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Immer wieder hörte ich Stimmen, die jedoch nicht mein Bewusstsein erreichten, ehe mich die Ohnmacht wieder empfang.

Ich wusste nicht, wie oft das Geschehen war, bis mich die Panik übermannte und endlich meine Augen aufriss.
Ich erkannte meine Umgebung nicht, da es viel zu dunkel war. Ich drehte meinen Kopf, doch nichts kam mir bekannt vor.

Ich versuchte mich aufzusetzen, doch mich überkam ein heftiger Schmerz, sodass ich lediglich meinen Kopf heben konnte.

„Du solltest liegen bleiben.", hörte ich eine bekannte Stimme und ich drehte mich sofort zu Levi.

„Kenny?", fragte ich als erstes. Mein Hals schmerzte und es tat weh zu sprechen.

„Abgehauen.", antwortete er knapp. Mein Herz begann wie wild zu rasen und ich wusste nicht, woher diese Vorahnung kam, doch ich schaffte es kaum, seinen Namen auszusprechen:

„Enzo?"

„Mit ihm."
Ich spürte, wie mein Herz aussetzte, nur um dann doppelt so schnell wieder zu schlagen zu beginnen. Es dauerte, bis mein Gehirn verstand, was Levi da gerade gesagt hatte.
Enzo war bei Kenny.

Kenny hatte Enzo.
Ich war jahrelang vor ihm geflohen und hatte ihn geschützt. Und wofür?

„Wir konnten dir nicht sofort zur Hilfe kommen. Ich habe zu spät gesehen, dass du mit Kenny vom Dach gestürzt bist und seine Männer waren dann bei uns. Er hatte schon immer die miesesten Arschlöcher um sich geschanzt und ich hatte fast nur Rekruten bei mir. Als wir zu dir gestoßen sind, lagst du schon bewusstlos am Boden.", fasste er das Geschehene zusammen.

„Ich dachte, du seist tot.", sprach er weiter, als ich nichts dazu sagte.
„Du warst die letzten 6 Tage nicht bei Bewusstsein."


6 Tage? So lange war Enzo bereits bei Kenny?

Ich rollte mich auf die Seite und stützte mich ab, damit ich mich langsam aufsetzen konnte. Ich merkte, wie meine Arme zitterten, doch ich musste es schaffen.

„Was hast du vor?", fragte mich Levi, der mir dabei zusah, wie ich mich aufrappelte. Ich kniete bereits, stellte ein Bein auf, stützte mich auf diesem ab und drückte mich nach oben, damit ich mich hinstellen konnte.

„Ich hätte... mich niemals...auf dich verlassen sollen.", gab ich keuchend hervor. Ich stand endlich auf meinen Beinen und ich keuchte, als wäre ich einen Marathon gelaufen, doch ich stand. Ich versuchte mich zu orientieren und erst jetzt erkannte ich, dass wir in einer Art Höhle waren.
Ich drehte mich ein wenig, bis ich den Ausgang gefunden hatte. Ich machte einen Schritt, beidem ich beinah das Gleichgewicht verloren hätte, doch ich fing mich und schleifte wieder einen Schritt voran.

„Oi.", hörte ich Levi sagen.
„Was tust du da?"

Ich ignorierte ihn und konzentrierte mich nur darauf, dass ich einen Schritt nach dem nächsten Tat. Ich ignorierte die Schmerzen.
Ich ignorierte die Übelkeit.
Ich ignorierte die drohende Ohnmacht.

Ich hatte nur Kennys hässliche Fratze vor Augen und die Wut, die in mir aufstieg, gab mir Kraft, die ich nutzen musste.

„Du wärst innerhalb von Sekunden tot, wenn du dich in diesem Zustand Kenny stellst.", ich hörte, dass Levi näher kam, doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren.

Erst als er mich am Handgelenk packte, hatte er meine Aufmerksamkeit.

„LASS LOS!", schrie ich. Ich riss meine Hand frei, geriet dabei ins Taumeln und wäre vermutlich gestürzt, wenn ich nicht gegen die Wand gefallen wäre.
Mich überkam wieder der Schwindel, wurde jedoch durch die Wut verdrängt.

„ICH HÄTTE MICH NIE AUF DICH VERLASSEN SOLLEN!", schrie ich ihn an.

Ich drückte mich von der Wand ab und stürzte mich auf Levi. Ich wusste, er würde mich nicht gehen lassen, weswegen ich ihn erst loswerden musste.
Ich stieß gegen ihn und ich hörte ich schmerzerfüllt keuchen, bevor er zu Boden ging.

Ich setzte mich auf seine Hüfte und holte mit meiner Faust zum Schlag aus, doch bevor sie sein Gesicht treffen konnte, sah ich ihn das erste Mal und ich stoppte meinen Angriff.

Es war dunkel gewesen, weswegen ich es vorher nicht gesehen hatte, doch auch er war verbunden. Sein halbes Gesicht und, wie ich nun feststellte, sein halber Oberkörper waren mit Verbänden umwickelt.

Ich saß einfach nur da und rührte mich nicht. Levi schien immer noch auf den Schlag zu warten, bis er schließlich anfing zu reden:
„Einer von Kennys Männer wollte sich auf Enzo stürzen. Nachdem er dich leblos am Boden gesehen hat, ist er durchgedreht.
Ich hatte eigentlich vorgehabt, mich um Kenny zu kümmern und ihn zu erledigen, doch der Typ ist auf Enzo los.
Ich musste eine Entscheidung treffen.

Es hätte ihn umgebracht, wenn er Enzo getroffen hätte..."

Er sprach nicht weiter und ich wusste, dass er sich vor Enzo geworfen hatte, damit er überlebte. Ich ließ meine Faust neben seinen Kopf zu Boden gehen und ich biss verbittert die Zähne zusammen. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.

Ich schlug mit meiner Faust immer und immer wieder in den Boden. Ich konnte meine Wut und meinen Frust nicht mehr bei mir behalten, während Levi sich unter mir nicht rührte.
Irgendwann, ich spürte, dass meine Hand bereits wehtat, umfasste er mein Handgelenk und stoppte es.

Ich wehrte mich einen Moment, denn ich hatte das Gefühl, ich müsste irgendwas kaputt machen und wenn es nur der Boden war, doch Levi ließ es nicht zu.

Nachdem mir die Kraft ausging, hörte ich auf, mich zu wehren, doch Levi ließ nicht los. Ich spürte, wie mir die ersten Tränen über die Wangen liefen, aus purer Verzweiflung.

Levi setzte sich ebenfalls auf. Er ließ meinen Arm los und legte seine Hände auf meine Wangen. Er drehte mein Gesicht, sodass wir uns ansahen.
„Wir kriegen ihn.", sagte Levi mit ernstem Ton
„Wir werden Kenny töten und uns Enzo zurückholen. Und wenn es das letzte ist, was wir tun."

Ich nickte, denn ich war nicht in der Lage ein weiteres Wort zu sagen. Mit seinen Daumen wischte er mir meine Tränen weg, doch ich war auf seine Augen fixiert.

Wir starrten uns einfach nur an und keiner von uns regte sich einen Zentimeter. Mir wurden seine Hände auf meinen Wangen deutlich bewusst und auch, dass ich auf seinem Schoß saß, doch das war nebensächlich.

Meine Augen huschten für einen kleinen Augenblick auf seine Lippen, dann wieder zu ihm hoch, doch er hatte das genau gemerkt.
Er kam mir ein bisschen näher und ich spürte, wie auch das letzte bisschen Wut in mir vertrieben wurde.

Ich konnte bereits seinen Atem auf meinen Lippen spüren, als wir ein Geräusch vernahmen, dass uns zusammenzucken ließ.
Wir sahen zum Höhleneingang, der nur wenige Meter von uns weg war.

Mein Herz donnerte gegen meine Brust. Levis Händerutschten von meinem Gesicht und ich sah mich bereits nach einer geeignetenWaffe um, als ein bekanntes Gesicht auftauchte, die mich erleichtert aufstöhnenließ. Hanji.

Sie sah einen Moment zwischen uns hin und her, ehe sie sich verlegen am Kopfkratzte.
„Wie es scheint, bin ich wohl zum Falschen Moment erschienen..."


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