Kapitel 8

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Sie war es.

Ich war mir sicher. Zu einhundert Prozent.

Sie. War. Es.

Sie war die Norne. Die Norne, die ich heute den ganzen Morgen vergeblich gesucht hatte. Bis jetzt.

Meine rechte Hand schoss instinktiv zu der Waffe in meinem Hosenbund, als wolle sie prüfen, ob sie noch an ihrem rechtmäßigen Platz war, ob sie mir immer noch Sicherheit bot.

Eine Norne.

Unglaublich. Selbst wenn ich es gehofft hatte, war ich nicht unbedingt davon ausgegangen, sie wirklich zu finden.

Ein triumphierendes Lächeln zuckte an meinen Mundwinkeln. Ich lief auf das Motel zu, die Waffe mit der Hand bedeckt und das Preisschild im Schaufensterbetrachtend, während ich einen Seitenblick auf die Liebenden warf.

Gerade in diesem Moment drehte der junge Mann der Norne den Rücken zu, sein Grinsen strahlender als die Sonne dieses Septembertages, als er wieder in sein Auto stieg und losfuhr. Die Norne hingegen glitt in ihren schwingenden Schritten an mir vorbei und durch die Eingangstür des Motels, wobei mir ihr kalter Geruch nach Tod und Rauch in die Nase stieg, sie mich rümpfen ließ.

Ich holte einmal tief Luft, um mich wieder zu fassen und dann folgte ich ihr durch die Tür.

Sofort empfing mich abgestandene Luft und schummriges Licht, flackernde Glühbirnen in einem schmalen Flur ohne Fenster.

Die Frau war verschwunden, flink wie es kein Mensch könnte, in irgendeinem der Gänge.

Ich atmete tief durch und schlenderte ein wenig umher, als wäre ich einer der wenigen Touristen, die sich nach Porcupine, Ontario verirrten, um die Ruhe des Waldes zu genießen. Lächerlich.

Vor einem Schaufenster, gegenüber der Rezeption blieb ich stehen, betrachtete den billigen, unechten Schmuck hinter dem Glas. Schlüsselanhänger, Postkarten, Landkarten. Nichts Besonderes. Tourikram.

»Kann ich Ihnen helfen, Miss?«

Überrascht drehte ich mich um und zog mir die Kopfhörer aus den Ohren, um nicht unhöflich zu wirken. Leise hörte ich noch immer den Bass und die Gitarre aus den Lautsprechern dröhnen.

Die Frau, die vor mir stand, war in etwa so groß wie ich, vielleicht ein wenig kleiner und rundlich. Ihre langen, lockigen Haare hatte sie sich blond gefärbt. Ihr brauner Ansatz war bereits ein paar gute Zentimeter groß.

Als ich bemerkte, dass ich sie zu lange und zu offensichtlich betrachtet hatte, räusperte ich mich und setzte mein bestes Lächeln auf.

»Sehr gerne«, antwortete ich freundlich und schob die Waffe in meinem Hosenbund weiter zu meinem Rücken, damit die Rezeptionistin diese nicht sah. »Ich suche nach meiner Freundin. Wir wollten uns hier treffen und ein wenig die Gegend erkunden.«

Wenn ich Glück hatte, könnte mir die nette Dame eine große Hilfe sein, mich direkt in Odins Küche bringen.

»Wer ist denn Ihre Freundin?«, fragte sie. Ihre hellgrünen Augen blitzten interessiert. Sie hatte den Köder geschluckt. Perfekt.

»Sie ist ein gutes Stück größer als ich.« Mit der Hand, die ich über meinen Kopf hob, deutete ich die ein Meter fünfundsiebzig an. »Kurze, blonde Haare. Sie war mir ihrem Partner hier. Ein großer, dunkelhaariger Mann.«

Ich hoffte, dass sie durch die fehlende Erwähnung der Namen nicht misstrauisch werden würde, doch sie lächelte bloß und nickte mit dem Kopf.

»Natürlich, Sie reden von Rea. Sie und ihr lieber Spencer sind hier Stammgäste, deshalb kenne ich die beiden so gut.« Sie lachte herzlich und winkte mir zu, dass ich ihr folgen sollte. Gemächlich ging ich ihr nach und beobachtete, wie sie hinter der Rezeption verschwand und in einer Schublade herumzuwühlen begann.

HUNTING: After You DiedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt