26. Kapitel: Hahlweg - Make This Go On Forever

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Der Geruch von Waldbeeren bahnte sich süßlich und behaglich den Weg durch meine Nase. Seine Duftquelle war der tollste Mensch in meinem Leben, welcher als der kleine Löffel seine Rückseite mit dem schönsten Hintern der Welt an mich geschmiegt hatte. Mein linker Arm war unter seinem eingeklemmt, auf seiner Brust ruhte meine Hand. Rhythmisch und beruhigend hob und senkte sich sein Brustkorb. Frisch geduscht hatte er sich mit mir in sein Bett verkrümelt und müde den erholsamen Schlaf angetreten. Der Schnelligkeit zufolge, mit welcher er in das Traumland gewandert war, hatte er diesen Schlaf dringend nötig. Hätte ich auch gehabt, wenn ich nicht bereits auf seiner Couch ein nettes kleines Nickerchen eingelegt hätte. Nein, dass Schläfchen war nicht das Problem an meiner Schlaflosigkeit. Mein Kopf fuhr Achterbahn und von daher war an Schlaf nicht zu denken. Genug Zeit und Möglichkeit, um die letzten zwei Stunden Revue passieren zu lassen, während sich sanfte Atemgeräusche in mein Ohr stahlen.

Josh hatte mir die Frage gestellt, nach welcher ich mich schon seit unserem Zusammentreffen auf der Hawaiiparty gesehnt hatte. Oder zumindest ich mir seit diesem Zeitpunkt rückwirkend erhoffte. Offiziell eine feste Beziehung. Meinem Traum der großen glücklichen Familie näherkommend. Ich hätte Luftsprünge und Saltos machen können, es in die Welt schreien müssen. Doch tief in meinem Bauch legte sich eine Windung quer, versetzte mir einen schmerzhaften, langanhaltenden Stich. In meinem Arm lag mein Angebeteter, mit einer Seelenruhe schlafend und träumend. Ein Vertrauensbeweis. In mir nagten Zweifel. Ein Unbehagen, dass weit über Teenagerkram wie ‚OMG, mein Schwarm hat mich endlich bemerkt und jetzt sind wir zusammen! Aber macht er das, weil er mich wirklich mag?' hinaus ging. Nein, dieses miese Gefühl zielte auf ganz andere Hintergründe ab.

War dieser Vorschlag nur gekommen, um mich zum Schweigen zu bringen? Doch was hätte ihm das gebracht? Ich hätte mich dazu bereit erklärt, reinen Tisch zu machen. Zu meinen Kollegen zu gehen und mit offenen Karten zu spielen. Um ihm Gerechtigkeit zu verschaffen. Und seine Reaktion ist ein Kniefall, in welchem er um meine Hand anhält? Oder so ähnlich, vielleicht glorifizierten die Schmetterlinge in meinem Bauch die Geschehnisse auch ein wenig. Änderte aber nichts an dieser grotesken Situation. Ich wollte ihm so sehr vertrauen, dass die Frage aus tiefster Überzeugung kam. Hatte er sich nicht gewünscht, kein schmutziges Geheimnis zu sein? Dies hatte ich ihm auf dem Silbertablett serviert. Er hatte abgelehnt. Ich verstand die Welt nicht mehr. Mein Schritt regte sich nichtsdestotrotz. Nicht mal auf mein Glied war Verlass, dieser Verräter.

Aber wie ernst war es ihm mit seiner Frage? Nach erster Verwirrung und einem unsicheren Lächeln meinerseits hatte ich ihn auf seine Füße gezogen und geküsst. Wie hätte ich einer solchen Frage widerstehen können? Gar nicht! Auf mein unschlüssiges Nachhaken, ob er es wirklich ernst meint oder nur so dahinsagte, hatte er mich angelächelt und geküsst.

‚Du Dummerchen, natürlich. Mir ist bewusst geworden, wie viel mir an dir liegt und wie sehr ich dich brauche. Und möchte.'

Dann hatte er seinen Kopf an meine Schulter gelegt und die Arme um mich geschlungen. Als fühlte er sich nur so sicher, geborgen und beschützt vor der Grausamkeit der Welt und Realität. Automatisch hatte ich ihm sanft über den Rücken gestreichelt, immer wieder seinen Kopf geküsst und mit der anderen Hand seinen Körper an mich gedrückt. Ich wollte ihn trösten, für ihn da sein. All das Übel da draußen von diesem einen Menschen fernhalten.

Letztlich hatte er sich gelöst, war in das Badezimmer verschwunden, um den sterilen Krankenhausgeruch von seinem Leib zu waschen. Während das Wasser nebenan plätscherte, hatte ich mich daran gemacht ihm einen kleinen Snack zuzubereiten.

Seine Frage hatte mich so aus dem Konzept gebracht, dass für mich die Sache einfach so ohne weiteres erledigt war. Zumindest für diesen Moment. Auf Wolke sieben lächelte mich sein glückliches Gesicht an, unterdessen schmierten meine Hände mit einem Messer großzügig Frischkäse auf eine Scheibe Brot.

Dankbar und nackt hatte Josh den Teller mit einer Brotzeit entgegen genommen. Ich hatte ihm geholfen, seine Verletzungen zu versorgen, um dann in sein Schlafzimmer gezogen zu werden.

Jetzt hatte mein Kopf aber nicht mehr sein entzückendes Gesicht vor sich, sondern Zweifel und Unsicherheit. Projizierte ich meine eigenen Unzulänglichkeiten in die Situation oder roch mein Unterbewusstsein einen Braten, den mein Herz ignorierte? Viel wichtiger: Wollte ich ein Fass aufmachen und meinen gewonnenen Erfolg aufs Spiel setzen durch ein erneutes Gespräch? Kommunikation war zwar das A und O einer Beziehung, doch um jeden Preis? Natürlich würde ich ihn schlafen lassen. Nach seinem Aufwachen aber den Elefanten im Raum ansprechen? Gott, wie ich es verabscheute, so unbeholfen zu sein. Und mich schwach zu fühlen.

Es verlangte mir viel Energie ab, doch ich schluckte meine Bedenken runter. Mein Bauch drängte zwar auf eine Klärung, doch gab er mir auch zu verstehen, dass dies nicht der richtige Moment war. Ein wenig Gras über der Sache, Gemüter runterkühlen und bessere Gesprächsbedingungen schaffen. Dann war ein besserer Blick auf die Angelegenheit möglich. Krampfhaft entspannt schloss ich meine Augen, bis ich schließlich auch in einen unruhigen Schlaf driftete.


„Okay, also was haben wir?", stellte mein Partner in den Raum. Er lehnte weit in seinem Schreibtischstuhl zurück, die Füße auf der Tischplatte platziert und einen Baseball in den Händen knetend.

Ich hob die Schultern. „Wenn du so fragst: Nichts konkretes. Außer das Muster, dass immer Apotheken ausgeräubert werden."

„Schon klar, aber es macht trotzdem keinen großen Sinn."

„Du suchst bei Verbrechern nach einem höheren Sinn?", lachte ich laut auf.

Elliot schenkte mir einen kriminellen Seitenblick. „Sind wir heute mit dem Clownsauto zur Arbeit gefahren?"

„Natürlich, hast du nicht mitbekommen, wie fünfzig Polizisten aus einem Mini ausgestiegen sind?", stichelte ich weiter.

Wieder schüttelte er den Kopf. „Mit dir ist heute nichts anzufangen. Welche Schmerzmittel nimmst du gegen deine Verletzungen? Du solltest darüber nachdenken, mit deinen Kollegen zu teilen. Das scheint das gute Zeug zu sein."

„Aktuell nehme ich gar nichts. Ich ertrage es wie ein Mann", grinste ich ihn an.

„Genug Geplänkel, kommen wir mal zum Thema zurück", seufzte er resigniert.

Um uns herum wuselten die Kollegen aufgeregt, fragten nach Berichten und sonstigen Unterlagen. Elliot hatte sich für ein Brainstorming entschieden, da ihn mein Zusammentreffen mit dem Einbrecher nicht losließ.

„Es gibt kein großes Muster, weder bei Beute noch Örtlichkeit oder Vorgehensweise. Mal wird die Kasse mit ausgeraubt, mal hatten die Angestellten den Inhalt bereits in den Safe geräumt oder auf die Bank gebracht. Ein anderes Mal waren die Schubläden der Kasse noch gefüllt mit mehreren hunderten von Dollar. Unser Einbrecher müsste doch die Einnahmen immer einsacken", rekapitulierte ich.

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