Epilog

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Ich stand vor dem Spiegel und fühlte mich unwohl. Dieser Anzug war nicht meins. Wieso hatte ich nicht auf eine Uniform bestanden? Laut seufzte ich auf.

„Na, da wird doch nicht jemand einen Rückzieher machen?", rief meine kleine Schwester Yennifer aus dem Türrahmen.

„Hey, irgendwie sieht das doch komisch aus, oder?", meinte ich und präsentierte mich.

„Die Farbe stimmt schon mal", erklärte sie, ging ein paar Schritte auf mich zu und zupfte die Krawatte zurecht.

„Dunkelblau?", fragte ich.

„Genau wie deine Polizeiuniform. Als ob du nicht unkreativer sein könntest Brüderchen", lächelte sie mich an.

„Hast du schon mal nach draußen geschaut? Ich finde mich sehr kreativ", entgegnete ich mit wedelnden Fingern in Richtung Saal.

„Uh ja, da hat sich dein Pinterest Account voll ausgekotzt. Überall Lavendelfarbe", lachte sie.

„Ja, weil ich das schön finde. Und weil Ellora das hässlich findet."

Ein kurzer Moment der Stille legte sich zwischen uns. „Was gehört von Mom und Dad?"

Sie verzog die Lippen. „Die werden nicht kommen. Können dein Outing nach wie vor nicht akzeptieren. Aber hey, ich bin hier. Sofern das was zählt."

Ich grinste und zog sie in eine dicke Umarmung. „Das ist alles, was ich brauche."

Die Dealer hatte man an diesem Tag verhaften können, doch dieser Erfolg hatte nur kurz angehalten. Aber so war es immer. Wenn ein Machtvakuum entstand, gab es Leute, die es auffüllen wollten. So auch hier. Doch Cassius saß schön hinter Gittern.

Josh hatte hart um sein Leben gekämpft und den Kampf letztlich gewonnen. Die Reha war anstrengend gewesen, aber Früchte tragend. Er war schon wieder fast ganz der Alte. Auch wenn er sich jetzt immer pseudomäßig an den Bauch fasste und etwas von ‚Wetterumschwung' behauptete.

Meine Eltern waren mit meinem Outing nicht gut klargekommen, ein paar Kollegen miteingeschlossen. Dafür war meine Schwester umso liebenswerter und aufbauend. Hirai hatte das nur mit den Worten ‚mehr Chicks für mich' kommentiert, auch wenn er doch mit Nolee bereits sehr ernst involviert war. Und es sich bei einem Doppeldate nicht hatte nehmen lassen, Josh über die Nacht der Hawaiiparty auszuquetschen.

Ich drehte wieder nervös den kleinen Spielzeugring an meinem Finger, bis Elliot in den Raum platzte. „Yaron, denk dran, in fünfzehn Minuten bist du fällig!" Die beiden hatten sich auf einer Grillfeier darauf einigen können, zwar nie Freunde zu werden, aber den Boden, auf dem sie sich begegneten, neutral zu halten. Mehr konnte ich nicht erwarten.

Gequält nickte ich. „Gott, Yen, ich bin so aufgeregt. Was mache ich denn jetzt?"

„Tief einatmen und langsam den Weg zum Altar beschreiten. Meine High Heels machen einen Sprint nicht mit."

Ich lachte kurz auf, traf die letzten Vorkehrungen und verließ mit meiner Schwester die Garderobe. Im Saal wurde bereits die Melodie unseres Liedes gespielt. Wir hakten einander ein und gingen dann langsam den roten Teppich in der Mitte entlang in Richtung Altar. Rechts und Links waren ein paar Stuhlreihen, gefüllt mit Kollegen von mir und Josh, ein paar Freunden und, zu unser aller Verwunderung, Joshs Eltern. Sie hatten sich wieder zusammengerauft. Vielleicht hatte Joshs Nahtod da ein bisschen mitgeholfen.

Mein Herz machte einen erfreuten, wohligen Hüpfer, als ich Josh im weißen Anzug vorne stehen sah. Er lächelte mich über beide Ohren an. Yennifer übergab mich am Ende des Ganges und positionierte sich neben Hirai bei den Trauzeugen. Hinter Josh stand Ellora, die mich in ihrem lavendel farbenen Kleid kurz böse anfunkelte.

„Josh, du musst aber auch immer raushängen lassen, dass du ein Halbgott in weiß bist?", witzelte ich leise und erntete ein Augenverdrehen.

„Du bist doof, Officer."

„Ja, aber ich bin ab heute offiziell und für immer dein doof."

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Shot At The NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt