68 - Epilog Teil 3

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LILLIAN

Eine warme Brise weht durch meine offenen Haare. Auf der Dachterrasse der Villa in Corleone weht ein lauer Wind vom Meer her. Die Sonne geht unter, und unten ist die Party noch in vollem Gange. Lichterketten sind über die Wiese gespannt, sie sind wie ein Dach aus Millionen Lichtern, unter denen viele Tische und Stühle stehen. Italienische Musik spielt, die Gäste unterhalten sich ausgelassen, die Feier läuft in vollem Gang. Ich bin hier hinaufgekommen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Die letzten Stunden sind nervenaufreibend gewesen. Nach der Zeremonie in der Kirche wurden wir mit Reis beschmissen und mussten eine Vase zerstören, dessen Scherben uns viele glückliche Ehejahre beschaffen sollen. Anschließend sind wir zur Villa von Santinos Verwandschaft um zu feiern. Das Essen war köstlich und die Stimmung ausgelassen. Nachher gibt es noch Torte, aber ich glaube nicht dass ich noch einen Bissen schaffe. Mein Magen platzt gleich in dem engen Kleid...
»Ich habe dich schon gesucht, mia bella«, raunt Santino plötzlich in mein Ohr und lässt mich mit klopfendem Herzen zusammenfahren. Erschrocken schlage ich ihm gegen seine Brust und entlocke ihm ein kehliges Lachen. »Erschreck mich nicht so«, keuche ich und kehre ihm den Rücken. Lachend schlingt er seine Arme um meinen Körper und zieht mich an sich. Ich befinde mich zwischen der steinernen Brüstung und ihm gefangen, spüre die Wärme seines Körpers von hinten an mir. Sein Duft umhüllt mich und lässt mein Herz einen Schlag aussetzen. Ich schmiege mich entspannt in seine Arme und schaue auf die Feier hinab. »Was tust du hier?«, frage ich ihn und spüre dass er mich fester gegen sich zieht. »Das gleich könnte ich dich auch fragen, bella.«
»Ruhe. Deshalb bin ich hier oben. Hier ist es ruhig«, erkläre ich ehrlich und neige meinen Kopf schräg nach hinten. Santinos bernsteinfarbene Augen glitzern im Schein der untergehenden Sonne wie süßes Karamell. Ich könnte mich nie an ihnen sattsehen. Er ist perfekt so wie er ist.
»Ich dachte schon, du bist vor mir geflohen«, scherzt er und küsst meine Wange sanft. »Würde ich nie«, lächle ich und drehe mich in seinen Armen zu ihm. Als ich meine Hand an sein Hemd lege, reflektieren die letzten Sonnenstrahlen den Diamant an meinem Finger. Ich hatte bis vor ein paar Stunden keinen blassen Schimmer, wie mein Ring aussehen würde. Das erste mal als ich ihn sah, war in der Kirche. Er ist wunderschön und passt wie angegossen. Ich liebe ihn so sehr...

»Gefällt er dir?«, möchte mein Mann flüsternd wissen. Wie merkwürdig sich dies doch anhört - mein Mann. Noch immer kann ich nicht fassen, was heute geschehen ist. Ich bin nun eine Benelli. Santino und ich sind verheiratet.
Es ist so surreal wie es klingt.
»Er ist wunderschön. Hast du ihn ausgesucht?«, lächle ich und schaue ihn fragend an. Der große Italiener zieht die Fassung des Steins mit seinem Zeigefinger nach und legt seine Hand schließlich über die meine an seine Brust. »Der Ring hat meiner Mutter gehört«, gesteht er murmelnd, »und davor ihrer Mutter. Der Diamant ist schon seit einem Jahrhundert in ihrer Familie. Sie hat ihn gut versteckt und ihn mir vermacht, sodass mein Vater ihn nicht zu Geld machen kann. Sie wollte immer, dass meine Frau ihn bekommt.«
Er hat ihr gehört? Plötzlich fühlt es sich so falsch an, ihn zu tragen. Seine Mutter bedeutet ihm viel, tut es ihm nicht weh, mich mit ihrem Ring zu sehen?
»Aber-«
»Sie wollte es so, Lillian. Er wird dir Glück bringen, immerhin war es nicht ihr Hochzeitsring, keine Sorge«, wendet Santino ein und ich Presse meine Lippen aufeinander. Stumm lege ich mein Ohr an seine Brust und Schlinge meine Arme fest um sein Rücken. Sein Herzschlag dröhnt mir durchs Trommelfell und die Musik der Party rückt völlig in den Hintergrund. »Ich liebe dich«, wispere ich gegen sein weißes Hemd. Durch meinen Körper jagt ein vertrautes Kribbeln, wie jedes Mal wenn ich ihm so nah bin. Früher hätte ich nie gedacht, dass ich das einmal zu ihm sagen würde. Nicht so, wie wir uns kennengelernt haben. Damals hätte ich gelacht, wenn man mir gesagt hätte, dass er und ich mal heiraten würden. Es schien so unmöglich, wie der Fakt, dass wir uns lieben. Noch nie habe ich so für einen Menschen empfunden wie für ihn. Ich wusste es damals im Keller der Vallians, und auch schon als ich im Londoner Krankenhaus aufwachte. Vielleicht auch schon einige Zeit davor. Ich würde alles für ihn geben. Geld, Wohnung, meine Seele, mein Herz. Selbst mein letztes Hemd. Nicht mal die drei Worte könnten das zum Ausdruck bringen.
»Ich dich auch cuore mio«, entgegnet er flüsternd und platziert einen hauchzarten Kuss auf meiner Stirn. Seine Hände gleiten durch meine gewellten Haare, über mein Rücken, wo die eine verweilt, während die andere sich an meine Wange legt und ich meine Augen ausatmend schließe. In seinen Armen fühle ich mich, als könnte mir nichts geschehen, als wäre dies der sicherste Ort der Welt. Ich erinnere mich an den Abend, an denen sie mich von den Vallians befreit haben. Ich bin nur so in seine Arme gefallen und war überglücklich ihn zu sehen. Mir ist der verzweifelte Ton in seinem Schrei nicht entgangen, als er mich sah. Er war so überglücklich mich zu sehen, und ich ihn. Nach allem was wir zusammen durchgemacht haben, glaube ich fest daran, dass heute ein Neuanfang auf uns wartet. Der heutige Tag ist der erste in meinem neuen Leben, und ich kann es kaum abwarten es mit ihm zu verbringen.

Santino legt seine Finger unter mein Kinn und zwingt mich ihn anzuschauen. Er neigt sich zu mir hinab, küsst mich sehnsüchtig und drängt mich zurück gegen die Brüstung der Dachterrasse. Seufzend schlinge ich meine Arme um seinen Hals und genieße seinen fordernden stürmischen Kuss wie kein anderer. Ich gebe mich ihm völlig hin, lasse zu dass seine Zunge sich in meinen Mund schiebt und mahle mir bereits aus, was später passieren wird. Welch ein verführerischer Gedanke es doch ist, jetzt einfach die Party zu überspringen und gleich zur Sache zu kommen. Ich weiß, dass ihm gerade der gleiche Gedanke durch den Kopf schießt. Grinsend vertieft er den Kuss und gräbt seine Finger in meine Haare. »Denken wir beide an das gleiche?«, fragt er raunend und entlockt mir ein Kichern. »Zu hundert Prozent«, wispere ich gegen seine weichen Lippen und ziehe sein Gesicht näher zu meinem. Stöhnend lehnt er seine Stirn an meine, seine Hand wandert über den weißen Stoff meines Kleides, über den Rock und über meine Brust. »Leider muss das noch etwas warten, auch wenn ich dir das Kleid am liebsten vom Leib reißen will, mia bella. Du glaubst garnicht, wie scharf du darin aussiehst«, raunt er Lüstern und küsst mich ein letztes Mal gierig, bevor er von mir ablässt, zwei Schritte zurücktritt und sich erhitzt durch die Haare streicht. »Wir sollten wieder nach unten, sonst denken meine Tanten noch, das wir es hier oben treiben«, merkt Santino an und streckt mir seine Hand entgegen. Schmunzelnd nehme ich diese an und lasse mich von ihm nach unten in den großen Garten geleiten.

Die Tanzfläche ist bereits voll und wir müssen uns zwischen den Gästen hindurchquetschen, um zu unserem Tisch zu gelangen. Ich bestelle mir bei einem der freundlichen Kellner einen Drink, und schon zieht Santino mich weiter. Am Rande des Geschehens entdecke ich meinen Bruder, der mich mit einem breiten Lächeln beobachtet. Während Santino sich mit James unterhält, lasse ich seine Hand los und laufe auf Fergus zu. »Hey, gefällt es dir?«, frage ich ihn und lasse meine Augen durch die Menge wandern. Er schwingt das Glas Sambucca zwischen seinen Fingern im Kreis und nickt. »Eine schöne Feier«, bestätigt er und nickt. »Wieso bist du dann nicht bei Mila?«, hake ich nach und entdecke seine Freundin mit Erin tanzen. Fergus deutet auf den Boden und ich folge seinem Finger verwirrt. Erst jetzt entdecke ich die kleine Isla, die ihre Arme um sein Knie geschlungen hat und sich gegen seinen Oberschenkel lehnt. Schüchtern versteckt sie ihr Gesicht an dem dunklen Stoff seiner Anzughose und kichert. Amüsiert knie ich mich hinab und strecke ihr eine Hand entgegen. »Möchtest du tanzen?«, frage ich und die kleine schüttelt ihr Köpfchen. »Dada«, erwidert sie und schaut zu Fergus auf. Mit gehobenen Brauen richte ich mich wieder auf und nehme Fergus das Glas ab. »Ich glaube, sie will dass du mit ihr tanzt, Brüderchen«, lache ich, da Fergus aufstöhnt und etwas grummelt. »Ich tanze nicht«, sagt er schlichtweg und die kleine verzieht ihren Mund nach unten. »Komm schon«, stupse ich ihn an, »tue es für sie. Sie will mit ihrem Daddy tanzen.«
Isla nickt zustimmend und schaut mit großen Augen auf. Als er sie ansieht seufzt mein Bruder nachgebend. Er kann ihr keinen Wunsch abschlagen, dass habe ich schon mehr als einmal bemerkt. »Na gut, aber nur einmal und dann bringe ich dich ins Bett«, sagt er mit gehobenen Finger. Die kleine streckt ihm ihre Arme erfreut entgegen und hüpft auf und ab. Fergus schnappt sie sich und die beiden verschwinden zwischen den anderen Gästen. Schmunzelnd trinke ich sein Glas leer und setze es auf einem der Tische ab. Genau in diesem Moment taucht Santino vor mir auf.

»Sind sie so gütig und gestatten mir einen Tanz, mi Lady?«, fragt er höflich und grinst schelmisch. Strahlend lege ich meine Hand in die seine und mache einen Knicks. »Natürlich Sir, wenn sie danach mit mir im Bett tanzen?«, gebe ich kess zurück und lasse mich von ihm ins Geschehen ziehen. Er schlingt seine Arme fest um mich und wir bewegen uns im Takt der gefühlvollen italienischen Musik. »Danach wirst du keinen Schritt mehr laufen können, mia bella«, raunt er kehlig in mein Ohr und küsst die empfindliche Stelle meines Halses. »Ist das ein Versprechen, Santino Benelli?«, frage ich Lippenbeißend nach. In mir zieht sich bereits alles lustvoll zusammen. Ich will ihn so sehr...
»Ebenso wie das, was ich dir heute in der Kirche gegeben habe, Lillian Benelli. Ich kann es kaum abwarten, jeden Millimeter deines Körpers zu küssen«, wispert er und vereint unsere Lippen miteinander. Das hier ist alles was ich will. Er ist alles was ich will. Und zum Schluss ist der Abend an dem ich ihn traf, doch der beste meines Lebens gewesen. All die Höhen und Tiefen, all die Dinge die geschehen sind. Ich bin nur hier, wegen ihm. Nur wegen Santino, und ich hoffe, dass unsere Liebe nie verloren geht - nein, ich weiß es sicher. Wir sind füreinander gemacht, egal wie viele Steine man uns in den Weg gelegt hat. Egal ob wir auf Sizilien bleiben, egal was morgen geschieht. Nichts könnte unsere Liebe füreinander je ändern.
Und wer weiß, vielleicht tapst irgendwann jemand mit unserem Blut in sich durch die Villa in Palermo und krönt diese Liebe.

ENDE

Mafia King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt