Kapitel 4

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Belle

Belle

„Du musst das echt nicht machen", Belle ist sich nicht mal sicher ob der Typ, der sie eben mit sich in die U Bahn befördert hat, sie verstanden hat. Sie säuselt nur noch. Der Typ ist wirklich süß. Oder zumindest denkt sie das, aber sie denkt auch, dass die U Bahn sich wie ein Raumschiff anfühlt. Es wackelt und rumpelt, wie wenn die Rakete abhebt. Sie hatte eigentlich einen entspannten Abend haben wollen, aber Esme hatte begonnen mit diesem einen Typen zu reden, und dann mit dem nächsten und immer hatten sie Shots ausgegeben bekommen...irgendwann war Faye gegangen. Und dann? Dann hatte Belle getanzt. Glaubt sie zumindest, ihre Erinnerung ist jetzt schon schwammig. Die Musik war guuut gewesen. Immerhin hatte sie Esme noch Bescheid geben können, dass sie heimgeht. Aber ob Esme das gehört hat, oder ob sie nur dem Typen zugehört hat? Belle schwankt als der Zug – die Rakete- anhält, und der Typ, greift ihren Oberarm damit sie nicht umkippt. Vermutlich sehr weise. Sie blickt zu ihm auf. Er hat blaue Augen, die von blonden Wimpern umrahmt werden, und blonde Locken, die ihm beachboy mäßig bis an die Schultern fallen. Er sieht eecht gut aus. „Surfst du?", platzt sie heraus, als die U-Bahn wieder anfährt. Die meerblauen Augen fokussieren sich auf sie. Und er lächelt. „Ich bringe dich mit heim, und könnte sonst wer sein....und du fragst ob ich surfe?" Belle zuckt mit den Schultern. „U Bahn ist sicher. Außerdem", die U Bahn wird wieder langsamer und Belles Magen schlägt Pirouetten. Sie verstummt mitten im Satz, und versucht das Gefühl einzuschätzen, als Surferdude, sie wieder am Oberarm nimmt und aus der U-Bahn zerrt. Sie stolpert. Was soll denn das ? Der weiß doch gar nicht wo sie wohnt! Belle will den Mund aufmachen, um etwas zu sagen, aber dann wird ihr plötzlich wirklich schlecht. Sie schafft es gerade noch so zum nächsten Mülleimer, bevor sie sich übergibt.

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Belle dreht sich um, und genießt das Gefühl vom Schlaf, das noch in ihren Knochen steckt. Sie dreht sich nochmal um und will gerade wieder in den Schlaf driften, als ihr Handy vibriert. Oder ist es ihr Handy? Völlig orientierungslos setzt sie sich auf, und wird von einer Welle Schwindel erfasst. Ihr Magen dreht sich um, aber zum Glück wird ihr nicht wieder kotzschlecht. Weil sie schonmal gekotzt hat. Der ecklige Mundgeschmack und der Geruch nach Zigaretten und Alkohl, der in ihrem Haar steckt sind die letzten Beweise. Der Geruch bringt auch die Erinnerung mit sich. Belle war gestern mit Esme und Faye weg. Beide sind bei Typen gewesen, und Belle hatte versucht heimzugehen. Sie blinzelt, und tastet orientierungslos nach dem nervigen Vibrieren, da regt sich etwas neben ihr im Bett. Neben. Ihr. Im. Bett. Was auch nicht ihr Bett ist. Belle wird langsam immer mehr klar. Sie blinzelt wie verrückt, um endlich klar sehen zu können. Sie sitzt im halbdunkeln in einem Bett. Die dunklen Vorhänge halten das Licht des Tages nicht ganz fern, und zwei helle Streifen Sonnenlicht liegen träge auf dem Boden. Es ist ein schönes Zimmer, genau richtig unordentlich, es stehen zwei Gitarren an der Wand gegenüber. Die Decke ist hoch, die Wände sind nicht überladen aber gerade richtig mit Postern und Schallplatten bedeckt. Belle reibt sich die Augen und will endlich nach dem nervigen vibrieren greifen, als ihre Hand an eine andere Hand stößt. Sie reißt den Kopf herum und blickt auf den Jemand, dem das Bett und das Zimmer gehört. Suferdude.

Seine zerzausten Haare sehen frisch aus dem Bett sogar noch besser aus, als Belle in Erinnerung hatte, aber sie versucht nicht daran zu denken. Generell verdrängt sie einfach die Ereignisse von letzter Nacht lieber. Sunny, so hat er sich ihr vorgestellt, schlüpft vor ihren Augen gerade in seine Jeans. Er hat sich einfach vor ihr ausgezogen, Belle hatte kurz einen Blick auf seinen Oberkörper erhaschen können, aber schnell den Blick abgewandt. Er war süß, ja, aber sie hatte kein Bedürfnis Jemanden fremden in Unterhose zu sehen. „Ich muss in die Arbeit, aber du kannst gern noch duschen und noch ne Runde pennen.", Sunny sieht sie an. Belle hat sich die Decke fest um den Körper gewickelt und sitzt auf der Bettkante. Sie hat ihm noch nicht mal ihren Namen gesagt. Stattdessen hatte sie ihn nur angestarrt. Wirklich höflich. Sunny zögert als sie schweigt. „Hör mal", er reibt sich den Nacken und sieht sie mit seinen blauen Augen leicht verlegen an. Gott, er ist nicht nur süß. Er ist wunderschön. Er ist groß und auf die süße Art schlaksig, bei der man sehen kann, dass er gerne Joggen geht. Seine Arme sind außerdem auf diese sexy Art muskulös. Seine Haut hat diese lässige Bräune und sein Lächeln ist sicher umwerfend. Belle, du bist bestimmt noch betrunken, am liebsten hätte sie den Kopf geschüttelt. „ich weiß, dass das nicht die ideale Situation ist, aber ich wollte gestern nur sicher gehen, dass du sicher bist. Und du warst so betrunken, du hast mir nicht gesagt, wo du wohnst. Also, von meiner Seite aus ist alles cool, du solltest nächstes Mal einfach vorsichtiger sein, ok? Es ist nicht so ungefährlich in einer Stadt wie Berlin." Belle sieht ihn an. Ihr Kopf pocht und ihr Körper schreit förmlich nach Schlaf. Sie nickt und räuspert sich dann. „Ok. Danke dir, ich hoffe ich hab dir nicht zu viele Umstände gemacht.", sie sieht auf die Decke herunter die sie umhüllt. „Danke nochmal" Sunny macht einen Schritt auf sie zu und lächelt. Jep, Grübchen. Ihr Herz macht einen Satz, und ihr Magen kribbelt als er ihr plötzlich so nah ist.„Hey alles gut. Hauptsache dir ist nichts passiert...", Belle sieht auf, als er abbricht. Er sieht sie fragend an. „Belle", springt sie ein. Ihre Stimme ist noch richtig rau von gestern. Und schiebt dann ein „sorry" hinterher. Wie unhöflich von ihr. „Belle", Sunny lächelt nochmal und streckt sich dann. „Na gut, ich muss leider los. Aber fühl dich wie zu Hause, ja?", er öffnet die Tür auf den Flur hinaus, und sie hört wie er sich eine Jacke überzieht und Schuhe anzieht. Als die Tür ins Schloss fällt, sitzt Belle immer noch auf dem Bett. Mit einem lauten Seufzer lässt sie sich nach hinten fallen. Ihr Kopf pocht mit jeder Minute mehr, die sie wach ist. Es ist echt nicht fair. Belle beschließt, dass eine Dusche und ein Liter Wasser den Kater auf jeden Fall erträglicher machen werden. Sie steht auf, kämpft nochmal gegen den Schwindel an, und legt die Decke ab. Sie trägt nicht mehr ihre Fischnetz Strumpfhose und auch nicht ihren Rock, sondern ein ausgewaschenes T-Shirt. Es riecht frisch gewaschen. Suchend sieht sie sich um und entdeckt ihre Klamotten auf einem kleinen Haufen neben der Tür. Langsam setzt sie sich in Bewegung, bedacht bei dem kleinsten Schwindel oder Übelkeitsanfall stehen zu bleiben. Aber sie schafft es, heb ihre Sachen an und – sie sind vollgekotzt. Wow. Wahnsinn, da triffst du einmal einen netten Typ und du bist so besoffen, dass du dich vollkotzt. Nie wieder Alkohol.

Die Wohnung ist für Berlin und für eine Person echt schön. Er hat ein schönes großes Zimmer, einen Flur von dem aus es in die abgetrennte Küche geht und ein Bad. Er muss Gitarrist sein, denn in der Küche steht noch eine Gitarre, die allerdings etwas mitgenommen aussieht. In seinem Zimmer findet sich außerdem noch ein Verstärker und jede Menge Notenpapiere auf dem Schreibtisch. Schallplatten anstatt Bücher zieren die Regale. Generell ist die Wohnung wirklich sympathisch: einige Wände sind dunkelgrün gestrichen und verleihen der Wohnung gleich einen heimeligen warmen touch. Nach der Dusche tapst Belle wieder zurück in sein Zimmer und steht etwas ratlos vor ihrem ekligen Rock. Den zieht sie nicht mehr an. Sie kramt in ihrer Handtasche nach ihrem Handy, welches bereits drei Verpasste Anrufe von Faye anzeigt. Gerade als sie es entsperrt hat und sich auf die Bettkante gesetzt hat, ruft Faye nochmal an. „Hi", krächzt sie. „Um Himmels Willen! Du lebst!", Faye klingt erleichtert. „Du auch. Außerdem hab ich dir doch Bescheid gegeben." Faye schweigt, wahrscheinlich weil sie ein schlechtes Gewissen hat. „ja, das.. ich muss ehrlich sagen, als ich nach Hause bin hab ich nicht gewusst wo du warst." „Du bist bei dir zu Hause? Ich dachte...naja", Belle knibbelt an ihrem Nagel rum, eine Angewohnheit, wenn sie nicht weiter weiß. Faye seufzt. „Ich bin jetzt zu Hause...eben grade angekommen" „Ohhh", sie richtet sich auf. „Alsooo lief was mit dem Typen?", Faye seufzt nochmal. „ja, aber wenn ich dafür meine Beste Freundinnen einfach allein auf die Straßen Berlins lasse wars das nicht wert" Belle lächelt. „Wo ist Esme? Wie gehs ihr?" „Esme geht's gut, ihr Erik hat mich angerufen um mir zu sagen, dass sies sicher heimgeschafft hat." Belle seuzt. „Gut immerhin" Sie steht auf. „Du Faye, ich muss Schluss machen. Ich muss heut noch in die Bib und jetzt muss ich erstmal in nem vollgekotzen Rock heimfahren" „Du bist nicht zu Hause?!" Belle seufzt. Naja früher oder später hätte sie es eh erzählen müssen. Als sie am Ende der Geschichte angekommen ist lacht Faye seit ca. fünf Minuten. „Oh mein Gott Belle! Was ist das den für ein cuter Dude!" Es raschelt im Hintergrund, wahrscheinlich macht sie sich gerade etwas zu Essen. Belles Magen knurrt, sie sollte auch mal heim. „Ja ja, ich in echt ein Glückspilz, mich vor einem gutaussehenden Singer Songwriter extrem besoffen zu blamieren." Faye prustet los. „Ach du bist doch eigentlich immer echt cute wenn du betrunken bist" Belle verdreht die Augen. „Hilf mir lieber mal, ich hab keinen Bock mit dem ekel Rock in die U Bahn zu steigen" „Dann zieh doch was von ihm an...ein Grund mehr ihn wieder zu sehen", Faye kichert verschwörerisch. „Das will ich gar nicht! Ich muss den Typen echt nicht noch mehr Umstände machen" Sie debattieren noch eine Weile, aber Faye hat einfach Recht, sie kann ihm die Sachen ja auch einfach vor die Haustüre legen oder so. Wenn sie ihn vermeiden will, was Belle definitiv will. Sie verabschieden sich, nicht ohne sich für den Abend zum gemeinsamen Katern zu verabreden.

Eine Viertelstunde später steht Belle mit ihrer kleinen Tasche, in einer viel zu langen Jogging Hose und einem riesig wirkenden grauen T-Shirt am U Bahnhof. Es ist schonwieder richtig heiß, der August gibt noch einmal richtig Gas, was das gute Wetter angeht. Glücklicherweise kommt die U Bahn schon in zwei Minuten. Sie kaut sich nervös auf der Unterlippe herum. Hoffentlich hat sie nicht ausgerechnet seine Lieblings Hose und Shirt mitgenommen. Sie hat ihm noch einen kleinen Zettel hinterlassen, auf dem sie sich bedankt hat und ihm geschworen hat, ihm bald das Shirt und die Hose gewaschen wieder zu bringen. Die U Bahn fährt ein, und sie setzt sich an einen Fensterplatz, lehnt ihren Kopf an die Scheibe. Der Kater steckt ihr noch in den Knochen, aber Belle muss heute wirklich in die Bib. Das Essay wird noch langsamer und quälender voran gehen, aber wenn sie es geschafft hat, dann kann sie endlich wieder an ihrem persönlichen Zeug schreiben. Außerdem gibt es ja auch sowas wie eine Deadline.

Zuhause angekommen, legt sie die Hose und das Shirt ordentlich zusammen, zieht sich eine entspannte kurze Short an und ein hellblaues Top. Sie packt ihren Rucksack für die Bib und löst sich eine Aspirin im Wasser. Ihr Kopf pocht und ihr Magen rebelliert, als sie probehalber einen Kräcker isst. Okay, dann noch ein bisschen warten. Sie packt sich noch einen Müsli-Riegel ein, falls sie später wieder in der Lage sein wird zu essen. Und schon ist sie wieder auf dem Weg zur Uni.

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