Kapitel 21 - Tate

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Langsam erhebe ich mich von einem der Lounge-Möbel auf dem Rooftop des Nachtclubs und streiche das schwarze enge Hemd an meinem Körper glatt. Ich musste mir erst einmal einen Überblick über den Club, das Personal und die Gäste verschaffen. Das gehört zu meinem Job dazu. Anfangs bin ich mir nicht sicher gewesen, ob ich den Auftrag annehmen soll. Ich kenne die Auftraggeber nicht, und sie haben bis zur Eröffnung ein Geheimnis aus allem gemacht. Das war allerdings auch ein Grund, warum ich dann doch zugesagt habe. Die verschiedenen Areas haben es in sich, und ich bin mir sicher, der Club wird gut laufen.
An einem der Geländer stehend habe ich einen fulminanten Blick über die Stadt. Ich kann nicht umhin, diesen Moment festzuhalten und drücke einige Male auf den Auslöser. Gelächter von jungen Frauen weht zu mir hinüber und schürt meine Neugier. Es sind zwei Freundinnen, die die Aufmerksamkeit von fast allen auf sich ziehen. Sie sind richtige Party-Miezen, die ohne Handtasche in den Club gehen, weil sie sowieso nichts bezahlen müssen. Die knappen Kleidchen, die gleich unter der Rundung ihrer Ärsche enden, verdecken kaum etwas. Es ist unmissverständlich, was sie wollen. Auffallen und ficken. Was passiert aber, wenn sie einmal an den Richtigen geraten? Ob die Klappe dann immer noch so groß ist? Meine Menschenkenntnis hat mich da selten getäuscht. Zugegeben, meine nächtlichen Jobs sind nicht vergleichbar mit denen eines Standard-Fotografen. Wo ich tagsüber die üblichen Aufträge für Magazine, Agenturen und Personen mit dem nötigen Kleingeld erledige, bin ich in der Nacht in den angesagtesten Clubs, auf den dunkelsten Events und skurrilsten Locations unterwegs. Natürlich gab es dort auch Begegnungen, die ich gerne vermieden hätte. Nicht jedoch die beiden Grazien. Es amüsiert mich, ihnen zuzusehen, und es dauert auch gerade zwei Sekunden, dann stehen zwei Prolls neben ihnen an der Bar - scheinbar mit denselben Absichten. Gesucht - gefunden?
Egal, ich habe etwas anderes entdeckt, das mich vom Geländer weglockt. Zuerst sind es nur blaue Haare, die mich magisch anziehen. Die Hand mit der Kamera in meinem Rücken, folge ich ihr die Stufen hinab in die Club-Area, doch sie biegt zu den Toiletten ab, wo sie mit jemandem zusammenstößt und klar zu verstehen gibt, wie scheiße sie das findet. Dieser Zorn, diese Ausdruckskraft in ihrer Mimik ist fantastisch, weshalb ich nicht umhinkann, sie zu fotografieren. Doch was ich dann sehe, lässt mich irritiert meine Brauen heben. Ihr Kleid wurde bei dem Zusammenstoß am Oberschenkel gerafft und gibt mir die Sicht frei auf eine Pistole, die sicher niemand zu Gesicht bekommen sollte. Ich habe sie aber festgehalten. Ich denke, es ist von Vorteil, wenn die Gastgeber wissen, wer es war, der für Unruhe gesorgt hat - sollte es dazu kommen. Diese Frau schreit mit ihrer ganzen Aura nach einem Streichholz für ihre Zündschnur. Und dabei ist sie verdammt heiß. Doch bevor ich mich weiter mit ihr beschäftigen kann, verschwindet sie auf den Damentoiletten. Fuck!

Bei einem Streifzug durch den Club ordere ich mir einen Vodka auf Eis, der meine müden Geister weckt. Bisher bekam ich nichts Dramatisches vor die Linse ... bis mir jemand auf die Schulter klopft und ich mich umdrehe. Ein strahlendes, euphorisches Lächeln trifft mich und das gleich doppelt. Und mit Blingbling. Vor mir stehen zwei junge Frauen mit clubbigen Neonbrillen auf der Nase und Cocktails mit bunten Schirmchen in den Händen.
»Sind Sie der Clubfotograf? Biiiitteee! Machen Sie ein Foto von uns!«, bettelt die Rechte.
»Jaaa!«, kommt mit einem hochtönigen Quieken von links, untermalt von aufgeregtem Hüpfen. Als hätte ich mir gerade den Nacken gezerrt, reibe ich ihn und verziehe ertappt mein Gesicht. Was soll ich da jetzt abstreiten? Die Zwei sind zwar nicht das, was ich und auch die Auftraggeber vor die Linse bekommen möchten, aber ich mache gute Miene zum bösen Spiel und lasse sie ihre Posen einnehmen, lasse es blitzen und schaue danach in ihre fröhlichen Gesichter.
»Habt noch einen ereignisreichen Abend, meine Hübschen.«
»Warte! Kommen die Bilder auf die Website? Ja? Oh mein Gott, oh mein Gott! Wenn meine Freundin Trisha das sieht!«
Soll ich sie jetzt enttäuschen? Nein. Ich werde sie nach heute Nacht sowieso nie wiedersehen.
»Es wird ein paar Tage dauern, aber ja. Schaut einfach online vorbei«, schwindle ich und mache, dass ich wegkomme. Versinke in der Menge und ziehe den Kopf ein.
An der VIP-Area entdecke ich stadtbekannte Gesichter, unter anderem den Sohn des Gouverneurs, der gerade eine Methusalem-Flasche Champagner über vier Schönheiten gießt und das Prickelwasser danach von ihren Titten saugt. Ich schwöre - wäre er nicht von Beruf Sohn, und Papa im Reichtum ersoffen, würde keine von ihnen das zulassen. Geld macht eben doch sexy ... und wenn nur für eine Nacht.
Nach der VIP-Area zieht es mich erneut an eine Bar und ich bestelle mir den nächsten Vodka. Gerade, als der Barmann mir das Glas hinüberschiebt, taucht ein Typ in meinem Blickfeld auf, der offen gestanden sogar mich ficken dürfte - würde ich auf Schwänze stehen. Die weiße feine Hose und das weiße enge Hemd bilden einen krassen Kontrast zu seiner bunten, gebräunten Haut. Würden wir nebeneinanderstehen, wären wir wie Engel und Teufel, nur glaube ich, dass die Rollen vertauscht wären. Er ist eine Erscheinung, jede Frau schmachtet ihm nach - und das weiß er ganz genau. Ich stelle mich an das Ende der Theke und lege die Kamera darauf ab. Über den Bildschirm beobachte ich ihn und mache einige Aufnahmen. Nicht nur von ihm, aber meine Augen verlieren sich immer wieder in ihm.
»Wer bist du?«, wispere ich und überlege, ob ich ihn schon einmal gesehen habe, doch dann würde ich mich an ihn erinnern.
»Welchem Rock geierst du hinterher?«, brüllt man mir ins Ohr, was mich schwach zusammenzucken lässt. Doch auch nur kurz, dann rolle ich mit den Augen und sehe meiner besten Freundin dabei zu, wie sie über meine Schulter auf den kleinen Bildschirm meiner Kamera stiert. Ihre grauen langen Haare hat sie heute zu einem Kunstwerk aus Zöpfchen, gezwirbelten Strähnen und Locken drapiert. Sie ist einfach crazy. »Der Typ in weiß? Ist ja mal ein Leckerbissen«, raunt sie und hebt ihren Blick, um ihn zwischen den Gästen ausfindig zu machen.
»Wird dein Schlüpfer schon feucht?«, necke ich sie, was sie mit einem kleinen Schlag gegen mein Ohr beantwortet.
»Ich geb dir gleich Schlüpfer. Heute bin ich ... natur unterwegs.«
»Du Luder! Warum bist du jetzt erst hier? Ich hätte dich auch abgeholt.«
Sie winkt seufzend ab.
»Ich musste noch einen Auftrag fertigbekommen. Mein Kunde wollte, stell dir vor, unbedingt heute zur Eröffnung des (W)Right Place.«
»Dann musst du dich heute benehmen, Zelda.«
Angewidert und sträubend verzieht sie ihr Gesicht.
»Wie kommst du auf sowas? Party as usual«, säuselt sie und schnappt sich mein Glas, dessen Inhalt sie sich einfach in den Rachen kippt. »Und jetzt muss ich mir den Darkroom genauer ansehen. Vielleicht sehen wir uns dort?«
»Vielleicht«, erwidere ich diabolisch grinsend, während ich wieder den Typ in Weiß im Sichtfeld habe. Er unterhält sich mit einem Kerl, der sein kleiner Bruder sein könnte. Er steht ihm in nichts nach.
Plötzlich wird ein Drink vor mir abgestellt und eine junge Frau schiebt ihren Hintern auf den Barhocker neben mir. In ihrer linken hält sie ebenfalls einen Drink und lächelt mich neugierig an.
»Sie brauchen meine Gesellschaft nicht zu erkaufen«, sage ich frech und hebe das Glas vor mir an.
»Komm schon, mach mir nicht mein Vorhaben kaputt«, erwidert sie und zieht schmollend, aber lachend eine leichte Schnute. Hebt ihr Glas ebenfalls an und lässt es an meinem klingen.
»Vorhaben?« Aufmerksam neige ich meinen Kopf und schaue sie an, bevor ich einen Schluck trinke. Sie klettert von ihrem Barhocker, stellt sich dicht vor mich und auf Zehenspitzen, um mir direkt ins Ohr zu sprechen.
»Ich habe gehofft, ich kann dich dahin locken, wo es bequemer für uns beide ist. Ich habe dich vorhin schon auf dem Rooftop gesehen, aber du bist leider verschwunden.« Während sie das sagt, fahren ihre Finger über meinen Unterbauch, bis sich ihre Hand über meinen Schwanz schiebt. Sie weiß genau, was sie will, und ich bin gerne der, der ihr gibt, was auch immer das ist.
»Ich lasse mich gerne locken«, antworte ich, schultere den Gurt der Kamera und lasse ihr mit einer Handbewegung den Vortritt. Sie lächelt anzüglich, greift meine Hand und führt mich hinter sich her wieder nach oben.
Es ist voller geworden und sie schlängelt sich zwischen einigen Personen hindurch, und es kommt mir vor, als hätte sie ein direktes Ziel. Links und rechts des Rooftops sind Schaukeln angebracht, deren Sitzflächen etwas über das Gebäude ragen, und da das noch nicht reicht, ist der Boden aus Glas, damit der Anschein erweckt werden kann, man würde schwerelos über der Stadt schweben. Vielleicht traute sich bisher keiner, oder was weiß ich, warum sie frei sind. Hätte ich das vorhin schon gesehen, hätte ich dem kleinen Jungen in mir nachgegeben und geschaukelt.
»Setz dich«, befiehlt sie, was mich schmunzeln lässt. Dann drückt sie mich auf den breiten, gepolsterten Sitz der Schaukel und steigt rittlings auf meinen Schoß. Ungeniert küsst sie mich und beginnt, mein Hemd zu öffnen, lässt ihre Mitte energisch und anregend auf meinem Schoß kreisen, weshalb ich meine Hände an ihren Schenkeln unter den Rock schiebe und, ihre Backen fest in den Händen, ihren Körper dirigiere.
»Fang an zu schaukeln«, haucht sie, schaut zwischen uns nieder und öffnet meinen Gürtel. Ihre dunklen Haare umspielen dabei ihr Gesicht, ihr erregter Atem drückt sich zwischen ihren Lippen hervor und Sekunden später brumme ich angetan, weil sie meinen Halbsteifen befreit und genau richtig wichst.
»Lass uns schweben«, sagt sie erneut, dann knoten sich meine Finger fest in ihre Haare am Hinterkopf. Unsere Münder treffen hart aufeinander, lassen unsere Zungen sich gierig miteinander verbinden, wobei ich, mit meinen Füßen auf dem Boden, beginne, die Schaukel in Bewegung zu setzen. Immer schwungvoller, was sie zunehmend kickt. Erst recht, als ich den Spitzenslip zur Seite fummle und mit meinen Fingern in sie eindringe.
»Ist es das, was du willst?« Sie nickt, reitet meine Hand, und ich muss zugeben, es ist scheiße erregend, ihr dabei zuzusehen. Nicht zuletzt, weil ihre Finger meinen Schaft immer ungehaltener auf und ab fahren und der Gedanke, meine Finger gegen meinen Schwanz auszutauschen immer klarer in meinem Kopf wird. Sie will es doch!
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, hebt sie ihr Becken und ich entziehe mich ihr, greife an ihrem Steiß in ihr Höschen und presse meine Zähne zusammen, als sie sich auf mir absenkt. Es ist schwer in dieser Situation noch eine Bewegung zu koordinieren, die nicht mit ficken zu tun hat, doch dieses Feeling, über den Dächern der Stadt zu schweben während mich eine Unbekannte reitet, hat was - und ich bin mir sicher, jetzt finden einige die Schaukeln ziemlich interessant. Ich kann ihre Blicke förmlich in meinem Rücken spüren.
Meine Hände streichen an ihr hoch, wobei sie sich zurücklehnt, in meine Hose krallt und ihren Kopf in den Nacken sinken lässt. Shit! Sie hat ihren Körper perfekt unter Kontrolle, kreist auf mir, gewährt mir die Aussicht auf die Stelle, die uns verbindet und pusht sich selbst mit dem Blick, der sich ihr bietet, wenn die Schaukel zurückschwingt. Irgendwann ist es mir auch egal, ob wir schaukeln oder nicht, ich konzentriere mich auf sie. Es ist eine Seltenheit, dass ich die Kontrolle abgebe, doch ich wäre dumm gewesen, wenn nicht.
Als sie von meinem Schoß steigt und ihr Kleid richtet, nimmt sie meine Kamera und schießt von uns ein Selfie. Sie bekommt einen verdutzten Blick von mir, während auch ich meine Kleidung richte.
»Damit du mich nicht vergisst«, haucht sie, setzt noch einen flüchtigen Kuss auf meine Wange und entfernt sich mit schwingenden Hüften von mir. Als würde ich diesen Fick vergessen können! Schmunzelnd schaue ich mir die Aufnahme an, mache dann aber, dass ich wieder unter die Leute komme. Zuerst führt es mich auf die Toiletten. Warum wundert es mich nicht, dass die Kabinen besetzt sind? Die Geräuschkulisse ist Erklärung genug. Ich stelle mich an eines der Pinkelbecken und erleichtere mich, als die Tür aufgeht und der Typ in Weiß eintritt.
»Sergej! Beeil dich!«, ruft man ihm hinterher, dann drückt er gelangweilt die Tür zu. Er stellt sich neben mich an eines der Becken und schnalzt mit der Zunge. Meine Mundwinkel zucken bei so viel Ego. Auch als ich am Waschbecken stehe, muss ich ihn über den Spiegel ansehen. Und das bleibt nicht unbemerkt. Unsere Blicke treffen sich, als er fertig ist, sich umdreht und sich auch am Waschbecken neben mich stellt.
»Warst du schon im Darkroom?«, fragt er und seift seine Hände ein.
»Noch nicht, warum?« Ich trockne meine Hände ab und drehe mich zu ihm.
»Ich habe Bock zu ficken ... also warum nicht?«
»Oh ja!«, hallt es zeitgleich aus einer der Kabinen, was uns beide zum Lachen bringt.
Locker kreuzen sich meine Arme vor der Brust und ich lehne mich gegen das Waschbecken hinter mir.
»Das ist ein verlockendes Angebot. Wirklich. Aber ich spiele im Team hetero.«
»Das ist ein Grund, aber kein Hindernis«, erwidert er rau, wirft die Papierhandtücher, mit denen er sich abgetrocknet hat, in den Korb dafür und tritt nahe an mich heran. Sein Parfum steigt mir in die Nase und dieser Blick, der sich in meine Augen bohrt, lässt mich tatsächlich über meine Vorlieben nachdenken. Oder ist es der viele Alkohol? Neugier?
Dennoch ...
»Sorry, Mann. Das schmeichelt mir, aber ich bin dafür nicht zu haben. Wenn du aber auf Zuschauer stehst, komme ich gerne drauf zurück.«
»Je mehr, desto besser«, sagt er, wischt sich über seinen Mund und verlässt nach einem letzten intensiven Blick die Waschräume.
Ich werde später ganz sicher im Darkroom sein und wie unsichtbar einige Aufnahmen machen. Wer weiß, ob ich ihn dann in Aktion sehen kann. Allein der Gedanke daran amüsiert mich, und ich mache mich auf zur nächsten Bar. Die Nacht ist noch lange nicht zu Ende.

geschrieben von Sadie Baines für die Kurzgeschichte (W)Right Place

(W)Right PlaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt