22. Kapitel: Dead Poet Society - .CoDA

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Eine bestimmte Route hatte ich mir nicht zu Recht gelegt. Planlos war ich einfach drauf los gelaufen, meine üblichen Strecken im Hinterkopf. Die Nacht war sternenklar, kein Wölkchen am Himmel. Die Straßenlaternen spendeten nur spärliche Helligkeit, da sich die Lichtkegel nicht überlappten. So viel zum Thema Sicherheitsgefühl bei Nacht.

Locker lief ich durch die Hauptstraße bis ich unterbewusst die Richtung zur Mall im Stadtkern anvisierte. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war dies eine angenehme Strecke, doch zu Fuß zog sich der Weg. Kein Wunder, dass Josh bei unserer Verabredung außer Atem und zu spät war.

Mein Weg führte mich durch Nebenstraßen an parkenden Autos und dem lokalen kleinen Einzelhandel vorbei. Zwischen Geschäften wie Woll- und Stoffbedarf, Gartengeräte, Konditoreien und Pizzalieferdiensten führten kleine Gassen auf die Rückseite oder Innenhöfen von Wohnblöcken, die über den Gewerben gebaut waren. Es war erstaunlich ruhig, normalerweise hätte ich mehr betrunkene Passanten erwartet. Hier und da war ein schlaftrunkenes Herrchen mit seinem vierbeinigen Begleiter auf nächtlicher Toiletten Gassi Runde unterwegs und hinterfragte sein Haustier. Oder Teenager Grüppchen machten sich auf den Weg zur nächsten Feierstätte.

Neben einem Herrenausstatter blieb ich stehen und verschnaufte kurz. Ich zog mein Handy hervor, welches mir verriet, dass wir bereits halb zwölf hatten. Da konnte ich noch gut joggen gehen und peilte an um Mitternacht spätestens zu Hause zu sein. Nach einer kurzen Dusche würde sich dies gut mit meinen zu Bett geh Plan ergänzen. Ich streckte mich ausgiebig und setzte gerade dazu an wieder los zu laufen, als mir etwas ins Auge stach. Peripher nahm ich links neben mir etwas wahr, was mich stutzig werden ließ.

Gegenüber dem Herrenausstatter war eine Apotheke ansässig, ich meinte einen kurzen Lichtstrahl durch das Schaufenster gesehen zu haben, welcher sich wie eine fallen gelassene Taschenlampe verhielt. Hatte ich mir das eingebildet? Unschlüssig stand ich auf dem Gehsteig, kratzte mich am Hinterkopf. War das Wunschdenken? Ich verzog nachdenklich mein Gesicht. Mein Bauchgefühl verlangte von mir, der Sache auf den Grund zu gehen. Wie hatte Elliot so schön gesagt? Die Intuition war eines der wichtigsten Werkzeuge der Polizisten. Wem schadete es auch, wenn ich durch die kleine Gasse zur und hinter der Pharmazie die Gegend erkundete?

Lässig joggend überquerte ich die leere Straße und wechselte auf der anderen Seite in ein pirschendes Schleichen. Sollte sich jemand an der Apotheke zu schaffen machen, wollte ich die Person selbstverständlich nicht auf mich aufmerksam machen.

Der Lichtstrahl war nicht mehr zu sehen, kein Grund nicht misstrauisch zu sein. Bedächtig umrundete ich das Gebäude und fand mich vor einem hohen Drahtzaun wieder. Hinter der Umzäunung befanden sich Mülltonnen und Kartons, welche nicht zerkleinert wurden. An der Hinterseite waren eine Türe und ein Fenster, an letzterem ein Gitter befestigt. Fast hätte ich die Angelegenheit als Hirngespinst abgetan, bis mir auffiel, dass das Vorhängeschloss welches das Gitter an der Mauer befestigte lose an der Öse hing. Jemand hatte das Schloss geöffnet und das Gitter wieder an das Fenster gezogen. Komisch und kein normaler Anblick. Fast wollte ich mein Handy in die Hand nehmen um Elliot eine Nachricht zu schicken, was seine Meinung war, als mich ein Geräusch inne halten ließ. Das Fenster wurde von innen geöffnet. Schnell ging ich in Deckung. Die Helligkeit meines Displays würde mich in dieser Situation verraten. Vielleicht machte auch jemand nur spät nachts Inventur? Ich wollte nicht meine Kollegen für nichts und wieder nichts auf den Plan rufen.

Vorsichtig lugte ich um die Ecke und sah, wie sich eine schwarz gekleidete Gestalt aus dem Fenster schälte, nachdem sie das Gitter beiseite geschoben hatte. Auf dem Rücken befand sich ein ebenfalls schwarzer Rucksack, welcher schwer nach unten hing. Jackpot.

Die Person wandte sich leichtfüßig dazu zu gehen, gerichtet auf das Tor im Drahtzaun. Dort durchgeschritten sah ich meine Chance.

Mit schnellen Schritten schloss ich zu dem Einbrecher auf, stellte mich neben ihn und meinte: „Was wird das, wenn es fertig ist?"

Die Gestalt zuckte erschrocken zusammen, zwei braune Augen starrten mich fassungslos an. Es war definitiv ein Mann, so groß wie ich und vollkommen dunkel gekleidet. Genauso wie er von dem Paradiesvogel beschrieben worden war. Bingo, ich hatte meinen Übeltäter gefunden. Das Mondlicht und die kurze Entfernung ließen mich den entgeisterten Blick in seinen Augen erkennen.

Mit einem Satz fing er sich und sprintete nach vorne.

„Horizon Bay Police Department, Sie sind verhaftet! Bleiben Sie stehen", rief ich laut. Die Gestalt lief ungerührt weiter, ich nahm die Verfolgung auf. Als ob jemals auch nur eine Person stehen geblieben war, wenn ich sie dazu aufgefordert hatte. Flucht nach vorne.

Der Typ war gut, aber ich aufgewärmt und in Sportklamotten. Mit viel Mühe hatte ich aufgeschlossen und stürzte den Täter im vollen Rennen zu Boden. Wir beide gingen zu Grunde. Ich landete weich auf dem Mann unter mir, er hatte da weniger Glück. In unserem Gewusel konnte ich nichts Genaueres erkennen, bezweifelte aber, dass die Zeit für eine vollständige reflexartige Abwehrhaltung gereicht hatte.

„Was ist an stehen bleiben so schwer zu verstehen?", keuchte ich genervt auf. Der Kerl wand sich unter mir und konnte mich mit einem Ruck abwerfen. Doch ich war nicht bereit klein bei zu geben. Wieder stürzte ich mich auf ihn, versuchte ihn zu Boden zu ringen. Ich meinte seinen Kopf auf den Asphalt knallen zu spüren. Mittlerweile lag er auf seiner rechten Seite, versuchte mich abzuschütteln. Mit seinen Füßen schob er sich auf dem Boden mit zweifelhaftem Erfolg. Ich bereitete mich mental auf einen Kampf vor, doch alle Versuche des Kerls wirkten halbherzig. Bestimmt hätte er den ein oder anderen guten Treffer landen können, doch er drückte und schob mit seiner Hand an meiner Schulter. Unser Aufeinandertreffen lief nicht wie ein geordneter Kampf, mehr Abwehr- und Panikreaktionen des Einbrechers. Mit seinem Ellbogen schlug er gegen meine Brust, was mich aus der Fassung brachte. Der Schlag war nicht fest gewesen, brachte mich aber durch seine Unerwartetheit aus dem Konzept. Leider reichte diese Zeit um sein eines Bein frei zu bekommen, welches er mit einem Tritt in meinem Bauch versenkte. Ich keuchte auf und kippte nach hinten. Da hatte er sich mehr ins Zeug gelegt. Im Sekundenbruchteil war er aufgesprungen und machte sich daran davon zu laufen. Nicht mit mir.

Ich tat es ihm gleich, richtete mich auf und lief hinterher. Sein Weg ging durch engere Gasse mit reichlich Unrat, als ich ihn einholte griff ich nach dem Rucksack und packte an. Durch seine unfreiwillige, abrupte Bremsung knallte er gegen die Wand links neben uns. Doch er wollte seine Beute nicht zurück lassen, drehte sich mit einem Ruck um und stieß mich energisch von sich weg. Ich taumelte und stolperte über eine Kiste, welche ich nicht gesehen hatte. Erneut gab er Fersengeld. Schnaufend und keuchend rappelte ich mich auf, versuchte ihm zu folgen. Als ich die Gasse verließ und wieder auf der Straße war, sah ich mich um. Von dem Einbrecher war keine Spur mehr. Es gab aber auch zu viele Versteckmöglichkeiten. Oder er hatte bereits einen Fluchtplan in seinem Ärmel gehabt. So oder so nahm ich mein Handy und rief in der Zentrale an. Vielleicht konnte ich mit mehr Verstärkung noch etwas reißen.

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Shot At The NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt