44. Kapitel

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„Lara hat angerufen...wir...wir sollen sofort zum Krankenhaus kommen. Irgendetwas ist los. Sie will nicht am Handy sagen, was es ist."

Wir rannten.

Wir rannten, als würde uns jemand jagen.

Die Zeit jagte uns.

Die Ungewissheit jagte uns.

Wir liefen so schnell, wie unsere Beine uns tragen konnten. Keiner von uns beiden hatte unseren Freunden Bescheid gegeben, dass wir schwänzen würden. Das war das erste Mal, dass ich eine Stunde richtig bewusst schwänzte. Mir war das aber im Moment auch total egal.

Wir mussten zum Krankenhaus. Und das so schnell wie möglich.

Damon und ich ließen uns auf eine Rückbank eines Taxis fallen. Wir brüllten den Taxifahrer an, dass er schnell zum Krankenhaus fahren soll. Dieser fuhr mit erschrockenem Gesichtsausdruck wegen uns los.

„Entschuldigen sie, aber wir haben es wirklich eilig", sagte ich nochmal zum Taxifahrer mit ruhigerer Stimme als zuvor, als dieser gemütlich die Straße entlang fuhr.

„Es gibt Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die muss man einhalten!", antwortete dieser und ich ließ mich seufzend in den Sitz zurückfallen. Wenn wir sagen, dass wir zum Krankenhaus müssen und es eilig haben, dann konnte er doch wohl mal eine Ausnahme machen und schneller fahren. Aber nein! Er fährt wie die letzte Schnecke. Warum haben wir keinen der Taxifahrer erwischt, die immer wie die letzte Sau fahren?

Ich guckte aus dem Fenster. Was war mit Chris? Ging es ihm gut? War er wieder wach? Oder war es was schlimmes? Sein Zustand war seit dem Unfall fast gleich geblieben und ich wusste nicht, was das bedeutete, wenn sich jetzt etwas getan hatte.

Mein Blick fiel zu Damon, der neben mir saß. Er guckte auf seinen Schoß und spielte an seinen Fingernägeln rum. Wie er sich jetzt wohl fühlte?

Ich nahm seine rechte Hand in meine. Als ich seinen Blick einfing, lächelte ich und drückte seine Hand. Unsere Art zu sagen, dass wir für den anderen da waren. Er drückte zurück und versuchte auch ein Lächeln auf seine Lippen zu bringen, doch er scheiterte kläglich. Seine Augen waren noch immer etwas wässrig, aber nicht mehr so stark wie vorhin.

Mir fiel etwas auf...

„Damon?"

„Mmh?" Er guckte wieder auf seinen Schoß.

„Weißt du, wo du gerade drin sitzt?", sagte ich und ein größeres Lächeln erschien in meinem Gesicht. Damon saß in einem Taxi. In einem verdammten Taxi. Er wollte doch eigentlich nie wieder in ein Taxi steigen und jetzt?! Jetzt war er in ein Taxi gestiegen.

Ich sah, wie sein Gehirn arbeitete. Es fiel ihm wohl auf, worauf ich anspielen wollte. Er guckte zu mir und jetzt war ein echtes Lächeln auf seinen Lippen.

„Irgendwann muss man halt seinen eigenen Schweinehund besiegen", sagte er und ich lachte über seine Wortwahl.

„Ich bin stolz auf dich", sagte ich und drückte kurz meine Lippen auf seine. Wollte ich eigentlich...aber Damon hielt mich mit einer Hand in meinen Nacken bei sich und küsste mich heftiger. Seine Lippen bewegten sich fest gegen meine. Seine Zunge strich über meine Lippen. In meinem Bauch ging schon wieder eine Party nur voller Schmetterlingen ab und mein Herz wollte wohl unbedingt aus meiner Brust raus, so stark wie es hüpfte.

Ich ließ seinen Kuss zu. Er brauchte mich jetzt. Genau jetzt. In einem Moment, in dem ihn die Ungewissheit über seinen besten Freund plagte. Er hatte schon so viel schlechtes erlebt und mitbekommen, da...

Ein Räuspern unterbrach uns und ich löste mich schlagartig von Damon.

„Wir sind da", sagte der Taxifahrer. Ich guckte aus dem Fenster und sah das riesige Gebäude vor uns.

My Adoptive BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt