7. Kapitel: Ghost - Dance Macabre

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Nach dem Essen gingen wir in Richtung des Kinos, welches im hintersten Teil des Einkaufszentrums gelegen war. Wieder schloss sich entspannte Konversation an, was sich so natürlich anfühlte, als ob wir uns seit Jahren kannten.

An der Kasse wählten wir einen Actionfilm und gingen mit den Karten in der Hand zum entsprechenden Kinosaal. Vor Beginn der Trailer besprachen wir die anderen Filme, in denen die Schauspieler mitgespielt hatten und verglichen unseren Filmgeschmack. Als die Trailer begannen verfielen wir in Schweigen und richteten den Blick zur Leinwand. Im Saal waren nur eine handvoll Menschen. Kein Wunder, der Film war bald mit seiner Kinozeit durch und die meisten hatten ihn bereits die Wochen zuvor gesehen. Zudem lockte das schöne Wetter die Bewohner an den Strand von Horizon Bay und nicht in ein dunkles Kino.

Doch es hatte auch sein positives. Als der Held von einer Explosion davon stolzierte und einen knackigen Oneliner fallen ließ streichelte Josh sanft und unauffällig mit seinem Zeige- und Mittelfinger über meine Hand, die locker auf der Armlehne positioniert war. Nach einem überprüfenden Blick gab ich mir einen Ruck und ergriff seine Hand. Mit meinem Zeigefinger strich ich über seinen Handrücken, was ein wunderschönes Gefühl war. Nicht nur war seine Haut weich, diese Geste hatte auch etwas vertrautes und liebevolles, was ich schon lange nicht mehr verspürt hatte. Oder vielleicht sogar jemals?

Als der Film endete, natürlich hatte der Held gewonnen und die Bösewichte waren ins Gefängnis gewandert, hatte sich dieser Griff gelöst und wir waren aufgestanden ohne den Anschein zu erwecken, ein Date zu haben. Es hatte mir innerlich einen Stich versetzt. Wir lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert, auf keinen Fall sollte es Heimlichkeit erfordern wenn sich zwei Männer miteinander trafen. Wem machte ich etwas vor, ich konnte ja selbst nicht offen damit umgehen. Ich wünschte mir die Selbstsicherheit, ohne Alkohol zu meinen Gefühlen zu stehen. Aber soweit war ich noch lange nicht. Immerhin fühlte es sich so an, als könnte ich mit Josh diese Stufe erreichen. Als wäre er alle negativen Begleiterscheinungen wert.

Wir waren noch mit der cineastischen Analyse des Filmes beschäftigt, als Josh vorschlug, uns an eine der Sitzinseln Platz zu nehmen. Ich willigte ein und bequemte mich neben ihn.

„Das war ein schönes Date bis jetzt. Das Essen und der Film war super und die Begleitung ist auch äußerst angenehm", verkündete er und schenkte mir wieder ein aufrichtiges Lächeln.

„Danke, dass kann ich nur erwidern. Aber wir haben nicht mehr allzu viel Zeit, die Mall müsste bald schließen", erwiderte ich und sah mich um. Es waren deutlich weniger Menschen unterwegs im Vergleich zu Beginn unseres Treffens. Die Geschäftsleute waren zu Hause, es tummelten sich noch die Teenager, Pärchen und sonstige Nachtschwärmer durch die Gänge.

„Ach stimmt, das hatte ich fast vergessen", sagte er und blickte auf seinen Handybildschirm. „Wenn ich den heutigen Abend zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass von meiner Seite einem Sport-Date nichts im Weg steht."

„Von meiner Warte aus auch nicht", entgegnete ich mit Freude in der Stimme. Das war sowohl meine Hoffnung als auch mein Eindruck gewesen. Dem Audi A4 und Golden Retriever stand wegen mir nichts entgegen.

„Ich habe da aber nur ein Problem", eröffnete er und musterte mich mit unentschlossenem Gesichtsausdruck. An welchem Punkt hatte ich unser Treffen versaut?

„Das da wäre?", fragte ich vorsichtig.

„Du wirkst so, als wärst du nicht hundert Prozent bei der Sache. Als würde dich etwas innerlich hemmen und so sehr zurück halten, so dass du das Hier und Jetzt nicht genießen kannst."

„Josh, ich habe dir doch bereits erklärt, dass es für mich nicht einfach ist, offen mit meiner Sexualität umzugehen."

„Ja, weil du fürchtest, dass es negative Konsequenzen für deinen Job hat. Aber wenn keiner in der Nähe wäre, müsste es dir doch dann nichts ausmachen. Willst du mir sagen, dass wir in den Sanitäranlagen des Kinos hemmungslosen Sex hätten haben können, weil uns da niemand sehen würde? Ich weiß, ich sagte, dass mir öffentliche Zurschaustellungen von Liebesbekundungen zuwider sind. Ein wenig würde ich dies für die Zukunft aber schon wünschen. Wenn wir zusammen wären, würdest du mich vor deinem Umfeld verleugnen? Mit deinem Outing warten, bis wir heiraten?" Genau ins Schwarze, das war eigentlich mein Plan.

„Es ist nicht nur mein Job. Mein soziales Umfeld hat auch keine Ahnung davon, nicht mal mein bester Freund. In der Highschool hab ich es zwar schon gemerkt, aber Mädchen getroffen. Was natürlich nie geklappt hat und außer Händchen halten nichts passierte. Während meiner Ausbildungszeit konnte ich mit einer Dame sexuelle Eindrücke sammeln und es war nicht meines. In einem Urlaub konnte ich dann mal andere Erfahrungen mit einem Mann machen und wusste dann Bescheid. Meine Verlustängste sind sehr ausgeprägt. Ich bin nicht so stark wie du. Dir scheint nichts etwas auszumachen."

„Ich musste auch meinen Weg gehen. Bevor wir weitere Verabredungen eingehen, muss ich von dir wissen, ob du deinen Weg auch machen möchtest. Wenn ich auf ewig dein Geheimnis bin, will ich das nicht."

Getroffen biss ich mir auf die Unterlippe. Ich verstand, was er meinte. In mir stellte sich alles auf bei der Vorstellung, Hirai oder meinen Arbeitskollegen reinen Wein einzuschenken. Geschweige denn meiner Familie. Mein Gegenüber verstand es wirklich, die richtigen Knöpfe zu drücken, egal ob es die positiven oder negativen waren. Aber irgendwas an Josh ließ mich Zuversicht gewinnen.

„Nenn mich voreilig und vorschnell, aber tief in mir drinnen habe ich das Gefühl mit dir diesen Weg beschreiten zu können. Und nein, ich sage das nicht nur, weil das genau das ist, was du von mir hören musst um das hier fortzuführen", fügte ich noch hinzu aus Angst, meine Aufrichtigkeit nicht zu hundert Prozent kommunizieren zu können. „Aber du musst mir nachsehen, dass ich nicht sofort morgen der Welt das eröffnen werde."

Er musterte mich, ich fühlte mich elendig. Wie schnell die Stimmung doch umgeschlagen war.

„Ich glaube dir und merke, wie schwer dir das fällt. Und glaube mir, ich verlange nicht, dass du dich morgen mit einem Schild in dein Gym stellst und eine große Enthüllungsrunde startest. Aber ich will in Aussicht haben, dass wir uns dann nicht verstecken müssen. Babyschritte in Richtung offenes, ungezwungenes gemeinsames Leben."

Ich atmete tief ein und aus. „Wenn du mir mein Tempo lässt, kann ich dir das in Aussicht stellen."

„Gut, dann beweis es mir", sagte er.

„Wie denn? Soll ich zu diesen Teenies gehen und ihnen sagen ‚hey Kinder, ich bin schwul und tschüss'?", fragte ich entsetzt.

Er schüttelte den Kopf. „Küss mich. Jetzt, hier. Es sind kaum noch Leute da. Du darfst dich auch versichern, dass keiner deiner Mitglieder oder Freunde da ist."

„Du verlangst zu viel", entfuhr es mir unwillkürlich und ich wich kaum merklich zurück.

„Wenn du genau drüber nachdenkst, tue ich das nicht. Du hast hierbei kein Risiko, da keiner es mitkriegt, der für dich wichtig wäre. Ein Kuss, dann ist unser nächstes Date sicher."

Ich sah mich um. Niemand da, den ich kannte. Mein Fuß begann nervös zu wippen und meine Finger tippten aufgeregt auf das Polster der Sitzbank. Dann fuhr ich mir gestresst durch meine braunen Haare, mein Puls bestimmt auf neunzig.

„Sofern du dich überwinden kannst, mach es so, als ob dir alle Leute hier egal sind", fügte Josh hinzu. „Sieh es als Vorgeschmack für deine zukünftige Freiheit an." Er zwinkerte und schenkte mir wieder ein aufmunterndes Lächeln.

Ich atmete tief ein, sah mich erneut um. Dann legte ich meine rechte Hand an seine Wange, zog ihn zu mir und legte meine Lippen auf seine. Mit dieser Bewegung schloss ich die Augen und konzentrierte mich darauf, dass nur Josh wichtig war in diesem Moment. Zusammen mit meinen aufregenden Gefühlen für ihn. Meine Unterlippe schob sich leicht zwischen seine und ich erhöhte leicht den Druck. Es fühlte sich nach einer Ewigkeit an, als ich mich schließlich von ihm löste. Meine Augen blickten in seine, erwartungsvoll, erleichtert und beschwingt.

Er lächelte mich mit einem schiefen Lächeln an. Ein flüchtiger, unsicherer Blick zur Seite zeigte mir, dass es die Teenager nicht im Entferntesten juckte. „Okay, wann holst du mich für unser nächstes Date ab?"

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