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Hanjis Grinsen war unerträglich.
Sie hielt es bei, während sie meinen Verband abwickelte und Creme auf meinen Wunden verteilte. Ich wusste, dass sie irgendetwas sagen wollte, doch keinesfalls wollte ich es hören, also versuchte ich sie abzulenken:
„Wo sind wir hier eigentlich?"

„Die Höhle haben wir mal auf einer Expedition entdeckt. Titanen schaffen es nicht hier hoch, aber wir mit unseren 3DM. Sie ist weit weg, von den üblichen Routen, weswegen wir nicht oft nutzen."

Es dauerte einen Moment, bis ich vollends begriff, was sie da sagte, doch als ich es schließlich tat, sah ich sie entsetzt an:
„Wir sind außerhalb der Mauer?"

„Ja. Ich musste euch wo hinbringen, wo Kenny euch nicht findet. Wir suchen unentwegt nach ihm, doch auch jetzt, wo er sich verzogen hat, sterben immer wieder Soldaten, die von seinen Leuten getötet werden. Ich weiß nicht, mit wem ihr es euch da verscherzt habt, aber mit ihm ist nicht gut Kirschen essen."

„Du hast uns hierhergebracht?"

„Ja. Wenn es jemanden gibt, der Kenny aufhalten kann, dann seid ihr es. Ich musste euch da wegbringen, bevor er euch umbringen würde. Dies war der einzige Ort, der mir eingefallen ist, wo er euch vermutlich nicht suchen würde. Und wo ihr nicht wie geisteskranke losrennen würdet, damit ihr Enzo rettet."

Ich fühlte mich ein wenig ertappt, sagte dazu jedoch nichts.
„Habt ihr eine Vermutung, wo er sein könnte?"

„Nein. Die Menschen in der Unterwelt, sind nicht kooperativ."

„Nein, das sind sie nicht.", bestätigte ich. Ich war schon in meinen Gedanken versunken, wo Kenny mit Enzo stecken könnte, als mich das Kichern von Hanji wieder in die Realität brachte. Ich versuchte es zu ignorieren, doch Hanji kriegte sich nicht mehr ein.

Ich verdrehte die Augen und stellte erleichtert fest, dass sie endlich fertig war. Ich nahm mir einen Apfel und etwas Wasser aus den Vorräten von Hanji und begann zu essen. Sie ging zu Levi und begann seine Verbände vom Körper zu wickeln.

Ich wollte nicht spannen, doch als ich die riesige Wunde bei Levi sah, die quer über seinen Oberkörper sah, die sogar genäht wurde, konnte ich nicht mehr wo anders hinsehen.

Ich stellte mir die Wunde auf Enzos Körper vor und ich wusste, dass er vermutlich tatsächlich gestorben wäre, wenn er getroffen worden wäre.

Ich spürte, wie Levi zu mir sah, doch ich konnte den Blick nur schwer abwenden. Ich tat es irgendwann trotzdem und sah hinaus.

Tatsächlich war mir damals der Gedanke auch schon gekommen, dass ich mit Enzo die Mauern verlassen müsste, um endlich ruhe vor Kenny zu haben. Doch ich kannte mich zu wenig aus, als dass ich garantieren könnte, hier mit ihm zu überleben.

Ich legte mich wieder auf den Rücken und dachte darüber nach, wie es gewesen wäre, wenn ich es einfach getan hätte?
Dann wäre ich vielleicht nun mit Enzo hier, als mit Levi. Und Enzo wäre bei mir, statt bei Kenny.


Ich hörte, wie Hanji ihre Sachen zusammenpackte und ihren Rucksack schulterte. Ich wollte gerade wieder versuchen aufzustehen, als ich Hanji sagen hörte:
„Ich komme morgen wieder und sehe nach euch."

„Wir bleiben hier?", fragte ich ein wenig verdutzt.

„Natürlich."

„Warum?"

„Ihr seid beide verletzt. Ihr könnt so nicht durch das Titanen Gebiet reiten. Ich bin froh, dass ich auf dem Hinweg Hilfe hatte, sonst hätte ich mich für einen von euch entscheiden müssen. Außerdem herrscht das reinste Chaos innerhalb der Mauern. Es ist, als sei eine Art Bürgerkrieg ausgebrochen, seit Kenny da gewesen ist. Es hat sich rumgesprochen, dass ihr aus der Unterwelt hierhergekommen seid. Mittlerweile beschuldigen sich alle gegenseitig, dass sie ebenfalls aus der Unterwelt kommen und greifen sich an.
Man kann dich da momentan nicht alleine lassen. Sie würden vermutlich dein Haus verbrennen, wenn sie dich finden würden.

Hier kann ich euch lassen, ohne dass ich angst haben muss!"

Sie winkte uns zu und wollte schon herunter sausen, als sie noch einen Satz nachdrücken musste:
„Naja. Nur Angst, dass du schwanger wirst!"

Sie verschwand aus der Sichtweite und ich schüttelte über ihren dummen Witz den Kopf. Ich spürte, wie ich müde wurde, allerdings auch ein wenig frierte. Ich sah eine Feuerstelle, die vermutlich noch vor wenigen Stunden gebrannt hatte und daneben einen Stapel Holz.

Ich überlegte kurz, ob ich Levi darum bitten sollte, ein Feuer zu machen, doch er lehnte gegen die Wand und hatte seine Augen geschlossen. Außerdem würde es hart an meinem Ego kratzen, ihn um irgendwas zu bitten.

Ich rappelte mich hoch und versuchte dabei so leise wie nur möglich zu sein und keine Stöhn Geräusche von mir zu geben.
Langsam ging ich zu der Feuerstelle und sackte beinahe davor zusammen. Ich schaffte es gerade so, mich auf den Knien zu halten. Dann beugte ich mich zu dem Holz und legte es in die Stelle.

Ich fand noch einige Streichhölzer und entfachte das Feuer. Die Wärme strahlte durch meinen Körper und ich fühlte mich sofort besser.

Ich legte mich neben die Feuerstelle und schloss meine Augen. Ich hatte das Gefühl, ich könnte mich keinen Zentimeter mehr bewegen.
Ich wollte nichts sehnlicher als Schlafen, doch ich musste die ganze Zeit darüber nachdenken, wie es wohl Enzo bei Kenny geht.

Ich malte mir die schlimmsten Szenarien aus und immer wieder riss ich meine Augen auf, weil mich die Gedanken nicht in Ruhe ließen.

Ich ließ die Augen offen und starrte ins Feuer.
„Levi?", fragte ich leise nach einer ganzen Weile. Ich flüsterte nur, für den Fall, dass er schliefe. Ich erhielt keine Antwort, weswegen ich mich zu ihm drehte.

Tatsächlich war sein Kopf zur Seite gefallen und sein Atem ging ruhig und regelmäßig.

Jetzt, wo er so schlief, fiel mir auf, wie menschlich er sein konnte. Wir alle kannten ihn, als den stärksten Soldaten der Menschheit, doch eigentlich war er auch nur ein Mensch.
Ich hatte ihn aufgesucht und gehofft meine Probleme wären mit einem Schlag erledigt wären.

Doch wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich ihn gebeten, seinen Onkel zu ermorden, der ihn großgezogen hatte, um seinen Cousin zu retten, den er gerade kennen gelernt hatte.

Und er hatte zugestimmt. Er hatte ja dazu gesagt, sein bisschen Familie, die er da hatte zu dezimieren.
Und ich war so unglaublich wütend darüber gewesen, dass er versagt hatte, als er die Gelegenheit dazu hatte.

Ich hatte auch nichts weiter geleistet, als weg zu rennen. Ich hatte mich Kenny zweimal gestellt und beide Male nur knapp mit dem Leben davongekommen. Beide Male hätte er, wenn er gewollt hätte, mich töten können, doch er hatte es nicht getan.

Ich seufzte schwer.
Ich wollte es mir schon gemütlich machen, als ich in den Sachen von Hanji eine Decke fand. Wieder erhob ich mich und auch dieses Mal versuchte ich so leise wie möglich zu sein.

Ich hob die Decke aus der Kiste und suchte nach einer zweiten, doch vergebens. Es gab nur diese eine. Sie war zwar riesig, aber eben nur eine.

Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal. Ich ging nochmal zum Feuer, legte etwas Holz rein, damit es möglichst lange brannte, um dann zu Levi zu gehen.

Ich deckte ihn zu. Mir fiel auf, dass er sich nichts übergezogen hatte, also bis auf die Verbände nichts um seinen Oberkörper hatte.
Ich klemmte die Decke hinter seine Schulter und war froh, dass er scheinbar tief schlief. Denn noch so eine peinliche Situation wie eben wollte ich auf keinen Fall.

Nachdem sicher war, dass Levi zugedeckt war, legte ich mich neben ihn. Auch wenn es logischer gewesen wäre, sich ebenfalls neben ihn zu setzen, konnte ich es nicht, da mir die Rippen sonst wieder weh taten.
Ich legte meine Beine dicht an seine und spürte sogar etwas von seiner Wärme. Ich legte mich hin und war dazu geneigt, meine Beine einfach über Levis Schoß zu legen, weil das sicher bequemer war, doch ich ließ es lieber.

Es brauchte noch etwas, bis ich eine bequeme Position fand, doch irgendwann schlief ich endlich ein...

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So, Gute Nacht meine lieben ;)

LG


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