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LILLIAN

Die letzte halbe Stunde habe ich damit verbracht mir anzuhören, wie das Spiel funktioniert. Jeglicher Versuch es mir beizubringen, ist jedoch gescheitert. Ich kann mir gerade so die Regeln merken und im Moment sieht es nicht gut aus. Santino hat fast seine ganzen Chips in die Mitte gesetzt und mustert mich das gesamte Spiel über mit dieser mysteriösen Aura, die sich um ihn breitgemacht hat. Autorität. Selbstbewusstsein. Macht. Er schielt hinab auf seine Karten und schnürt die imaginäre Maske vor seinem Gesicht noch fester. Es ist unmöglich, etwas in seinen Augen erkennen zu können. Mir jedoch fällt es schwer, mir nichts anmerken zu lassen und ich bin mir sicher, dass er mich lesen kann wie ein offenes Buch. Wieder einmal beobachte ich ihn heimlich, während er seine Zigarette auf das Glas ab ascht und sich wieder zurücklehnt. Er wirkt lässig und entspannt, aber das könnte auch einen Bluff geschuldet sein. Hat er wirklich gute Karten, oder ist es nur ein Trick, um mich zu verunsichern? Ich beiße mir ausatmend auf meine Unterlippe und werfe einen Blick auf die zwei Karten in meinen Fingern. Eine rote Herz zwei und eine schwarze Pik acht. Obwohl ich noch immer keinen blassen Schimmer von Poker habe, weiß ich gewiss, dass meine Karten schlecht sind. Genau jetzt wünschte ich, seine Karten sehen zu können...
»Gehst du mit? All in?«
Unsere Blicke kreuzen sich und ich schiebe mutig meine Chips in die Mitte. Was habe ich zu verlieren? »Nur zu«, fordert Santino mich mit einem ausladenden Handschweifer auf. Ich weiß was nun folgt. Mit klopfendem Herzen schaue ich auf meinen kleinen Chips Stapel und die vielen, die der Italiener angehäuft hat. In dem Moment wird mir bewusst, dass ich verlieren werde. In der Mitte des Tisches liegen fünf Karten. Ich lege meine dazu und auf Santinos Gesicht macht sich Freude breit. Selbstgefällig grinsend wirft er seine Karten dazu und zuckt mit den Augenbrauen. »Full House. Damit habe ich wohl gewonnen, mia Bella.«
Verdammt.

»Das war unfair«, schüttle ich meinen Kopf und greife zum Glas links von mir. Mein Wasser ist bereits leer also bleibt mir nur der Alkohol. Er schmeckt bitter und herb, brennt sich meine Kehle hinab wie Reinigungsmittel. Ich schüttle mich kaum merklich und wische mir schnell mit dem Handrücken über die Lippen, bevor ich sie angewidert verziehe. Gott ist das ekelhaft. Santino lacht in sich hinein und schüttelt seinen Kopf. Schön, dass er sich über mich freut, ich finde es nur beschämend, gegen jemanden wie ihn zu verlieren. Er ist wirklich gut, aber sein Selbstbewusstsein braucht nicht noch mehr anzuschwellen.
»Ich hätte gern meinen Wetteinsatz«, holt er mich aus meinen Gedanken und deutet selbstgefällig auf die Kette um meinen Hals. »Richtig«, murmle ich und erhebe mich aus dem Sessel. Der Tisch ist zu breit, um sie über die Platte zu reichen. Am Verschluss fummelnd umrunde ich den Pokertisch und scheitere kläglich daran sie zu öffnen. Frustriert ziehe ich sie mir einfach über den Kopf und links halte neben Santinos Sessel inne, die Hand in seine Richtung ausgestreckt, doch er bewegt nicht mal seinen Finger, um sie mir abzunehmen. Stattdessen schaut er mit funkelnden Augen zu mir auf und rutscht ein Stück zurück. Die Holzfüße scharren über den Boden und er streckt seine Beine aus. »Leg sie mir um«, bittet er mit tiefer Stimme.

Schluckend trete ich einen Schritt näher und spüre sogleich die Hand an meinem Oberschenkel. Mein Herz pocht mittlerweile so schnell, dass ich mich zusammenreißen muss, nicht umzukippen. Die Weise wie sein Zeigefinger meine nackte Haut streift, verschafft mir Gänsehaut. Der Rock, den ich trage, reicht mir nur bis zur Mitte meiner Oberschenkel und ich verfluche mich im Moment selbst dafür, ihn angezogen zu haben. Mit zitternden Händen hebe ich die Kette über seinen Kopf und genau in dem Moment zieht er mich plötzlich auf seinen Schoß. Erschrocken knallen meine Fäuste gegen seine Brust, damit wir nicht gegeneinanderprallen. Gott. Santino legt seine linke auf meinen Oberschenkel, streicht den Saumen des Rocks entlang und fährt mein Gesicht mit seinen Augen ab. Erst zwei Herzschläge später schaffe ich es, mich wieder zu bewegen, und lege ihm seine Kette um den Hals.
»Danke«, haucht er mir entgegen. Wir sind uns so nah, dass mich sein Duft umhüllt wie eine warme Decke. Er riecht nach Zigarette - weil er gerade geraucht hat - aber auch wie flüssiges Karamell und herben Zedern. Die Wärme, die seine Hand auf meine Haut ausstrahlt, lähmt mich fast. Seine Finger wandern wenige Millimeter unter den Stoff und seine andere Hand an meinen Rücken, streift meine Haare und Taille. Ich halte die Luft an, damit er nicht merkt, wie nervös mich unsere Nähe macht. Meine Beine reiben gegen den derben Stoff seiner Anzughose und ich kann nicht anders, als meine Arme auf seine Brust sinken zu lassen. Den Anhänger der goldenen Kette fühle ich direkt über seinem Herzen.
Was macht er nur mit mir? Wieso fühlt es sich so merkwürdig an, auf seinem Schoß zu sitzen? Allein in diesem Raum?
»Bist du nervös, mia Bella?«, wispert er fragend und streicht mir galant eine dicke Strähne meiner Haare über die Schulter. Allein diese kleine Geste bringt mein Blut zum Kochen und mein Herz zum Flattern.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, will er amüsiert wissen und legt seine Hand in meinen Nacken. »Nein«, nuschle ich verlegen und grabe meine Finger tiefer in den Stoff seines Hemdes. Der Italiener hebt seine Brauen, sagt aber nichts mehr dazu. Einige Wimpernschläge ist es mucksmäuschenstill. Seine Berührungen jagen Stromschläge durch meinen Körper und Adrenalin durch mein Blut. Die Musik des Restaurants dringt gedämpft durch die dicke Tür in meinem Rücken, aber bis auf das, ist es ruhig. Der Benelli Mann reibt seinen Daumen über meinen Nacken, verfängt sich in meinen Haaren und zieht mich näher. Wir sind uns inzwischen so nah, dass unser Atem sich zwischen uns vermischt.
»Danke für das Spiel, wir sollten das bei Gelegenheit wiederholen.«
Nichts lieber als das.
»Sollten wir«, stimme ich zu und senke meinen Blick auf seine Lippen. Sie sind voll und rosig, und bestimmt wahnsinnig weich. Stopp, was denkst du dir Lillian? Du sitzt auf dem Schoß eines gefährlichen Mannes und denkst sowas... Ich muss krank sein. Er wird mich ohnehin nicht küssen, das weiß ich als er seine Hand sinken lässt und unter den Tisch langt, um den Knopf zu drücken.
»Fürs erste aber, solltest du ins Bett gehen. Kyle wird dir dein Zimmer zeigen.«

Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Ich springe auf, eile um den Tisch herum und fische mein Telefon aus meiner Handtasche hervor. »Fuck!«, rutscht es mir panisch heraus. Die Uhr auf meinem Display zeigt mir elf Uhr dreißig an. Die Ausgangssperre ist bereits zehn Uhr in Kraft getreten. Die Haare raufend lasse ich das kleine Ding zurück in meine schwarze Tasche fallen und schüttle den Kopf. Im gleichen Moment öffnet sich die Tür und ein breitgebauter dunkelhaariger Mann taucht auf. Soweit ich mich erinnern kann, saß auch er vorhin mit am Tisch.
»Sei so freundlich und Geleite Lillian zu ihrem Zimmer für die Nacht«, bittet Santino ihn und er nickt nur. Kurzerhand greift er sich meine Tasche vom Stuhl und deutet mir, vorzugehen. Fragend schaue ich zu dem Italiener zurück, der sich soeben eine neue Zigarette angezündet hat. »Morgen früh wirst du nachhause gebracht. Gute Nacht mia Bella«, wünscht er mir. Gleich danach führt dieser Kyle mich aus dem Raum.

Mafia King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt