10. Das System und seine Komponenten

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Nach dem Frühstück begann Marko, zu erzählen.

„Ein System besteht aus Komponenten, die miteinander verbunden sind und wechselwirken, eine aufgabenbezogene Einheit bilden. Die einzelnen Komponenten sind austauschbar, jede erledigt nur eine kleine Aufgabe. Unsere Zivilisation funktioniert nach diesem Prinzip. Wir sind alle Komponenten des Systems, aber wir wissen es nicht. Jeder Mensch, jede kleine Systemkomponente sieht nur einen kleinen Ausschnitt und hat keine Ahnung vom großen Ganzen ...

Ich habe Informatik studiert, wie mein bester Freund Björn. Nach dem Studium fanden wir gute Jobs als Systemadministratoren bei einer Bank in Essen. Damals mussten wir viele Netzwerklösungen noch selbst programmieren. Aber als wir zwei Jahre da waren, begannen wir, uns zu langweilen. Jedenfalls ich, der ich kein ausschweifendes Privatleben hatte. Ich begann, noch an anderen Sachen zu arbeiten, meistens für den Chaos Computer Club. Wir hackten uns in die Netzwerke von Behörden und Unternehmen, um auf Sicherheitsmängel aufmerksam zu machen, wegen der Herausforderung. Ich saß da an so einer Sache bei MBB, einem Rüstungskonzern. Es fesselte mich ziemlich und ich hatte Björn ab und zu von ein paar Hacker-Sachen erzählt, aber es interessierte ihn nie besonders. Er fuhr mittlerweile einen siebener BMW und hatte ein Haus angezahlt ... dann war da noch Nora, seine Freundin. An der Uni war sie noch eine bescheidene Pädagogik-Studentin gewesen, aber sie begann, einen ziemlich teuren Geschmack zu entwickeln.

Als ich eines Morgens ins Büro kam, saß Björn an meinem Rechner. Freudestrahlend. Er musste die halbe Nacht da verbracht haben ...
„Ich hab's! Ich bin drin bei MBB!", rief er.

Und wirklich, das Problem mit der letzten Firewall, an dem ich wochenlang gerätselt hatte, er hatte es gelöst. Ich dachte mir erst gar nichts dabei. Ich hatte einen 'Wurm'-Algorithmus geschrieben, ein Programm, dass nach Schwachstellen sucht und diese ausnutzt, sich auf andere Systeme kopiert und sich dort aktiviert. Björn hatte den Wurm modifiziert, dass er sich über das interne Email-Programm von MBB ausbreiten konnte. Zwei Wochen später rief Dave vom Chaos Club an.
„Hast du Unterlagen von MBB kopiert und nach China verkauft?" Ich wusste erst gar nicht, was er meinte. „Wir müssen das an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Das verstößt gegen den Chaos-Kodex!"
„Ich war's nicht!", rief ich. „Ein Kollege von mir, der muss das ..."

Aber ich hatte dummerweise Björns Erfolg als meinen ausgegeben. Schließlich hatte ich die ganze Vorarbeit gemacht ... Besinnungslos vor Wut fuhr ich zu seinem Haus. Nora öffnete die Tür. Ich stieß sie zur Seite und stürmte ins Haus. Da traf ich auf Björn.
„Ich bin erledigt!", schrie ich ihn an. „DU hast Forschungsunterlagen von MBB an die Chinesen verkauft! Weißt du, wie man das nennt? Industriespionage! Und jetzt geh ich in den Knast!"

Hinter mir war Nora aufgetaucht. Ich holte mit dem Arm aus, um, ich weiß nicht, Björn zu schlagen. Dabei musste ich Nora unglücklich mit dem Ellenbogen getroffen haben. Sie taumelte zurück, fiel rückwärts hin und schlug mit dem Hinterkopf auf. Sie stöhnte, rappelte sich hoch und fasste mit der Hand an den Kopf, sie war voller Blut. Das machte Björn wild, er ging auf mich los. Wir wälzten uns auf dem Boden rum, beide wie rasend. Er klein und schmächtig, ich war damals ziemlich dick. Ich drückte ihn zu Boden aber er entkam und ging mir an die Kehle. Meine Hand fuhr durch die Luft, ertastete eine von diesem modernen Lampen mit schwerem Fuß. Ich schlug das Ding mit voller Wucht auf seinen Kopf ... Er rührte sich nicht mehr. Ich sah ihn an und rüttelte ihn. Björn, mein bester Freund, war tot ... Ich bekam fünf Jahre für die MBB-Sache und fünf Jahre für Totschlag. Vom Tag der Urteilsverkündung haben meine Eltern nie wieder ein Wort mit mir gesprochen. Auch meine sogenannten Freunde nicht. Ich saß im Gefängnis. Allein ... Ein Jahr verging.

Es war Besuchstag im Knast. Mich besuchte nie jemand. Aber an diesem Tag sagte der Vollzugsbeamte, jemand wäre für mich da. „Heißer Feger, hätte ich dir gar nicht zugetraut, Dicker."

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