›69‹

10K 322 44
                                    

"Wenn du jetzt weiterhin, so ganz ohne Selbstbewusstsein vor dich hin plapperst, muss ich das Essen meiner Familie leider absagen, zu dir fahren und dich verprügeln", maßregelt mich meine einzige Freundin am Telefon.

"Aber ich..."

"Kein aber! Wir haben das Kleid extra zusammen gekauft, Maddy. Und das, obwohl ich dich am liebsten in einen Müllsack gesteckt hätte, nur damit Ashton dich nicht in so einem hübschen Ding sehen kann", erklärt sie verdammt konzentriert, da sie sich gerade ebenfalls fertig macht und sie hat schon irgendwie recht.

Da es in letzter Zeit mit Tvyla nicht so gut lief, habe ich Livia darum gebeten, mit mir nach einem Kleid zu suchen, dass ich an Thanksgiving und vielleicht sogar an Weihnachten tragen könnte, doch da ich nun weiß, dass ich an Weihnachten auch zu Ashtons Familie eingeladen bin, werde ich sie sicherlich ein zweites Mal in die Stadt schleifen müssen.

Weiterhin unsicher, stehe ich vor meinem Kleiderschrank, blicke nachdenklich in den Spiegel und streiche immer wieder den schwarzen Stoff glatt, der eng an meinen Hüften liegt.

Das Kleid geht mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel und ist meiner Meinung nach, viel zu kurz, doch Livia ist der festen Überzeugung, dass ich hinreißend aussehe.

Die langen Ärmel liegen ebenfalls eng an meiner Haut, doch da stört es mich nicht.

Obwohl ich eigentlich eine sehr schlanke und auch schöne Figur habe, fühle ich mich plötzlich so unsicher, obwohl mich mein Aussehen in der Vergangenheit nie wirklich interessiert hat.

Meine Haare habe ich zu einem unordentlichen, aber schönen Knoten gebunden und zwei kurze Strähnen heraushängen lassen, doch trotzdem fühle ich mich so unwohl.

"Und was ist, wenn er es nicht mag? Oder, wenn die anderen sagen, dass ich wie eine Nutte aussehe, oder..."

"Madelyn!", unterbricht sie mich halb lachend und halb knurrend.

"Sogar der Verkäufer hat gesabbert, als er uns beraten hat. Du siehst aus wie eine Göttin. Auch, wenn ich damit nicht einverstanden bin, wird er nicht die Finger von dir lassen können. Und die anderen werden dich sicherlich niemals als eine Nutte bezeichnen, Süße", erklärt sie nun wieder ruhiger und plötzlich fühle ich mich etwas mutiger.

Jetzt fällt mir die schöne Figur wieder auf und auch der silberne Schmuck, den ich so selten trage, funkelt schön an meiner Haut.

Das schwarze Kleid lässt mein rostrotes Haar nur so hervorstechen und glänzen und auch meine grünen Augen werden plötzlich von diesem dunklen Stoff betont.

"Du hast recht", sage ich, sammel mein gesamtes Selbstbewusstsein zusammen und lehne mich etwas nach vorne, um den kleinen schwarzen Fleck, der Wimperntusche, unter meinen Wimpern zu entfernen.

"Ich sehe gut aus", spreche ich mir wieder Mut zu und nehme dann mein Handy in die Hand, ehe ich in meine schwarzen Sneaker schlüpfe.

Auch, wenn es einfach nicht zusammen passt, werden mich keine zehn Pferde dazu bringen können, jemals Highheels zu tragen.

"Natürlich habe ich recht. Du bist eine verfluchte Göttin. Ich verstehe echt nicht, wie jemand dich nicht zum Anbeißen finden kann", lacht sie leise auf, was mich ebenfalls etwas zum Lächeln bringt, doch auch wenn ich jetzt wieder Mut habe, was mein Aussehen angeht, bin ich trotzdem wieder vollkommen nervös.

Sowohl Mace als auch Ashton, werden heute zusammen mit uns Thanksgiving feiern.

Und dann werden meine leiblichen Eltern und meine leiblichen Geschwister auch dabei sein.

Außerdem haben Theo und ich uns nach dem Treffen bei Mace nicht mehr gesehen, also wird das ziemlich unangenehm werden.

"Hast du eigentlich schon eine Idee, was du deinem super tollen Freund zu Weihnachten schenken möchtest?", fragt sie nun, was mich wieder etwas lächeln lässt, da ich ihren genervten Blick schon direkt vor Augen habe.

Sie kann Ashton und seine Art nicht leiden, da er, auch wenn er sich in meiner Gegenwart geändert hat, immer noch zu anderen so kalt ist, wie er es immer war.

Dass sie ihn einfach nur besser kennenlernen muss, damit sich ihre Einstellung ihm und auch meinem Bruder gegenüber ändert, will sie einfach nicht einsehen, aber so war ich anfangs ja auch.

Leute wie Ashton haben mich einfach angewidert und würde ich Ty nicht schon seit Ewigkeiten kennen, hätte ich auch ihn nicht leiden können.

"Tatsächlich denke ich darüber schon verdammt lange nach, aber mir fällt einfach nichts ein. Ich möchte schon, dass es etwas Persönliches ist. Etwas, dass uns... Verbindet?", frage ich ziemlich unsicher, da ich es selber nicht weiß.

Ich möchte etwas in das Geschenk einbauen, dass uns an etwas erinnert, das uns einander näher gebracht hat.

Nur was?

"Auch wenn du ihm etwas schenken willst, dass euch miteinander verbindet", beginnt sie und zieht mich wieder aus den Gedanken.

"Solltest du dich definitiv nicht von ihm schwängern lassen. Das wäre ein kleiner Hauch zu viel Verbindung."
Sofort beginne ich laut loszulachen.

"Ja, du lachst jetzt. Eine alte Mitschülerin von mir, wollte nicht, dass ihr Freund Schluss macht, also hat sie sich schwängern lassen. Das war ziemlich abartig, weil er jetzt für immer mit ihr zusammen hängen muss. Auch wenn es nur eine Verbindung über das Kind ist, ist es einfach krank", erklärt sie total angeekelt über das Verhalten eines Menschen.

"Man sollte Kinder nur bekommen, wenn man sie auch wirklich haben will", stimme ich leise zu und denke sofort wieder über meine wahre Familie nach.

"Du, aber ich muss jetzt auch los. Meine Mutter reißt mir sonst den Kopf ab", lacht sie dann wieder in den Hörer, während ich immer noch mitten in meinem Zimmer stehe.

"Klar doch. Habt einen schönen Tag", sage ich noch, ehe sie es erwidert und dann auflegt.

Tief atme ich nochmal ein, halte mein Handy in der Hand und verlasse dann mein Zimmer.

Bitte, lass den Rest des Tages gut laufen.

Be my SalvationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt