1

696 26 25
                                    

Es war so still, dass mir das Knallen der Stöcke, die gegeneinander schlugen, wie Donnergrollen vorkam.
Enzo kam mit lautem Gebrüll auf mich zu gerannt, ich wich ihm aus, sodass er ins Leere lief. Als er versuchte sich vor mir auf den Beinen zu halten, zog ich ihm mit meinem Stock die Füße weg, sodass er doch auf dem Hintern landete.

„Autsch.", nörgelte er und rieb sich seine wunde Stelle.
„Wieso schaffe ich es nicht einmal dich zu treffen?", motzte er, während er seinen Stock aufhob, der ihm zu Boden gefallen ist.

„Vielleicht weil du rumbrüllst, wie ein wildgewordener Affe?", neckte ich ihn und ich sah belustigt in sein Schmollendes Gesicht.

Ich sah, wie er sich für seinen nächsten Angriff bereit machte, dieses Mal kniff er seinen Mund fest zusammen, um bloß keinen Ton von sich zu geben, doch das Klingeln der Glocken ließ ihn zusammenzucken.
Er ließ augenblicklich seinen Stock fallen und strahlte mich an.
„Der Aufklärungstrupp ist wieder da! Komm!", er nahm mich an die Hand und zog mich hinter sich her.

Ich verdrehte die Augen und ließ mich hinter ihn herzerren. Meinen Stock legte ich neben unser kleines Häuschen und wir brauchten uns nur vor unser Haus stellen und warten.
Wir lebten am äußersten Rand der Mauer und diesen Weg nahm der Aufklärungstrupp immer, wenn sie die Mauer verließen oder eben wieder kamen.

Enzo stellte sich auf einen Stuhl, um alles im Blick zu behalten und ich stellte mich daneben. Wir sahen, wie sich die Tore öffneten und zuallererst trat der Kommandant der Einheit ein.
„Da ist Erwin Smith!", hörte ich Enzo aufgeregt sagen. Er vergötterte den Aufklärungstrupp und ich wusste, dass es sein größter Traum war, ebenfalls einmal eintreten zu können. Doch, dass dies niemals geschehen würde, konnte ich ihm noch nicht sagen.

„DA IST DER HAUPTGEFREITE LEVI!"
vor lauter Aufregung begann Enzo zu kreischen, wofür ich ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gab.

„Schrei nicht so.", motzte ich ihn an. Er hielt sich den Hinterkopf, hatte seine Augen jedoch immer noch auf der Truppe. Plötzlich strahlten seine Augen und als er wild zu winken begann, sah ich ebenfalls wieder zur Truppe.
Durch Enzos Gebrüll hatten wir Levis Aufmerksamkeit. Er sah zu uns rüber, sehr zur Freude von Enzo, doch mein Herz begann wie wild zu klopfen.
Keinesfalls sollten wir die Aufmerksamkeit von irgendjemanden auf uns lenken, doch Enzo verstand es nicht.
Nervös begann ich auf meiner Unterlippe zu knabbern. Ich musste ruhig bleiben. Ich sah hier viele Kinder, die die Namen der einzelnen Soldaten riefen. Sie alle vergötterten sie, weswegen wir deswegen nicht sofort auffielen.

„Hanji!", hörte ich Enzo rufen, doch ich hatte lediglich die Umgebung im Auge. Sämtliche Menschen waren auf den Aufklärungstrupp interessiert. Die Kinder bejubelten sie und die Erwachsenen zogen über sie her.
Es war alles wie immer.

„Warte kurz!", hörte ich Enzo sagen und bevor ich reagieren konnte, war er die wenigen Stufen runtergesprungen. Er drängte sich an den Leuten vorbei.

„ENZO!", zischte ich viel zu laut und ich verfluchte dieses Kind in diesem Moment. Auch ich drängte mich an den Leuten vorbei und als ich erkannte, dass der Aufklärungstrupp stehen geblieben ist, ahnte ich böses.

Es bestätigte sich, als ich Erwin wieder entdeckte. Er hatte gestoppt und sah von seinem Pferd nach unten. Ich konnte mir das Augenverdrehen nicht verkneifen, als ich Enzo vor Erwins Pferd sah. Er gestikulierte Wild und als ich näherkam, hörte ich seine letzten Worte noch:
„... und deshalb will ich unbedingt zum Aufklärungstrupp!"

Ich sah, wie er sich Levi zuwendete und bevor er was sagen konnte, stand ich neben ihm. Ich packte ihn am Nacken, drückte ihn herunter, sodass er sich verbeugte und ich tat es ihm gleich.

„Es tut mir wirklich leid.", sagte ich so unschuldig und ergeben wie möglich. Genaugenommen musste ich mich zusammenreißen, um ihn in diesem Moment nicht windelweich zu prügeln, doch ich musste mich zügeln.
„Er ist immer ganz aufgeregt, wenn er euch sieht. Ich habe erst zu spät bemerkt, dass er mir entwischt ist."

„Schon gut.", hörte ich Erwin sagen und ich nahm wieder eine gerade Haltung ein. Auch Enzo stellte sich auf, doch ich ließ seinen Nacken nicht los, damit ich ihn unter Kontrolle hatte.

„Ich werde das nächste Mal besser Acht geben.", versprach ich und ich schob Enzo vor mich, sodass wir den Weg für den Aufklärungstrupp frei machten.

Ich spürte den Blick von Levi auf uns. Ich hatte gesehen, wie er Enzo beobachtet hatte, während er sprach und mir gefiel es überhaupt nicht.

Enzo schlug meine Hand weg und funkelte mich wütend an:
„Du hast mich vor dem Aufklärungstrupp blamiert!", warf er mir vor. Dass der Aufklärungstrupp immer noch neben uns stand und uns beobachtete schien ihn nicht zu kümmern.

„Das hast du prima allein hinbekommen. Geh jetzt.", wies ich ihn an, denn ich wollte noch mehr Aufmerksamkeit vermeiden.

„Du bist nicht meine Mutter, dass du mir was vorzuschreiben hast!"
Bei diesem Spruch verdrehte ich wieder meine Augen. Meine Fresse, seit er wusste, dass ich nur großzog, aber nicht seine leibliche Mutter war, hielt er es bei jedem unserer Streitigkeiten vor.

„Prima. Dann kann ich dich ja wieder in die Gosse zurückschicken", grummelte ich vor mich hin. Er drehte sich schmollend um und meckerte weiter vor sich hin.

„Dort muss ich zumindest nicht jeden Tag trainieren!"
Dieses Affentheater war mir mehr als unangenehm. Der Aufklärungstrupp stand immer noch neben uns und beobachtete uns. Hatten sie nichts zu tun?

„Oi.", hörte ich es plötzlich neben mir sagen und ich spürte sofort, wie mein Herz gegen meine Brust donnert.
Auch Enzo drehte sich schlagartig um und sah zu Levi, der uns angesprochen hatte.
„Wie heißt du?", fragte Levi den kleinen und ich war so froh, dass Enzo nichts als seinen Vornamen kannte.

„E-enzo, Hauptgefreiter!", stotterte er vor sich hin und ich hasste ihn im Moment dafür, wie kleinlaut er neben Levi war.

„Enzo? Und weiter?"


„N-nur... Enzo."
Er sah kurz verunsichert zu mir und ich nickte ihm kaum merklich zu.

„Also, nur Enzo, du solltest dankbar sein, dass sich jemand um dich kümmert. Und nörgele nicht über das Training, sonst wirst du niemals ein Teil des Aufklärungstrupps."

„J-jawohl!", schrie er und ich konnte mir ein Stöhnen gerade so unterdrücken.

„Tch.", gab Levi von sich, dann drehte er sich wieder zu Erwin.
„Lass uns weiter."

Der Aufklärungstrupp setzte sich wieder in Bewegungund ich legte meinen Arm um Enzo, damit wir endlich wieder nach Hause konnten.
Ich betrachtete Enzo eine Weile und dachte stark darüber nach, ob Levi vielleichterkannt hatte, wer er war.
Im Grunde hatte er ihn noch nie gesehen und er wusste nichts von seinerExistenz, was hoffentlich so bleiben würde.
Ich schnitt Enzo regelmäßig seine Haare, damit seine dunkeln Haare nicht hervortraten.Er hasste seine Glatze, was ich ehrlich gesagt auch verstehen konnte, doch ichtat es nur zu seinem Schutz.

Das Einzige, was ich nicht verstecken konnte, waren seine markanten, grauenAugen...

GatewayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt