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Der Tag war zum Glück ruhig verlaufen, ich hatte nichts Verdächtiges beobachten können. Etwas entspannter als auf der Hinfahrt saß ich nun neben Dylan und Thomas in einem der Busse und fuhr wieder zurück zum Hotel. Thomas und ich unterhielten uns viel, über unsere Kindheit, unsere Vorlieben oder was wir gar nicht mochten und über die Pläne für die Zukunft. Ich mochte ihn, er war unglaublich nett und einfach so normal für einen Schauspieler, genauso wie Dylan und der Rest des Teams, alle waren total nett. Ich war so in das Gespräch vertieft, dass ich erst merkte, wie wir anhielten, als der Motor abgestellt wurde. Ich schaute verwundert aus dem Fenster, aber da es draußen schon dunkel war, konnte ich nicht viel erkennen. „Was ist los?", fragte ich den Fahrer, meine Bodyguard-Sinne meldeten sich wieder. „Ich habe keine Ahnung, auf dem Feldweg ist eine Straßensp..." Er wurde von einem lauten Knall unterbrochen und sackte dann in sich zusammen, Blut breitete sich auf seinem Hemd aus. Die Frontscheibe des Busses war gesplittert und wies ein Einschussloch auf. Außer uns befanden sich noch 5 weitere Leute im Bus, die alle erschrocken und entsetzt aufschrien. Noch nie war ich so dankbar gewesen, meine Pistole mitgenommen zu haben. „Duckt euch alle hinter den Sitzen!", rief ich und lud meine Waffe. Dylan starrte noch immer auf den erschossenen Fahrer. „Dylan, runter mit dir!", zischte ich und drückte ihn schließlich nach unten, als er nicht reagierte. „Yara, warum trägst du eine Waffe bei dir?", fragte Kaya entsetzt, ihr Gesicht war kreidebleich. Ich antwortete nicht, sondern stieg über den Fahrer drüber und spähte durch die kaputte Frontscheibe nach draußen. Ich sah mehrere Gestalten und zwei Autos, die den Weg blockierten. „Scheiße!", murmelte ich und konnte mich grade noch rechtzeitig fallen lassen, bevor der nächste Schuss ertönte. Ich rutschte nach ganz vorn und spähte über den Rand durch die Scheibe. Dann zielte ich und schoss. Ich hörte mehrere Männer aufschreien und zwei sackten zu Boden. Gleich darauf musste ich mich wieder ducken, da ein erneuter Kugelhagel über uns wegging. Die Schauspieler flüsterten ängstlich miteinander. Das Adrenalin rauschte durch meine Adern, als ich das zweite Mal schoss. Die Pistole hatte zwar 20 Schüsse, aber der Großteil davon war schon aufgebraucht. „Oh scheiße, scheiße, scheiße!", fluchte ich und dachte nach. „Yara, was ist los?", fragte Thomas mit zitternder Stimme. „Ich habe fast keine Schüsse mehr und es sind zu Viele!" Es wurde unheimlich still im Bus. Wir alle zuckten zusammen, als von draußen wieder Schüsse ertönten. Die Frontscheibe war nun endgültig im Eimer. „Die Waffe weglegen und mit erhobenen Armen aus dem Bus kommen, Alle!", ertönte eine raue Stimme. „Rührt euch nicht!", flüsterte ich und schaute über den Rand des kleinen Absatzes. Dann zielte ich und schoss wieder, mit Bedacht, doch dieses Mal wurde das Feuer direkt erwidert und ich entging nur durch Zufall einer weiteren Kugel. Plötzlich klickte die Pistole im Leerlauf. Ich hatte keine Schüsse mehr. Erschrocken fuhr ich herum, als die Bustür plötzlich aufbrach und drei Männer mit Maschinengewehren hineinkamen. „Waffe hinlegen, sofort!" Ich legte die Waffe auf den Boden und stand auf. Ich wich zurück, bis ich neben Thomas und Dylan stand, die auf dem Boden knieten. Beiden war das Entsetzen und der Schock ins Gesicht geschrieben. „Wir kommen hier nicht raus, oder?", flüsterte Dylan leise. Ich sah ihn an, wollte ihm zu gerne sagen, dass wir es schaffen würden, aber das wäre gelogen, also schüttelte ich nur leicht den Kopf und konzentrierte mich wieder auf die drei Gegner. „Sucht ihn!", bellte der Größte von denen. Dann ging er zu mir und packte mich am Arm. „Und du kommst auch mit!" Der Mann war kräftig gebaut, viele Muskeln, wahrscheinlich nicht ein Gramm Fett. Mich hier mit ihm anzulegen wäre das Schlimmste gewesen, was ich hätte tun können, also tat ich was er sagte und folgte ihm aus dem Bus, die beiden anderen Männer kamen kurz darauf mit Thomas wieder. „Was ist mit den Anderen?", fragte ein etwas kleinerer Mann. „Lasst sie! Wir haben was wir brauchen!" Ich sah die Busse hinter uns, sie alle wurden bewacht, keiner kam rein oder raus. Unsanft wurde ich zu einem der Laster gestoßen. „Rein da!", befahl der Muskelprotz und öffnete die Hintertür. Ich stieg ein und Thomas wurde hinter mir hineingeschubst. Dann wurden die Türen zugeknallt und kurze Zeit später gingen um uns herum sicher 10 Motoren an, zum Schluss auch der Motor unseres Fahrzeuges. Ich zitterte am ganzen Körper, noch immer rauschte Adrenalin durch meine Adern. „Du holst uns hier raus, oder?", fragte Thomas mit brüchiger Stimme. „Ja!", antwortete ich ihm und klang dabei sehr viel sicherer als ich eigentlich war. Der Laster setzte sich in Bewegung und holperte über den Feldweg. Ich lehnte mich gegen die Außenwand und Thomas setzte sich neben mich. „Ich wusste zwar, dass du hier bist um mich zu schützen, aber dass es so ernst ist, hat mir David verschwiegen." Ich nickte. „Er wollte dich nicht beunruhigen. Vertrau mir, alles wird gut, du kommst hier lebend raus!" Er sah mich an. „Du auch!" In seinen Augen lag eine Angst, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. „Dich hier rauszubringen hat oberste Priorität!", antwortete ich nur und fuhr mir durchs Haar. „Yara. Versprich mir, dass du dabei nicht stirbst, okay? Damit könnte ich nicht leben!" Er legte seine Hand auf meinen Arm. „Das kann ich nicht versprechen, aber ich kann es versuchen!" Er nickte, offenbar beruhigt. Wir bogen auf eine ebene Straße ab. Schweigend saßen wir da, mindestens eine Stunde. „Schlaf etwas, du brauchst all deine Kraft, wenn wir hier rauskommen möchten!", wies ich Thomas schließlich an. „Du solltest auch schlafen." Ich nickte nur und er schloss die Augen. Natürlich würde ich nicht schlafen, ich hatte trainiert bis zu 5 Tage ohne Schlaf auszukommen, zudem musste ich jederzeit bereit sein ihn zu beschützen. Tatsächlich schlief der Schauspieler recht schnell ein und sein Kopf fiel auf meine Schulter, die verletzte. Innerlich stöhnte ich auf. Vorsichtig legte ich seinen Kopf auf meine Oberschenkel und wartete.

Die Fahrt dauerte lange, sehr lange. Meine Uhr zeigte mittlerweile halb drei Uhr morgens an. Ich spürte, wie Thomas sich bewegte, er atmete schwer, vermutlich durchlebte er grade einen Albtraum. Ich verstand ihn, für ihn, der behütet und unbesorgt aufgewachsen war, war so etwas die Hölle. Auch für mich war das hier meine erste Mission, aber solche Szenarien waren wir immer und immer wieder durchgegangen, sodass ich relativ ruhig war. Ein Zittern durchlief Thomas' Körper und ich beschloss ihn aufzuwecken. Sanft schüttelte ich seine Schulter. „Hey, Thomas!" Panisch fuhr er hoch. „Beruhig dich, alles ist gut!" Er sah mich an. „Du hast geträumt." Er nickte. Er lehnte sich wieder gegen die Wand und strich sich seine Haare aus dem Gesicht. „Was hast du geträumt?", fragte ich ihn. „Ich habe immer wieder gesehen, wie unser Fahrer erschossen wurde. Immer wieder, das Blut ist immer mehr geworden. Und beim letzten Mal..", er stockte, eine Träne lief aus seinem Augenwinkel. „Das letzte Mal war ich Derjenige hinter dem Abzug." Ich sah ihn an, dann zog ich ihn zu mir heran und umarmte ihn. „Hör zu. Wir kommen hier raus. Diese Leute werden dafür bezahlen. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass dir nichts passiert. Und du bist nicht Schuld an dem Tod des Fahrers!" Ich merkte, wie er etwas ruhiger wurde. „Danke Yara." Ich nickte. „Bist du sicher, dass wir das hier überleben werden?", fragte er nach einiger Zeit. „Ich bin mir ganz sicher!" Eigentlich war ich mir ganz und gar nicht sicher und in Gedanken war ich auch schon längst tot, aber das konnte ich Thomas schlecht sagen. Plötzlich wurde der Wagen langsamer und hielt schließlich. Thomas richtete sich wieder auf und auch ich spannte mich an. Der Motor ging aus und die Türen wurden geöffnet. Ein leichtes Dämmerlicht schien in den Innenraum. „Auf, raus mit euch!", bellte die Stimme von vorhin wieder. Wir stiegen aus und der Mann schlug die Türen zu. Ich fühlte den kalten Lauf eines Gewehres in meinem Rücken. „Voran!" Wir waren von knapp 20 Männern umgeben, jetzt versuchen zu fliehen wäre ein reiner Selbstmordversuch gewesen, also liefen Thomas und ich vor dem Mann her und betraten schließlich ein flaches Gebäude. Ein Gang führte zu einer Treppe, die wir hinunter gingen. Wir kamen in einen weiteren Gang, an dessen Seiten Rohre entlangführten. Auf der rechten Seite waren in regelmäßigen Abständen Türen angebracht. Ich prägte mir alles ein, versuchte mir im Kopf eine Karte zu machen. „Stehen bleiben!" Der Mann schloss eine Tür auf und stieß uns beide hinein. Dann wurde die Tür zugeschlagen und abgeschlossen. Licht flammte auf, als ich den Schalter betätigte. Im Raum standen zwei schmale Betten, ein Tisch und eine weitere Tür, die vermutlich zum Bad führte. Sowohl die Wände als auch der Boden waren aus Beton. Erschöpft ließ ich mich auf eines der Betten sinken und rieb mir die Schläfen. „Was machen wir jetzt?", fragte Thomas leise. „Warten. Ich muss mir einen Plan über das Ganze hier machen, zudem möchte ich wissen, mit wem wir es hier zu tun haben." Thomas nickte und setzte sich ebenfalls. „Ich bin so froh, dass du hier bist. Ich wüsste nicht, wie ich es ohne dich hier raus schaffen sollte!" Ich lächelte traurig. „In zwei Tagen spätestens bist du hier raus und in Sicherheit, das verspreche ich!" Tatsächlich hatte ich bereits einen groben Plan und eine Vermutung, worum es hier ging. Ich lehnte mich zurück und nickte kurz weg.

Ein Bodyguard mit FolgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt