachte uns, ohne ein Wort, zurück in unsere Zelle. Da mein Kopf vor Schmerz pochte und ich noch immer Blut in den Augen hatte, wagte ich es nicht, den Mann anzugreifen. Meine Chancen, dass ich gegen diesen riesigen Körper ankommen würde, waren zudem auch nur sehr gering. Geräuschvoll fiel die Tür hinter uns ins Schloss und der Riegel wurde wieder vorgeschoben. „Geht es dir gut?", fragte Thomas sofort besorgt. Ich nickte und er atmete auf. „Du hast den Mann nicht angegriffen!", sagte er schließlich. Meine Schultern sackten hinunter und ich öffnete die Tür, die ins Badezimmer führte. Dort säuberte ich mein Gesicht und hielt wieder das Taschentuch auf den Riss auf meiner Stirn. Als ich Thomas Blick begegnete, fiel mir ein, dass er immer noch auf eine Antwort wartete. „Wie denn? Ich habe vor Blut kaum etwas gesehen! Und falls es dir nicht aufgefallen ist, der Typ war ein Schrank!" Er zuckte zurück. Sofort bereute ich meinen Ton und sah nach unten. „Tut mir leid. Ich hab die Nerven verloren." Er nickte, drehte sich um und setzte sich aufs Bett. Ich ging zum Tisch und trank aus der Flasche, um meine Kopfschmerzen etwas zu beruhigen.

Ein Bodyguard mit FolgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt