„Du wirst es nicht glauben, aber Jolene und ich hatten schon unseren ersten Streit", erklärte ich Hirai am Telefon, als ich in grauer Jogginghose und schwarzem T-Shirt auf meiner Couch lag.
„Um was ging es? Es hörte sich so paradiesisch zwischen euch an", meinte er und ich hörte, wie er im Hintergrund in der Küche werkelte. Bestimmt kochte er gerade wieder seinen heiß geliebten gebratenen Reis mit Ei und ich war zwischen Schulter und Wange eingeklemmt.
„Ach, wir waren nicht ganz ehrlich zu einander. Hab sie auf der Arbeit besucht, da kam es auf. Aber wir konnten es vorerst klären und die Sache ist in Versöhnungssex geendet. Ist das nicht dieses eine Detail, auf welches du immer so erpicht bist?", scherzte ich und wartete auf einen schlagfertigen Konter.
Zuerst schwieg er, antwortete dann: „In welchem Restaurant arbeitet sie gleich noch mal? Dann geh ich da nicht mehr hin, wenn es das Personal hemmungslos in der Küche treibt. Weiß das der Lebensmittelkontrolleur oder OSHA?"
Ich lachte laut auf. Wie sollte das die Arbeitssicherheit mitbekommen? „Sie arbeitet nicht in einem Restaurant. Das war mitunter einer der Punkte. Aber ich habe auch nicht erzählt, Polizist zu sein."
„Du bist nicht damit hausieren gegangen, ein Mann in Uniform zu sein? Wenn ich nicht Banker geworden wäre, hätte ich auch Polizist gemacht um den Uniformsjoker zu ziehen um mir Ladies zu klären", gab Hirai zu.
„Ich weiß, du hast mich mehr als einmal gefragt, ob ich dir meine leihe", seufzte ich auf.
„Und nie hast du ja gesagt", bemängelte Hirai anklagend.
„Themenwechsel, bitte. Wie läuft es mit dir und Nolee?"
„Gut, vielleicht wird das auch etwas. Wir müssten unbedingt an meiner Sportlichkeit arbeiten, ich schäme mich richtig, wenn sie davon erzählt, zwei Stunden pro Tag ins Fitnessstudio zu gehen."
„Es gibt ja auch noch andere Dinge, auf die es ankommt", warf ich ein. Wobei ich mir nicht sicher war, wie viel Redeanteil in ihren Treffen wirklich dabei war und wie viel deren Bett einnahm.
Es klingelte an meiner Türe und riss mich plötzlich aus meinem Gespräch, sodass ich fast von meiner Couch flog. „Hirai, ich muss auflegen, Besuch."
„Na dann viel Spaß", schmunzelte mein bester Freund und ich drückte auf den roten Knopf des Displays.
Schnell lief ich zur Wohnungstüre, atmete tief ein und aus, nahm den Hörer der Gegensprechanlage in die Hand.
„Hallo?", fragte ich.
„Hey, ich bin's, in welchen Stock muss ich?", ertönte Joshs Stimme, Musik in meinen Ohren.
„Vierter", antwortete ich knapp und drückte den Türöffner. Sogleich hörte ich Schritte, die immer näher kamen, bis letztlich mein hoffentlich bald Freund vor mir stand. Er trug eine lockere Bluejeans mit einem T-Shirt, welches einen weiß-schwarz Farbverlauf hatte. An ihm sah es so aus, als wäre es einfach sich gut anzuziehen. Noch ein Grund, warum mein Kleiderschrank aus einer groß angelegten Farbpalette von schwarz, grau, blau und dunkelgrün bestand. Ihn in Jeans zu sehen ließ mich kurz hadern, so wie ich in meiner gammeligen Jogginghose vor ihm stand.
Mit ausgestrecktem Arm winkte ich ihn in meine Wohnung, das erste Mal, dass jemand außer Hirai und mir hier war. Er ließ den Blick schweifen, stieß dann einen anerkennenden Pfiff aus.
„Du hast es sehr schön hier, wirklich. Dann können wir in Zukunft gerne immer zu dir gehen", lachte er auf, wandte sich an mich und küsste mich zur Begrüßung mit einem ausgedehnten Kuss.
„Wegen mir gerne, aber ich mag deine Wohnung auch sehr. Es tut mir Leid, dass ich dich so unpassend begrüße und mich dem Feierabendoutfit hingegeben habe", meinte ich daraufhin. Nicht das er das Gefühl bekam, er wäre mir keine Jeans wert.
„Kein Thema, ich kann sowieso nicht so lange, habe heute Abend noch etwas vor. Treffe mich mit einer Freundin im Kino", meinte er und legte den Kopf schief, als würde er dieses Treffen lieber absagen wollen.
„Das ist voll okay, ich freue mich, wenn du dich mit Freunden triffst. Du meintest ja, dass du da nicht so gut aufgestellt bist."
Er zog einen Mundwinkel nach oben. „Da hast du Recht. War schon länger geplant, von daher keine Chance abzusagen."
Ich deutete auf meine Couch und wir nahmen Platz.
„Selbst auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, aber wir können gerne das Gespräch von heute Mittag fortsetzen. Sollen wir uns näher kennen lernen, um dir deine Entscheidung zu erleichtern oder was stellst du dir so vor?", meinte ich enthusiastisch.
Josh hob die Schultern. „Keine Ahnung, einfach Zeit verbringen."
Ich verzog mein Gesicht zu einer fragenden Schnute. „Das hilft mir jetzt nicht wirklich weiter. Aber okay, ähm, hast du Geschwister? Wie lange studierst du schon? Bist du hier in Horizon Bay geboren?"
„Können wir nicht einfach Sex haben? Ich will nicht über meine Vergangenheit geschweige denn über mich selbst reden", meinte er und wich meinem Blick aus.
„Ich habe jetzt nicht viel Erfahrung in solchen Dingen, aber so lernen wir uns nicht wirklich besser kennen. Aber ich respektiere deine Entscheidung. Also ich bin nicht von hier, bin hier nach meiner Polizeiausbildung hergezogen."
„Ah, okay. Hätte gedacht, dass du von hier kommst", erwiderte er. Ich spürte, wie er angespannt versuchte den Smalltalk laufen zu lassen. Wieso war er so verkrampft?
„Gibt es irgendwelche lustigen Geschichten aus dem Medizineralltag?", schlug ich vor.
Er lachte laut auf. Volltreffer. „Eher eklige Erzählungen. Du weißt nicht, was man in der Notaufnahme so alles mitbekommt. Eine Dame hatte einen Tampon vergessen und wäre fast an einer Sepsis drauf gegangen."
Ich sah ihn entgeistert an. „Wie kann man so was vergessen? Also, ich habe da ja keine Ahnung von, aber merkt man das nicht?"
Josh hob die Schultern. „Anscheinend nicht. Passiert häufiger als du denkst. Keine schöne Angelegenheit."
Er sah mich müde an, drehte sich und legte sich auf meine Couch, Kopf in meinen Schoss. „Sorry, dass ich so ungesprächig bin. Bei dem Punkt waren viele Kerle schon längst verschwunden und tiefer als ein paar Schäferstündchen gingen die Treffen nicht. Und nachdem du gegangen bist, kamen viele Patienten zu uns und ich musste zudem noch Ellora Rede und Antwort stehen. Sie könnte bei der CIA arbeiten, so wie sie Informationen ausquetschen kann."
„Was hast du ihr erzählt? Nicht, dass ich neugierig bin oder etwas befürchte aber dabei hab ich ein Ziehen in der Magengegend", gestand ich.
„Das ich dir einen geblasen habe und zum Dank eine runter geholt bekam während ich mit Verbandszeug gefesselt war?", fragte er rhetorisch. Er musste die aufkeimende Panik in meinen Augen gesehen haben, da er in schallendes Gelächter ausbrach. „Keine Sorge, sie weiß nur, dass wir es noch mal versuchen und wir intim waren. Auch, dass du nicht geoutet bist und es vorerst auch nicht öffentlich machen kannst, weil Polizist. Und ich soll dir ausrichten, dass wenn du mir mein Herz brichst, sie dir etwas ganz anderes brechen wird. Sie meinte, sie hat eine neun Millimeter und einen Klappsparten im Kofferraum. Bitte überprüf das nicht polizeilich."
Ich musste grinsen und begann durch seine Haare zu streicheln und zu kraulen. „Keine Sorge, das ist nicht mein Ansinnen."
So saßen wir noch längere Zeit, unterhielten uns über Musik. Es traf sich gut, da Josh wohl ein verkappter Emo war und ich dem Rock zugetan. Da gab es eine verträgliche Schnittmenge. Schließlich verabschiedeten wir uns und ich ließ mich beschwingt ins Bett fallen, ausgelaugt vom heutigen Tag.
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OSHA = Occupational Safety and Health Administration (sowas wie das USA Pendant zur Arbeitsicherheit/Gewerbeaufsichtsamt in Deutschland)
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Shot At The Night
Mystery / Thriller"Mit Zuckerschnecke kriegt er sie aber nicht rum." Während Yaron auf einer Strandparty die Flirtversuche seines besten Freundes kommentiert bleibt das bei Josh nicht unbemerkt. Was mit einer flüchtigen Begegnung beginnt, endet in einem One-Night-Sta...