„Mein Date war super, danke der Nachfrage", meinte ich zufrieden grinsend, als Elliot mich fragte. Ich hatte noch den restlichen gestrigen Tag bei Josh verbracht, bevor ich zu mir nach Hause gegangen war, von wo mich heute Früh wieder mein Partner abholte. Josh hatte sogar wieder sein Nutellaglas mit mir geteilt. Meiner Meinung nach stimmte zwischen Josh und mir die Chemie, was mir viel Hoffnung machte.
„Das hört sich so an, als ob alles gut läuft bei Jolene und dir. Bin mal gespannt, ob du sie mir mal vorstellen wirst oder ob sie für immer dein Geheimnis bleibt. Ich kann Arlene fragen, ob wir euch zu unserer nächsten Grillfeier einladen können. Da kommen ein paar der Kollegen, aber das sollte ja dann kein Problem sein, wenn ihr offiziell zusammen seid", meinte mein Partner und bog mit unserem Streifenwagen nach links in die Straße ein. Wir waren wieder auf Streife und es war Mittag. Unsere Schicht hatte vor einer dreiviertel Stunde angefangen und wir waren bisher nur durch die Gegend gefahren. Nach Smalltalk hatten wir uns doch wieder über mein Liebesleben unterhalten. Seine Frau war eine liebe Seele, doch die Vorstellung, mit Josh vor meinen Kollegen aufzukreuzen versetzte mir einen innerlichen Stich.
„Dafür müssen wir ja auch erstmal offiziell ein Paar werden", murmelte ich versöhnlich.
Bevor wir das weiter ausführen konnten, kam ein Funkspruch rein.
„Bitte alle Einheiten melden, die in der Nähe des städtischen Krankenhauses Horzion Bay sind", lautete entsprechender Spruch. Ich meldete mich daraufhin, da wir gerade an dem Gebäude vorbei gefahren waren.
„Streife 75 hier, was ist los?"
„Seid ihr in der Nähe? Dann müsstet ihr bitte mal freundlich in die Notaufnahme schneien. Wir haben die Meldung bekommen, dass ein Verdächtiger oder Zeuge in dem Apothekenfall Hilfe im städtischen Krankenhaus gesucht hat Sonntagmorgen. Ich weiß, nervig, aber egal. Ihr kriegt von der Leitstelle die Infos geschickt", meinte mein Kollege.
„Haben wir einen Namen?", hakte Elliot ein.
„Nicht ganz. Eine Dame hat Anzeige erstattet und die Beschreibung des Kerls passt zu einem Patienten, der wegen Stichverletzungen in der Notaufnahme war. Der Überfall war aber zeitlich und örtlich in der Nähe der Apotheke, die Samstagnacht ausgeraubt wurde. Chief will eine freundliche Unterredung, wenn der Kerl sowieso schon wegen der Dame befragt werden soll."
Elliot wendete während ich eine Personenbeschreibung durchgegeben bekam. Zu unserem Glück war direkt gegenüber dem Eingang ein Parkplatz frei. Besonders hier in der Umgebung des Krankenhauses war das selten der Fall.
Wir stiegen aus, sperrten den Wagen ab und machten uns auf den Weg. Vor dem Krankenhauseingang waren vier mittelgroße Bäume in kleinen Grünflächen gepflanzt, welche in der Mitte einen Durchgang zur Türe ließ. Die elektrische Schiebetür wurde von einem kleinen Vordach geschützt, welches von vier Betonsäulen getragen wurde. Drei Betonstufen bereiteten den Weg zur Schiebetüre, hinter welcher sich im Innenraum weitere Stufen nach oben führten. Wir beschritten diese und desinfizierten unsere Hände am Ende der Treppe. Es war hier schließlich immer noch ein Krankenhaus, in welchem Fremd- und Eigenschutz angesagt war.
Durch eine weitere Schiebetür hindurch war auf der rechten Seite ein großer Informationsbereich. Elliot ging voran und klopfte begrüßend auf den Tresen.
„Ich wünsch einen Angenehmen. Mein Kollege und ich sind dienstlich hier. Wir benötigen Angaben und Daten aus der Notaufnahme von Sonntagmorgen. Wurde auch eine Meldung an uns abgesetzt. Wo finden wir denn den Diensthabenden oder jemand, der uns da helfen kann?", kündigte er an und zeigte seinen Dienstausweis.
Ein älterer Herr links neben uns im Arztkittel räusperte sich. Er hatte graue Haare, eine runde Brille auf der Nase und war untersetzt. Unter seinem Kittel trug er einen roten Pullunder mit weißem Hemd und einer ockerfarbenen Kordhose.
„Das wäre dann meine Wenigkeit schon direkt. Professor Doktor Turing-Sheffield, aber Doktor Turing reicht. Wie kann ich Ihnen helfen?", meinte er freundlich, klappte die Akte zu, die er am Tresen durchgesehen hatte und musterte uns erwartungsvoll. Er wirkte zwar nett, aber auch ein wenig aufgeblasen. Gut, wenn ich akademische Titel hätte, würde ich das vielleicht auch an die ganz große Glocke hängen. Auf seinem Namensschild waren noch weitere Titel aufgeführt. Doch man konnte ihm keine Überheblichkeit nachsagen.
„Dann wünsch ich Ihnen einen schönen Tag Doktor Turing. Folgendes: Wir haben von Ihrer Notaufnahme die Meldung bekommen, dass am Sonntagmorgen eine Stichwunde versorgt wurde. Wir benötigen weitere Angaben, weil Ihr Patient zur Vernehmung muss. Welcher Arzt war denn an diesem Tag der Behandelnde?"
Doktor Turing rollte mit den Augen. „Ich glaube, ich weiß schon um welchen Patienten es hier geht. Aber für weitere Angaben muss ich sie an Doktor Burnley und Schwester Carson verweisen. Kommen Sie mit, ich bringe Sie gleich mal zu den beiden. Wie es der Zufall so will, haben beide heute Schicht. Sie wissen aber, dass wir aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nur zu gewissen Sachen Stellung nehmen können, oder?"
Elliot nickte. „Keine Sorge, das haben wir auf dem Schirm."
Wir folgten dem kleinen Mann, vorbei an der Kantine, welche den typischen Geruch nach Krankenhausfraß verströmte über den Wartebereich der Notaufnahme in Richtung der Behandlungszimmer. Der Bereich mit den noch zu behandelnden Patienten war erstaunlich leer, ich zählte noch fünf Personen. Aber was erwartete ich auch von Mittwochmittag?
Im Behandlungsbereich wuselten mehrere Weißkittel aufgeregt durch die Gänge und Zimmer gefolgt vom Pflegepersonal. Wir steuerten eine Art Stationszimmer in der Mitte des Großraumes an. Eine lange L-förmige Theke stellte wohl den Dreh- und Angelpunkt der Notaufnahme dar. Es gab zwar abgeschlossene Zimmer, doch auch einen offenen Bereich, in welchem die Liegen nur mit Trennwänden abgeteilt werden. Insgesamt wirkte aber die Notaufnahme freundlich, da neben einem schwarzen Vinylboden an den Wänden helle Holzplatten abgebracht waren und alle Beschriftungen in einem Grasgrün erfolgt waren.
„Ah, einen wunderschönen guten Tag Ellora, Sie sehen wieder aus wie der junge Morgen", flötete Doktor Turing einer Krankenschwester in blauen Krankenhausklamotten entgegen, welche hinter einer der Theken im Stationszimmer saß. Sie war vielleicht im Alter von Elliot, von dunkler Hautfarbe und trug einen strengen Dutt. Doch ihr Gesicht zierte ein freundliches, geschmeicheltes Lächeln. Von so einer Pflegekraft würde man gerne behandelt werden, strahlte sie doch Verständnis, Ruhe und Sympathie aus.
„Doktor Turing, Sie alter Charmeur. Kommen Sie herum und holen Sie sich etwas aus der Süßigkeitenschublade, habe heute frisch aufgefüllt. Und Sie haben mir zwei Männer in Uniform mitgebracht, womit habe ich das verdient?", fragte sie und musterte uns beide mit einem kurzen Seitenblick. Männer in Uniform, ich spürte förmlich die Schamesröte meine Wangen einfärben.
„Meine Herren, Schwester Carson. Sie hat mit Doktor Burnley die Behandlung durchgeführt. Es geht um den Patienten von Sonntagmorgen. Der Patient", fügte er bedeutungsschwanger hinzu.
„Der Paradiesvogel?", hakte Miss Carson nach. Turing nickte, was ihr ein genervtes Seufzen entlockte. „Dann hole ich mal den Doktor hierher."
Sie stand auf und ging in Richtung der hintersten Liege, während wir uns wieder an Doktor Turing wendeten.
„Und Sie waren noch gleich?", fragte dieser nach.
„Officer Dawson und das ist mein Kollege Officer Halset, direkt vom Horizon Bay Police Department. Bei euch ist ja gerade nicht viel los", meinte Elliot und deutete auf die Notaufnahme.
Turing klopfte schnell auf den Tresen und lachte auf. „Bitte beschreien Sie es nicht. Wir sind froh, wenn es mal so aussieht." Hinter uns hörte ich Schwester Carson rufen ‚Hey Yoshi, dein Typ wird verlangt. Der Paradiesvogel hat wohl Scheiße gebaut.'
Als ich die Schritte hinter uns hörte, drehte ich mich um und erhielt fast einen Herzinfarkt. Vor mir stand neben Carson der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte, Josh.
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Shot At The Night
Tajemnica / Thriller"Mit Zuckerschnecke kriegt er sie aber nicht rum." Während Yaron auf einer Strandparty die Flirtversuche seines besten Freundes kommentiert bleibt das bei Josh nicht unbemerkt. Was mit einer flüchtigen Begegnung beginnt, endet in einem One-Night-Sta...