Die Stimmung während dem Essen war schön, keine Frage. Nicht zuletzt weil Lewis da war und es nicht danach aussah, als würde mein Dad etwas dagegen haben. Aber der Anblick des leeren Platzes verpasste mir immer noch einen Stich ins Herz. Es hätte so schön sein können, dachte ich, während ich meinen Blick über die Tischecke wandern ließ.
Und plötzlich passierte etwas, ich war mir sicher, mein Kopf würde mir Streiche spielen. Aber es fühlte sich so echt an, es sah so lebhaft aus. Sie sah so lebhaft aus, wie sie da saß. Sie schwenkte das Weinglas und nahm anschließend einen Schluck, bevor sie es zurück an seinen rechtmäßigen Platz stellte. Ihre Lippen bewegten sich, als sie sich mit meinen Großeltern unterhielt. Ich verstand nicht was sie sagte, es war, als würde uns eine dicke Glasscheibe trennen. Aber ich hörte ihre Stimme trotzdem. Ganz tief in mir drinnen, zu tief, als dass es in meinem Bewusstsein war. Ihr Lächeln, es war so hell, so unglaublich schön, fröhlich und ansteckend. Ich bin mir sicher, dass ich noch tausend weitere Wörter aufzählen könnte die ihr Lächeln beschreiben. Aber es war eins, was es besonders gut traf. Es war unecht. Ein böser Streich meiner Fantasie, und bevor ich mir das klarmachen konnte, wurde ich zurück in die Realität gerissen.
Mein Blick zuckte zu Lewis, im Augenwinkel war der Platz auf der anderen Seite der Ecke leer. Wieder. Aber er schaute mich nicht an. Lewis unterhielt sich gerade mit meinem Opa und hatte dabei seinen Blick abgewendet. Ich verstand überhaupt nicht was los war. Erst nach einigen Momenten bemerkte ich, dass er meine Hand hielt und diese etwas fester gedrückt haben muss, sobald er merkte, dass ich abgedriftet war.
So ging der Abend voran. Ich schaffte es tatsächlich bei der Sache zu bleiben und nicht ständig an meine Mom zu denken, und daran, wie es jetzt hätte sein können. Denn das zählte alles nicht mehr. Ich musste die Realität so hinnehmen wie sie war, schließlich konnte ich nichts daran ändern. Man kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen, das zu akzeptieren ist schwer, aber es führt kein Weg dran vorbei.
Es war bereits spät als Lewis und ich schlafen gingen. Ich war so unendlich froh, dass er bei mir war, ansonsten hätte ich diesen Abend wahrscheinlich nicht überstanden... Das Essen lag schwer in meinem Magen. Schwerer als ich gedacht hätte, und ich hatte die ganze Zeit das bedrückende Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt. Der Abend war schön, sehr sogar, aber er war eben nicht so, wie ich ihn in meiner kindlichen Vorstellung vom Leben gerne gehabt hätte. Meine Mutter fehlte mir, und jetzt wo ich im Bett lag, wurde mir das wieder bewusst. Eigentlich hätte sie heute bei uns sein sollen, stattdessen war sie es nicht. Sie ist da oben, ganz alleine, während wir hier unten verzweifelt darauf warten, dass das alles nur ein Traum war und sie am nächsten morgen am Frühstückstisch sitzt und lächelt. Ach, das war doch lächerlich. Ich wusste ganz genau, dass das nicht passieren wird, trotzdem wünschte ich mir nichts sehnlicher als das. Noch einmal ihr strahlendes Lächeln sehen, noch einmal in ihre funkelnden Augen blicken. Ihr noch ein einziges Mal von meinem Tag erzählen...
Warum kannst du nicht einfach hier sein, Mama?
Meine Gedanken überschlugen sich und ich spürte wie mein Herz anfing zu rasen. Die Gefühle hielten mich fest, schienen mich in die Tiefe zu reißen und ich wachte auf. Ich fuhr nach oben, schnappte panisch nach Luft und nahm dabei nichts von dem wahr, warum mich herum passierte. Mein Umfeld bröckelte an den Seiten ab, verschwommen war das, was vor meinen Augen war. Mein Brustkorb hob - und senkte sich ungleichmäßig, die Schnappatmung drohte mich zu ersticken.
„Liv!" Die Stimme war Kilometer entfernt. „Liv, Livia!" Sie kam näher, immer näher und dann war sie da. „Liv, beruhig dich, ich bin doch da..." Die Realität brach mit einem Schlag auf mich ein. Ich fühlte zwei Hände an meinen glühenden Wangen, Tränen strömten diese hinab. Und ich sah Lewis, der irgendwelche versuchte mich zu beruhigen. „Es ist alles okay..." Ich schüttelte den Kopf, kniff die Augen zusammen in der Hoffnung die Bilder würden verschwinden. „Ich hab sie gesehen." Mein Wimmern war so leise, vielleicht sogar nur in meinem Kopf. „Wen? Wen hast du gesehen?" Lewis' Stimme klang so ruhig, als ich die Augen wieder öffnete sah ich direkt in sein Gesicht.
Plötzlich glaubte ich nicht mehr daran, dass Lewis den Verlust meiner Mutter jemals erträglicher machen könnte. Weil wenn es so wäre, warum tut es dann so verdammt weh, auch wenn er da ist? Vielleicht war das alles nur eine Illusion, eine Wunschvorstellung davon, wie es sein könnte. Aber das war lächerlich, zu glauben, dass der Schmerz jemals besser wird. Womöglich glaubt man das, aber dann, wenn man es am wenigsten brauchen kann, hohlen einen die verdrängten Gefühle ein und man bricht zusammen.
„Liv. Wen hast du gesehen?" Fragte er nochmal. „Meine Mutter." Ich sah sie immer noch. Lewis musste nicht weiter darauf eingehen, um zu wissen, was das für mich bedeutete. Er schlang seine Arme um meinen Körper, er bebte, zitterte und drohte in sich selber einzubrechen. In diesem Moment wusste ich nicht, ob Lewis dazu fähig wäre mich zusammenzuhalten, die Scherben von mir aufzusammeln und wieder zu einem Ganzen zusammen zu flicken. Aber ich hoffte es so sehr. Ich war alleine zu schwach, ich brauchte Hilfe...
Eine Weile saßen wir einfach so da. Mein Wimmern wurde immer weniger, je länger ich mich in seinen Armen befand. Meine Augen wurden schwerer und mein Körper auch. Ich fühlte mich so unendlich schwach, so kraftlos, dass ich irgendwann nur noch merkte wie die Realität an mir vorbeizog und ich nicht mal mehr richtig mitbekam, dass wir mittlerweile lagen und nicht mehr saßen. Das einzige was ich noch irgendwie zusammenbekam, war, dass Lewis nicht aufhörte mich bei sich zu halten. Und ich war ihm so unendlich dankbar dafür. Dass er nicht geht, wenn ich ihn brauche. Dann das hat er schon zwei mal getan, ein drittes Mal würde ich nicht überleben...
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Toxic Love - the beginning of the end (Band 2) | Lewis Hamilton FF
FanfictionFortsetzung von Toxic Love - when hate becomes Love Sie hatte es ihm gesagt. Sie hatte ihm die Wahrheit über sich erzählt, ihr größtes Geheimnis preisgegeben, und jetzt bereut sie es. Es ist dieser Moment, wenn man merkt, dass die Liebe für eine an...