Es fällt nur spärlich Licht in mein Zimmer. Ich liebe es zu schlafen, wenn alles dunkel ist. Früher war ich das komplette Gegenteil. Es musste immer irgendwo ein kleines Nachtlicht brennen. Manche würden sagen das dies ziemlich normal ist, aber bis zu einem Alter von 12 Jahren nicht ohne Licht schlafen zu können ist nicht bei jedem so. Im Rückblick schon ein bisschen komisch, nicht?
Mein Blick wandert durch das Zimmer in welchem ich auf meinem Boxspringbett liege und versuche gleichzeitig mich von meinen Gedanken abzubringen. Direkt gegenüber befinden sich viele Bilder von Albumcover oder Rockstars. Darunter steht eine Kleiderstange und daneben mein Schminktisch. Sonst ist mein Zimmer spärlich bestückt, ein Bücherregal steht neben dem einen Fenster zu meiner Rechten und der kleine Nachttisch.
Die glatte Oberfläche bietet gerade mal Platz für mein Handy, ein Bilderrahmen und für ein Glas Wasser. In der Dunkelheit kann ich nichts erkennen aber ich weiß ganz genau wer auf dem Bild ist. In einem weißen Rahmen ist - unter den anderen Bildern der Rockstars in meinem Zimmer- ein ganz bestimmtes, dort ist mein ganz persönlicher Rockstar. Papa.
Die Pflanzen sollten auch mal wieder gegossen werden. So spät kann ich aber jetzt auch nicht aufstehen um mit einer Gießkanne in meiner Wohnung herumzuwerkeln. Alexa, komm bitte auf sinnvolle Gedanken, warne ich mich innerlich. Was sich schwieriger herausstellt als normalerweise.
Ich gehe spontan in meinem Kopf den Tag durch als sich etwas ganz Bildlich in mein Unterbewusstsein kämpft um schlussendlich das einzige in meinem Kopf ist. Und zusätzlich dazu zwingt, mich ruckartig aufsetzten zu müssen.
Isaac stand oberkörperfrei vor mir. Ich muss zugeben, attraktiver als mein letzter Freund. Ich nicke mir selbst zu und grinse wie ein Schulkind vor mich hin, wenn es seinen ersten Liebesbrief erhalten hat.
Ich mochte noch nie den Muskulösen Typ Mann, eher den dünneren zurückhaltenden. Der letzte war da wohl auch die Ausnahme, wie ich bei ihm – er hat sich nach mir als Homosexuell geoutet – ich hab ihm natürlich alles Beste gewünscht, trotzdem zweifelte ich für gerade mal drei Tage an mir selbst.
Das war keine gute Zeit, um mit mir zu reden.
Mein Handy hab ich kurzerhand in der rechten Hand und schreibe Azra. Wir drei sind nun alle Therapeuten und jeder braucht normalerweise seinen Schlaf aber bei beiden weiß man nie.
Im Chat angekommen tippe ich *Ich glaube ich sollte nicht seine Therapeutin sein. Ich benehme mich unprofessionell wie ich ihn in meiner Wohnung leben lasse und zusätzlich weiß ich quasi nix über den Typ?* Ich traue meinen Augen nicht als nach knappen 30 Sekunden das 'online' unter ihrem Namen angezeigt worden ist. Es ist 02:56 Uhr?
*Nix da Mädchen. Hast du dich schon mit seiner Therapeutin unterhalten? Vielleicht geht es ihm besser mit dir egal auf welcher Ebene – ob Boyfriend oder nicht ;)*
*Azra, lass mal die Rationale Person in deinem Gehirn sprechen, ich denke die wäre vorteilhafter*
*Hat Urlaub*
Meine Nachricht welche aus einem Mittelfinger-Emoji bestand wurde die letzte in unserem Chat. Hat sie recht? Oder ist das jetzt der Schlafentzug am sprechen? Och Mensch.
Wieder in liegender Position bedenke ich meine zwei Wege. Entweder Patienten aufgeben oder weitermachen und Unprofessionalität das Ruder übernehmen lassen. Das kann bis morgen aufgeschoben werden. Jetzt wird hoffentlich erst einmal geschlafen, wenn ich einschlafen kann.
Am Morgen werde ich wie gewohnt von meinem Wecker wach und begebe mich direkt zu meinem Schrank um mich umzuziehen. Diesmal bleibe ich bei einer Blue-washed Jeans und dazu ein Shirt welches auf der Rückseite Tour Daten von einer Band gedruckt hatte und vorne war rechts auf meiner Brust das Logo. Passt so. Üblicher Schmuck und zusätzlich noch zwei Ringe an meinem Mittelfinger, fertig. Meine Haare bürste ich nur schnell durch was reichen sollte.
In der Küche angekommen stand Isaac in einer Jogginghose an der Armatur und drehte sich kurz darauf in meine Richtung mit zwei Kaffees. Wenn ich ihn tatsächlich rausschmeißen würde, vermisse ich die Morgen mit fertig gebrühten Kaffee jetzt schon.
"Ich weiß noch nicht wann ich heute nachhause komme, vielleicht kannst du dir selbst was kochen?" Wenn er jetzt noch kochen kann ist er ein Lifegoal. "Bekomm ich hin. Ich koche für dich mit, können wir heute zusammen vor dem TV und mit Harry Potter essen."
Das lächeln in meinem Gesicht hätte nicht größer werden können, nur als er auch anfing leicht zu lächeln. Das ist eine Nahtoderfahrung. "Du solltest mehr lächeln, steht dir unnormal gut" Bereue ich das gesagt zu haben? Nein. Es ist einfach nur die Wahrheit. Er blickte langsam von meinen Augen wieder in seine Tasse. Etwas unverständliches wurde gemurmelt, ich frage nicht nach. Ich habe bereits beschlossen zu gehen bevor es noch unangenehmer zwischen uns wird.
Ich nehme die Schlüssel und wollte gerade gehen bis Isaac noch ein 'Bis bald' mir hinterherrief. Ich erwiderte es. Kommt mir vor wie ein altes Ehepaar, welches nur darauf wartet sich wieder am Abend in den Arm zu schließen.
Ich frage mich nur wie lang das andauern wird. Das Seminar kommt wieder in meinen Sinn. Welches in nun nicht mal mehr als zwei Wochen ist. 'Erfrischung der Kinderfrühpsychologie #1' wie es in der E-Mail stand, die mir mein Chef vor über 10 Tagen geschickt hat. Bis dahin wollte ich eigentlich Isaac rausschmeißen, aber ich glaube, dass muss nicht unbedingt nötig sein.
Die Autofahrt verging schnell da ich nur beschäftigt war mich auf den morgentlichen Berufsverkehr zu konzentrieren und sonst alle Gedanken versuche zu verbannen, welche mich letzte Nacht genug geplagt hatten.
In der Praxis angekommen richtete ich direkt ein 'Guten Morgen' an Mrs. Wollak welche sich wie üblich freute, mich zu sehen. Sie war wirklich nett, woher ich das wusste? Keine Ahnung, menschliche Intuition wahrscheinlich.
In Evans Büro walzte ich einfach so hinein, aber ich erwartete zumindest, dass er hier sitzt und mich anmeckert warum ich denn nicht klopfe. Im Gegensatz wurde ich von einem stockdunklen Einzeltherapiezimmer begrüßt. Hat der im ernst verschlafen? Die Tür schließe ich wieder hinter mir und sah in den restlichen Räumen nach bevor ich auf die Idee kam vielleicht mal Mrs. Wollak zu fragen.
Nicht jeder hat die Denk Kapazität eines Menschen Alexa. Und du gehörst nicht mit zu den Glücklichen.
"Mrs. Wollak?" "Was kann ich für dich tun?" Normalerweise ist sie für die Termine und Buchhaltung zuständig, aber zusätzlich ist sie unsere Frau für alles und dafür sind wir beide ihr dankbar. "Wissen Sie zufällig wo Mr. Evans abgeblieben ist?" Sie sah auf ihren Computer und tippte ein paarmal auf der Tastatur herum bis sie schlussendlich sagt "Krankgeschrieben seit gestern. Brauchst du Ihn? Soll ich ihn anrufen?" "Nein, Danke."
Ja super.
Da muss ich wohl mit ihm über das Telefon reden. Die Nummer ist schnell gewählt und es läutet drei Mal bis er rangeht. "Michael Evans spricht, wer ist an der anderen Leitung?" Ich muss mir mein lachen verkneifen, wer begrüßt so noch Menschen am Handy?
"Ich bins, Alexa. Du bist Krankgeschrieben aber sagst mir nicht ich soll all deine Gruppensitzungen übernehmen?" "Ich dachte, ich finde noch jemand in der Zwischenzeit damit ich dir nicht so viel zumute aber es hat nicht geklappt, tut mir leid." Also hab ich jetzt doch zwei Mal in der Woche Gruppensitzung. Dienstag und Donnerstag.
"Okay, ich übernehme gerne. Ich führ deinen Bericht einfach wie gewohnt weiter oder soll ich etwas verändern?" Eine kurze Pause, in welcher ich im Hintergrund Evans höre wie er mit jemandem redet. "Nein Danke, das passt schon so. Du blickst da sicherlich durch." ein knappes Tschüss wurde noch gesagt und dann direkt aufgelegt während ich nicht einmal zu der Verabschiedung kam.
Und jetzt steht noch ein Telefonat mit Isaacs alten Therapeutin an.
DU LIEST GERADE
Eine Wahrheit
RomanceAlexa Colemeyer ist komplett neu in einer Praxis angekommen als frisch gebackene Psychologin. Sie freut sich endlich aus Theorie Praxis zu machen. Alles passierte auf einmal anders als es hätte kommen sollen. Vor allem Isaac Roth, welcher ihr neuer...