Kapitel 1

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Vogelzwitschern erfüllte den ansonsten ruhigen Wald und ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, strich dabei die kleinen Babyhaare, die mir im Gesicht klebten, weg und richtete tief durchatmend den Blick in den blauen Himmel und die vielen tiefgrünen Baumkronen, die einen Großteil der Sicht auf den Himmel verdeckten. Aber das wenige, was ich sehen konnte, reichte mir aus, um zu wissen, dass wir noch einige Stunden bis zur Dämmerung haben würden und ich noch genügend Zeit hatte erst einen Fluss oder Bach zu finden, um unsere Wasservorräte aufzufüllen, bevor wir uns auf die Suche nach einem Unterschlupf machen würden.

Noch eine Nacht im freien würde ich kaum überstehen. Ich spürte, wie schwach meine Beine schon waren und wie verdammt müde ich war. Noch eine Nacht mit kaum bis hin zu eher gar keinem Schlaf würde ich kaum überstehen, aber meine kleine Wegbegleiterin würde kaum Wache halten können. Mit ihren zarten zehn Jahren war sie viel zu naiv und unerfahren, dass sie überhaupt in der Lage wäre eine Situation gescheit einzuschätzen.

Ich atmete tief durch, bevor ich meiner kleinen Schwester andeutete leise zu sein und die Augen schloss, während ich mich auf die Geräusche in der Umgebung konzentrierte, versuchte das Vogelzwitschern zu ignorieren und mich an weitere Geräusche zu konzentrieren, aber wirklich viel konnte ich nicht heraushören und atmete seufzend durch.

Mit einer Handbewegung deutete ich meinem kleinen Mädchen an, dass wir weiter gehen würden, und sie folgte mir wortlos. Alle paar Meter spitzelte ich über meine Schulter, um zu überprüfen, dass meine kleine Schwester noch dicht hinter mir lief und nicht irgendwo stehengeblieben war, weil sie einen Marienkäfer oder eine hübsche Blume entdeckt hatte.

Obwohl wir schon so lange auf der Straße lebten, hatte sie es nie geschafft sich den jetzigen Bedingungen anzupassen. Sie verließ sich darauf, dass unser großer Bruder oder nun ich, ihr den Arsch retteten. Aber ich wusste auch nicht, wie ich sie dazu bekommen sollte eine Waffe zu benutzten.

Nach einigen Minuten spürte ich eine kleine Hand an meinem verschwitzten Oberarm und blickte zu meiner Schwester.
„Victoria?", sagte sie ganz leise und sacht meinen Namen, während ich nur fragend die Augenbrauen zusammenzog, „Ich bin kaputt. Meine Beine tun weh." Ich hörte ihre jammernde Stimme und biss die Zähne aufeinander. Ich konnte nicht sauer auf sie sein, aber ich war selbst kaputt. Ich konnte sie nicht tragen. Meine Beine hielten mich selbst kaum aufrecht und ich würde es keine Meile mit ihr auf dem Rücken schaffen.
„Nein, Rose. Ich kann dich nicht tragen", antwortete ich und richtete meinen Blick wieder nach vorn, bevor ich weiter ging und mit einer Handbewegung deutete, dass sie mir weiter folgen sollte.

Ich höre sie hinter mir leise vor sich hin zetern, aber was sollte ich machen? Ich war froh, wenn wir bald mal einen kleinen Bach finden würden, in welchem ich fischen könnte, sodass ich nach schon zwei Tagen mal wieder etwas im Magen hatte und nicht gegen den Hunger stundenlang Kaugummi kaute oder mich von den wenigen Wildbeeren, die hier hin und wieder einmal wuchsen, ernährte.

Ich verstand, dass sie fertig war, aber ich war es auch. Und auch wenn ich mein Leben für das meiner kleinen, süßen Schwester geben würde, musste ich selbst meine letzten Kraftreserven aufsparen, dass ich überhaupt eine Chance hatte, sie zu beschützen. Was auch immer auf uns zukommen würde.

Ich rieb mir über die Augen und blinzelte mehrere Male, konzentrierte mich weiter über die Umgebung und fächerte mir ein wenig Luft zu, was jedoch nicht viel brachte, da die Luft so heiß und voller Feuchtigkeit war, dass es nichts brachte. Meine Kleidung klebte wie eine zweite Haut an mir und sogar meine eigentlich lockere Cargohose, klebte an meinen dünnen Oberschenkeln, normalerweise war diese Hose so angenehm locker an meinen Beinen, dass ich mich nicht eingeengt fühlen musste.

Aber gerade stand ich in meinem eigenen Schweiß und durch die hohe Luftfeuchtigkeit fühlte sich die Hitze noch dreckiger an. Das nächste Ziel würde entweder im Norden des Kontinents Nordamerika sein, dort wo erst gar kein wirklicher Sommer herrschte oder ganz im Süden, wo eine trockene Hitze herrschte, welche angenehmer war als diese feuchte Hitze hier. Texas zum Beispiel.

Kill Them All - Z NationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt