Kapitel 11

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Meine Füße flogen förmlich die Stufen der Kellertreppe hinunter.

In der einen Hand hielt ich meine Trinkflasche und in der anderen ein Handtuch. Ich hatte mich umgezogen und befand mich nun in der gängigen, enganliegenden und elastischen Sportkleidung.

Vor ein paar Minuten hatte die freie Trainingszeit angefangen, was bedeutete, dass man den Trainingsraum für selbstbestimmte Einheiten nutzen konnte, ohne, dass Shirley uns ein Training vorgab.

Seit der Auseinandersetzung zwischen Mony und mir waren mittlerweile ein paar Stunden vergangen und trotzdem fühlte ich mich noch unausgeglichen, aufgeputscht und rastlos.

Ich erhoffte mir durch ein wenig Kampfsport meine überschüssige Energie aufzubrauchen.

Als ich auf das Areal für Kickboxen zusteuerte, erblickte ich schon aus weiterer Entfernung wild umherfliegendes, blondes Haar.

Erst befürchtete ich, es könne sich bei der rastlos um sich tretenden Person um Audrey handeln, bis ich die vielen kleinen Tattoos auf Armen und Beinen erkannte.

Angel.

Wie angewurzelt blieb ich stehen und beobachtete, wie sie den Dummy mit gezielten Kicks von rechts nach links und vor und zurück schwanken ließ.

Ich schluckte.

Es war eine gefühlte Ewigkeit her, seitdem ich meine beste Freundin das letzte Mal gesehen hatte. Dabei war es erst drei Tage her. Seitdem war so viel passiert.

Und während ich sie so ansah, mit ihrem fokussierten, entschlossenen Blick, den Schweißperlen auf ihrer Stirn und dem verbissenen Ausdruck auf ihrem Gesicht, da vermisste ich sie unglaublich.

Ich wollte so gerne mit ihr reden. Über alles.

Als ich einen weiteren Schritt auf sie zu machte, hielt Angel plötzlich inne und schwenkte den Kopf.

Ihre braunen Augen fanden mich.

Angespannt analysierte ich ihre Körpersprache, ihre Haltung, die Mimik. Und auch sie schien nicht so recht zu wissen, was sie mit meinem Auftauchen anfangen sollte.

Sie ließ ihre Arme schlaff zu beiden Seiten abfallen und legte den Kopf ein wenig schief. Prompt fielen ihr einige feuchte Strähnen ins Gesicht.

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen – was genau, wusste ich nicht, aber irgendetwas musste ich sagen. Auch wenn es nur ihr Name wäre.

Doch bevor ich den ersten Laut aus meinem Mund bekam, wandte Angel den Blick ab und begann sich die Bandagen von den Händen zu wickeln.

Enttäuscht sackten meine Schultern nach vorne. »Angel ...«, begann ich trotzdem, doch sie hob abwehrend eine Hand und lief an mir vorbei.

»Bitte, gib mir wenigstens die Chance mich bei dir zu entschuldigen«, bat ich und kam ihr ein paar Schritte nachgelaufen.

Angel blieb tatsächlich stehen, doch ihre Schultermuskulatur verspannte sich.

Nervös knetete ich meine Finger.

Sie sah über ihre rechte Schulter zu mir zurück. In ihrem Gesicht lag kein wütender Ausdruck, bloß Kraftlosigkeit. »Du hattest die Chance, Jordan«, sagte sie. Auch aus ihrer Stimme waren keine Emotionen hörbar. »Noch habe ich nicht die Kraft, dir eine zweite zu geben.«

Mit diesen Worten wandte sie sich endgültig ab und verließ zielstrebig, aber nicht gehetzt diese Ecke der Trainingshalle.

Resigniert ließ ich die Arme baumeln. Das hatte ja super funktioniert.

HUNTING: After You DiedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt