Kapitel 9

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8. September

Die kalte Nachtluft wehte durch das offene Fenster zu mir herein und trieb mir eine Gänsehaut über den Körper.

Monys tiefes, gleichmäßiges Atmen drang an mein Ohr und versicherte mir, dass sie friedlich hinter mir in ihrem Bett schlief.

Ich sog an der Zigarette zwischen meinen Lippen, woraufhin die Glut ein leuchtend roter Punkt in der mitternächtlichen Schwärze wurde.

Ich wusste, dass es keine gute Entscheidung war, das angefangene Kippenpäckchen aus seinem Versteck zu holen, in dem es bereits seit einem Jahr dahin vegetierte.

Ich erinnerte mich daran, dass ich dieses Kapitel meines Lebens nie wieder aufschlagen wollte.

Und ich erinnerte mich daran, dass Noah es gehasst hatte, wenn ich rauchte.

Doch ich dachte nicht daran, was für Konsequenzen meine Taten haben würden.

Ich dachte an Rea, die mich nicht erschießen wollte und jetzt selbst tot auf dem Boden des Motelzimmers lag.

Ich dachte an die Fylgja, die mich aus ihrem Revier vertreiben wollte und mich biss, als ich sie tötete.

Ich dachte an die Nixe, die sich hilfesuchend an mich klammerte, ehe ihr eine Kugel in den Kopf gejagt wurde.

Und dann zog ich an der Zigarette, pustete gemeinsam mit dem Qualm auch all meine Zweifel aus mir heraus.

Es war richtig, was ich tat. Ich war zum Töten geboren worden. Das war unsere Aufgabe, unsere Bestimmung, die uns Hel auferlegt hatte. Sie war eine Göttin. Es musste richtig sein.

Noah hatte daran geglaubt. Noah hatte gewusst, dass es richtig war. Und Noah war gestorben.

Sie alle hatten ihn umgebracht. Jedes einzelne dieser göttlichen Biester war für seinen Tod mitverantwortlich.

Und deshalb mussten sie sterben.

Es musste so sein. So war es schon immer.

Ein melodischer Pfiff riss mich aus meinen Gedanken.

Mein Blick sackte nach unten und erkannte vor dem Haus eine im Gras stehende Person.

»Ist dir bewusst, dass Krieger nicht rauchen dürfen?«

Ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Mundwinkel nach oben bogen.

»Ist dir bewusst, dass um diese Uhrzeit Ausgangssperre ist?«, entgegnete ich und ließ ein wenig Asche auf Rowdy hinab regnen.

Seine strahlendweißen Zähne blitzten im weißen Mondlicht, als er zu grinsen begann und sich durch das dunkle Haar fuhr. Dieser Typ hatte mich bisher zwar bei jeder unserer Begegnungen schrecklich genervt, doch allmählich hatte ich Gefallen an unseren Zänkereien gefunden – und an seinem hübschen Anblick.

»Wie wäre es, wenn wir zusammen eine rauchen gehen würden? Dann könnten wir gemeinsam die Regeln brechen.« Er wischte sich die Locke aus der Stirn, die soeben zurück geschnellt war.

Ich warf einen Blick zurück über meine Schulter zu Mony, die vergraben unter ihren Decken und Kissen nichts von alledem mitbekam.

Dann sah ich zurück zu Rowdy. Ich wusste nicht, wie er es anstellte, doch irgendetwas reizte mich an ihm.

»Ich gebe auch die erste Runde aus«, bot er an, da er mein Schweigen wohl als Zögern interpretierte und hob zur Veranschaulichung sein Zigarettenpäckchen.

Ich lächelte und drückte meine Kippe an der Hauswand aus, ehe ich das Fenster schloss.

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»Und ich habe fast befürchtet, dass du mich hier stehen lässt, wie bestellt und nicht abgeholt«, bemerkte Rowdy, als die Tür des Lagers hinter mir ins Schloss fiel und ich auf ihn zu zulaufen begann.

HUNTING: After You DiedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt