32. Kapitel: Blue Stahli - Corner

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„Dich bedrückt doch irgendwas. Das rieche ich zehn Meter gegen den Wind", erklärte Elliot, während er den Blinker setzte und rechts abbog. Wir waren auf Streife und patrouillierten durch die Straßen von Horizon Bay.

„Ist es so offensichtlich?", meinte ich gequält. Hirais Worte waren noch immer vor meinem geistigen Auge präsent. Josh einfach darauf ansprechen, ob er der Tippgeber war. Natürlich. Nichts leichter als das. ‚Na Schatz, wie war dein Tag? In der Notaufnahme Leben gerettet? Ach ja, kann es sein, dass du Komplize eines Einbrechers bist? Reich mir doch auch gleich noch dein Nutellaglas, wenn du schon dabei bist.'

„Ich kenne dich mittlerweile ziemlich gut Yaron. Du hast etwas auf dem Herzen. Wenn du nicht willst, musst du nicht. Aber falls du es loswerden möchtest, habe ich immer ein offenes Ohr für dich."

Ich seufzte. „Es ist kompliziert. Über meiner Beziehung schwebt eine riesige Gewitterwolke. Eigentlich müsste ich Jolene etwas Wichtiges fragen, habe aber extrem Angst vor ihrer Reaktion und weiß nicht, wie ich es ansprechen soll."

Mein Partner schob seine Sonnenbrille den Nasenrücken hoch und verfolgte aufmerksam den Verkehr. „Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte eine Ahnung zu haben, in welche Richtung dein Kernproblem geht."

„Jetzt machst du mich neugierig", flüsterte ich angespannt. Roch er den Braten? Mein Hauptproblem war äußerst delikat und auch ziemlich speziell.

„Kann es sein, dass deine Jolene ein Johnny ist?", sagte er, völlig unverblümt. „Und dein Problem im Outing steckt?"

Ich saß auf dem Beifahrersitz, überfahren. Mein Herz hatte einen schmerzhaften Satz gemacht und den Puls rasant beschleunigt. Als ob mein Hirn laut nach mehr Schub aus dem Maschinenraum gefragt hätte. Wie zum Teufel? Woher? Alle Sicherungen waren rausgeflogen, ein klares Denken unmöglich. Und eine eloquente, ausweichende Antwort in die Ferne gerutscht. Ich starrte ihn nur von der Seite an, ungläubig.

Er räusperte sich. „Da nehme ich dich doch mal bei deinem nicht gesprochenen Wort und werte dies als ein ja. Auch wenn Schweigen keine Einwilligung bedeutet, sehe ich die Sache mal als bestätigt."

„Wirst du es den anderen sagen?", fragte ich mit zitternder Stimme. Woher kamen diese Worte? Mein Mund hatte sie einfach ausgespuckt, ohne auch nur ein wenig Rücksprache mit dem Rest meines Körpers zu halten.

„Das du schwul bist? Wüsste nicht, was die das angeht. Wenn du es erzählen willst, wirst du das selbst tun", erläuterte er und legte seinen Blick auf ein verdächtig aussehendes Pärchen am Straßenrand.

Nervös biss ich mir auf die Unterlippe, schloss die Augen und wippte mit meinem rechten Fuß. „Woher weißt du es?"

Er lachte auf. „Ach Yaron, als Polizist hat man ein Gespür für Menschen. Außerdem gibt es ein paar rote Flaggen bei dir. Du erzählst gerne ausführlich und überschwänglich. Zu deiner Freundin kamen aber nie wirklich viele Infos oder Details. Und du hältst dich bedeckt sie mir vorzustellen oder mit zu unseren Grillfeiern zu nehmen. Als ob sie ein Geheimnis wäre. Aber so wie du dich verhältst existiert sie wirklich. Das merkt man an deiner Art und Weise wie du über sie sprichst, wenn du mal über sie redest. Da muss etwas anderes dahinterstecken, nämlich, dass sie ein er ist."

Langsam gewann ich meine Fassung zurück, starrte ihn aber weiter an. „Ist das ein Problem für dich? Ich könnte es verstehen, wenn du Partner wechseln willst."

Plötzlich machte Elliot einen Schlenker in eine Parkbucht und kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. „Wie bitte? Dir muss ich wohl mal ordentlich den Kopf waschen! Für wen hältst du mich? Natürlich ist mir das egal, was du für eine sexuelle Orientierung hast. Gott, Yaron, ich muss dich nicht heiraten. Als ob das irgendwas zwischen uns ändern würde. Du bist noch genauso grün hinter den Ohren und mein Partner wie vorher. Nur mit dem Unterschied, dass du jetzt vielleicht vollkommen ehrlich mit mir sein kannst."

Dabei sah er mich durchdringend an, nachdem er seine Sonnenbrille ausgezogen hatte. Dann setzte er sie wieder auf und reihte sich in den Verkehr ein. Ich hörte ihn immer wieder murmeln, von wegen wie ich ihn nur für intolerant halten kann.

Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Dieser Mann war schließlich auch ein wichtiger Teil meines Lebens. Von ihm Rückendeckung und Fahrtwind zu erhalten bedeutete mir viel.

„Ist es dieser merkwürdige Hirai, der dir mal Kaffee in die Arbeit gebracht hat?", fragte Elliot beiläufig.

„Nein, der ist nur mein bester Freund. Aber er weiß es nicht. Keine Ahnung wie er reagieren würde."

„Kenne ich Jolene oder habe ich ihn schon mal getroffen?", hakte er weiter nach.

Ich hob die Schultern. „Vielleicht hast du ihn im Krankenhaus mal gesehen." Josh direkt benennen wollte ich nicht. Vor allem nicht, nachdem Elliot ihn als ‚den Arschlocharzt' betitelt hatte.

„Na dann bin ich mal gespannt, ob ich Jolene jemals kennen lernen werde. Sollten wir mal ein Barbecue nur zu viert veranstalten, würde ich mich freuen, ihn zu treffen", sagte Elliot und hörte sich fast ein wenig verlegen an.

Eine peinliche Stille legte sich über den Innenraum.

„Was ist, wenn Jolene etwas mit den Einbrüchen zutun hat? Krankenhauspersonal und so. Ich habe Angst davor, das anzusprechen."

„Du kennst ihn besser als ich. Aber an sich würde ich es vielleicht einfach ansprechen. Ohne Anschuldigung. Einfach nur ein freundliches ‚hast du da mal etwas mitbekommen?'. Ich denke mal an seiner Reaktion wirst du schon bemerken, was Phase ist", schlug mein Partner vor.

An sich der gleiche Rat wie Hirai erteilt hatte. Mit mehr Hintergrund. Elliot hatte Recht. Je nachdem, wie Josh reagierte, konnte ich bestimmt ablesen oder zwischen den Zeilen lesen. Sofern es etwas zwischen den Zeilen zu lesen gab. Was ich inständig nicht hoffte.

„Vielleicht sollte ich das wirklich tun. Unauffällig mit der Türe ins Haus fallen", fasste ich zusammen.

Mein Partner tippte mir auf mein linkes Knie. „Und damit das klar ist. Sollte dieses Gespräch in die Richtung gehen, die wir beide nicht hoffen, erwarte ich von dir die richtige Entscheidung. Dieses Gespräch hier zwischen uns hat es niemals gegeben. Oder zumindest nicht den letzten Teil. Fühl ihm auf den Zahn und sieh zu, was bei rumkommt. Ich zähle auf dich und deine Intuition. Schließlich bist du ein guter Polizist."

Ich nickte dankbar, holte mein Handy hervor und schrieb Josh gleich, dass ich nach der Arbeit bei ihm vorbeikommen würde. Umgehend erhielt ich ein Herz-Emoji. Und meines sank mir wieder in die Hose.

„Und jetzt genug Beziehungsdrama. Das Pärchen da hinten sah verdächtig aus. Ich tippe mal, dass wir gleich ein Problem von Exhibitionismus auf einem Kinderspielplatz haben. Oder Geschlechtsverkehr im Park. So oder so nichts, was in die Öffentlichkeit gehört. Jetzt kneif deine Pobacken zusammen, mach dir keinen Kopf und konzentrier dich auf die Arbeit."

Mit einem erneuten Nicken griff ich das Funkgerät und gab unsere Position sowie unsere potenzielle Meldung an die Leitstelle weiter. Wäre doch gelacht, wenn heute nicht noch ein paar Kriminelle mit unseren Zellen Bekanntschaft machen würden.

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Shot At The NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt