PoV Legolas
Ich hastete durch die Gänge, prallte an engen Windungen immer wieder gegen den Felsen und das Eisen, das meine Arme verschrammte. Ich rannte weiter, während mir das Geschrei und das Leuchten der Fackeln weiter folgten. Sie hatten mein Fehlen deutlich früher bemerkt, als ich erwartet hatte. Und genau deshalb hätte ich vor Freude beinahe laut aufgeschrien.Wenn sie früher kamen, dann hatte Aragorn nicht aufgegeben. Ich wusste, dass ich nicht durch die Flut an Orks gelangen konnte, doch ich wollte ihn sehen. Ich wollte ihm irgendwie helfen. Ich wollte ihn in meine Arme schließen. Ich nahm den ersten Ausgang, der nach draußen zu führen schien und stand plötzlich auf einem Balkon mit einem spitzen Eisengeländer, der hoch über der Erde unter mir hing.
Und was ich sah, verschlug mir den Atem. Tausende Orks waren aus ihren Löchern gekrochen und standen um und ausserhalb es schwarzen Toes. Ich konnte nichts erkennen, da es selbst für meine scharfen Augen zu weit entfernt war. Jedoch hörte ich das Gebrüll der Orks und das Klirren von Metall aus der Ferne. Ein lang vermisstes Gefühl explodierte in meiner Brust und ließ mein Herz schneller schlagen. Hoffnung.
Ich wollte wieder zurück, um einen anderen Ausgang zu finden und prallte fast mit Glamordûr zusammen, als ich mich umdrehte. „Wo willst du hin, kleines Blatt?", schnurrte er, was einen Kloß in meinen Hals setzte. Ich antwortete ihm nicht, sondern blickte nur mit gesenktem Kopf auf die Orks unter uns. „Wenn du es sehen wolltest, hättest du mich nur fragen müssen", erklärte er mir und küsste mich sanft auf meine Wange.
Erst jetzt fiel mir auf, was er trug. Eine schwarze Rüstung mit mir unbekannten Mustern lag auf seinen Schultern. Massives Metall mit Rankenähnlichen Mustern in Kantigen Fassungen verliehen ihm zusammen mit der pechschwarzen Färbung ein aussehen, als wäre er zum leibhaftigen Tod geworden. „Wo gehst du hin?", wagte ich es zu fragen, obwohl ich wusste, dass ich keine Fragen stellen sollte.
„Nirgendwohin. Ich lasse dich nicht allein, kleines Blatt. Ich passe auf dich auf, das habe ich dir doch versprochen. Und bald können wir wieder nach Hause, versprochen", erklärte er mir und schob mich etwas näher an den rand des Balkons. Er legte eine seiner dünnen Hände auf meinen Rücken und ich zwang mich, ruhig zu atmen, obwoh mein Herz mir fast aus der Brust sprang.
Aragorn war hier. Er würde mich retten, mich holen kommen, von diesem abscheulichen Ort, damit ich nie wieder ein solches Monster wie ihn ertragen müsste. Ich vertraute ihm. Ich verbat mir daran zu denken, was passieren würde, wenn sie besiegt werden würden. Und trotzdem schrie eine Stimme in meinem Kopf, dass sie nicht gewinnen konnten.
Sie waren deutlich unterlegen, Kampfesmüde und Hoffnungslos. Er würde sie töten. Er würde sie alle töten. Ich durfte das nicht zulassen. Egal wie viele Nächte ich noch bei dem schwarzhaarigen liegen müsste, ich würde ihn retten. Mit allen Mitteln. „Gefällt dir, was du siehst?", fragte mich der Elb neben mir erwartungsvoll und ich nickte bloß lächelnd. Ich hasste ihn so sehr, dass sich mir der Magen umdrehte.
Er schien sich mir wieder näher zu fühlen, weil sich mein Äußeren genauso verändert wie mein Inneres. Meine Augen verloren das Gelb und das ursprüngliche Blau trat wieder mehr zur Geltung, während meine Haare wieder aufhellten. Er dachte, es würde an ihm liegen. Oder diesem Ort. Es war mir egal. Denn es lag an Aragorn. An meinem Waldläufer. Die Hoffnung, dass er kommen würde, könnte mich Jahrhunderte an diesem Ort überdauern lassen.
„Komm mit", hauchte er mir in mein Ohr und zog mich sanft mit ihm. Er nahm meine Hand und führte mich wieder in die Festung, fort von dem Geschrei der Schlacht in der Ferne. Ich folgte ihm durch enge Flure und gewundene Treppen, bis er durch eine weitere Tür trat und wir uns auf einem anderen, deutlich größeren Balkon befanden. Wir standen nun auf der gegenüberliegenden Seite des Turmes, sodass das schwarze Tor von hier aus nicht zu erkennen war und sich der Schicksalsberg westlich von uns befand.
Doch meine Gedanken kreisten nur um den schwarzhaarigen Menschen mit den sturmgrauen Augen. „Ich habe dich vermisst. Bitte verzeih mir, dass ich in den letzten Tagen nur selten bei dir war", hauchte er mir zu und stellte sich vor mich, wobei er eine Hand unter mein Kinn schob und meinen Kopf langsam anhob, sodass ich keine andere Wahl hatte, als ihm in die Augen zu sehen. Ein Lächeln war meine einzige Antwort, was ihm jedoch auch zu genügen schien.
Nach einer kurzen, drückenden Pause verstand ich, was er von mir erwartete. Ich beugte mich vor und legte meine Lippen sanft auf die Seinen, wobei ich meine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen musste, um ihn nicht von mir zu stoßen. Ich spürte erst nach einer geraumen Zeit, dass ich mich wieder zurückziehen sollte, dem ich auch sofort gehorchte.
„Ich werde noch ein letztes Mal fortgehen und danach können wir die Ewigkeit gemeinsam verbringen. Versprochen", flüsterte er mir zu und in seinem Blick entflammte ein wildes, unberechenbares Verlangen. „Wohin wirst du gehen?", fragte ich vorsichtig, doch es schien ihn entgegen meiner Erwartungen nicht zu verärgern.
„Ich sichere unsere Zukunft", versprach er mir nach einer kurzen Pause. Ich wusste, was er zu tun versuchen würde. Doch ich wusste auch, dass Aragorn sich wehren würde. Er schien gerade noch etwas hinzuzufügen wollen, als ein gewaltiges Dröhnen über die Ebene fegte und uns im nächsten Augenblick eine so heftige Druckwelle überrollte, dass ich gegen ihn stolperte.
Der Berg war erwacht. Er spuckte Feuer und Lava hunderte Meter in die Luft, während eine dicke, schwarze Rauchwolke den Himmel verdunkelte. Ich wusste nicht, was dort passiert sein mochte, doch schien im nächsten Augenblick die Welt ins Chaos zu stürzen. Der Turm um uns begann teilweise einzustürzen, wie der Vorsprung, auf dem wir uns befanden.
Mit einem einzigen, stolpernden Satz schaffte ich es irgendwie noch ins Innere der Festung zu gelangen, Glamordûr dicht hinter mir. Ein unmenschliches Kreischen erfüllte die Luft und ließ sie erzittern, während die unnatürliche, dunkle Macht, die in jeder Ritze zu hocken schien sich mit einem Schlag ausbreitete, meine Sinne betäubte und an ihnen zerrte, um im nächsten Moment in sich zusammenzubrechen.
Ich nahm kaum war, wie der dunkle Elb neben mir keuchend auf die Knie fiel. Unter uns ertönte nur noch das Grunzen und Quieken der Orks, angstvolle und schmerzerfüllte Schreie mischten sich mit dem Ohrenbetäubenden Dröhnen, das sich in rasender Geschwindigkeit vom Zentrum der Festung ausbreitete. Und als die Luft erfüllt wurde von dem Bersten tausender Genicke als wären es Grashalme, verstand ich.
Sauron war besiegt. Ich wusste nicht wie oder warum, doch er war das, was bei ihm einem Tod noch am nächsten kam. Und deshalb rannte ich. Ich hastete die unzähligen Stufen hinunter, rannte durch breite, steinerne Gänge und schmale Korridore, stieg mit fast jedem Schritt über eine der Orkleichen und genoss das pulsierende Gefühl in meiner Brust.
Eine geisterhafte Stille hatte sich mit einem Mal über die Festung gelegt, welche sich in meine Seele grub und mich antrieb, mein Tempo mit jedem Schritt zu beschleunigen. Viel zu lange brauchte ich aus dem Turm heraus, wobei ich immer wieder auf zerstörte und abgebrochene Teile achten musste, manche nur kleine Bröckchen, andere doppelt so groß wie ich selbst.
Als meine Füße den grauen Sand außerhalb der Mauern betraten, blieb ich stehen. Zu der Hoffnung und der Freude in meiner Brust mischte sich eine altbekannte, kalte Angst. Ich verbannte jeden Zweifel aus meiner Brust. Ich wollte zu ihm. Selbst wenn er mich hassen würde, für das was ich getan hatte. Wenn ich nur eine Chance bekommen würde ihn zu sehen, hätte es sich gelohnt dafür zu kämpfen.
Deshalb zwang ich mich weiterzugehen und genoss das pulsierende Leben in meinem Herzen neben meiner fackelnden Sehnsucht nach ihm.
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Das war das vorletzte Kapitel ...
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Le melin, aran nin
Фанфик~dritte Band der Trilogie~ Der Düsterwald ist gefallen, mit ihm eine Vielzahl an Elben. Mittelerde beginnt im Chaos zu versinken, doch mit Aussicht auf hellere Tage - bis ein Ring gefunden wird. Alle Rechte der Figuren und Orte liegen bei J.R.R. To...