8

296 21 10
                                    

Die nächsten Tage war es für mich kaum möglich aufzustehen. Hanji kam zweimal täglich vorbei, schmierte mir Creme auf meine schmerzenden Stellen und bandagierte es neu.

„Wie sind die Schmerzen?", fragte sie, während sie einen Verband um meinen Oberkörper wickelte.

„Geht schon.", sagte ich knapp und als Hanji zu lachen anfing, sah ich irritiert zu ihr.

„Ich weiß nicht, ob du zu viel Zeit mit seiner Familie gehabt hast oder ob es daran liegt, dass ihr beide aus dem Untergrund kommt, aber manchmal ähnelst du ihm."
Auf meinen entsetzten Gesichtsausdruck fügte sie noch hinzu:
„Er würde auch niemals zugeben, dass er schmerzen hat."

„Wenn ich wie er wäre, wäre Kenny vermutlich bereits tot.", murmelte ich verbittert. Mir ließ es keine Ruhe, dass er wusste, wo wir waren und dass wir uns nicht irgendwo versteckten, wo er uns nicht vermuten würde.
Ich hatte meine Bedenken Levi gegenüber geäußert, doch er hatte es abgetan. Er meinte, dass hier wäre einer der beschützten Orte, die es gäbe. Nirgends sonst wären so viele Soldaten auf einem Haufen, als im Hauptquartier. Und solange ich verletzt sei, könnte ich sowieso nichts ausrichten.

„Du bist zu streng zu dir. Wir wissen nicht, ob selbst Levi dazu allein in der Lage wäre, Kenny zu besiegen. Er baut auf seine Kameraden, die hattest du all die Jahre nicht und trotzdem hast du es geschafft, so lange vor Kenny zu fliehen und dabei noch Enzo zu schützen. Also sei lieber Stolz darauf, was du bereits erreicht hast, als dem hinterher zu weinen, was du nicht geschafft hast."

„Es bringt nur nichts, wenn es nicht ausreicht."

Hanji sah mich noch einmal ernst an, ließ jedoch das Thema sein. Stattdessen streckte sie mir ihre Hand aus und darin lag eine Kapsel.

„Es soll gegen die Schmerzen helfen.", fing sie an und ohne weiter zuzuhören, nahm ich sie mir und steckte sie in den Mund.

„BIST DU WAHNSINNIG!", schrie Hanji aufgebracht, doch ich nahm mir nur das Glas von meinem Nachtschrank und schluckte sie runter.
„ICH WOLLTE DIR NOCH SAGEN, DASS ICH DIE NOCH NIE JEMANDEN GEGEBEN HABE UND KEINE AHNUNG HABE, WIE DIE NEBENWIRKUNGEN SIND!"

„Egal, danke, Hanji."
Ich erhob mich von meinem Bett und zog mir meine Jacke an.

„Was hast du vor?", fragte sie mich skeptisch.

„Ich muss hier mal raus.", antwortete ich ihr knapp.

„Warte! Ich weiß noch nicht, was du da geschluckt hast. Vielleicht stirbst du gleich!"

„Dann weißt du es zumindest."
Ich ging hinaus und ich merkte, wie Hanji mir mit etwas Abstand folgte, doch ich ignorierte sie. Ich brauchte unbedingt frische Luft.

Ich ging nach draußen und sofort fielen mir die Soldaten auf, die ein Training absolvierten. Sie trainierten Nahkampf und als ich einen großen Bogen um sie machte, entdeckte ich auch Levi, der mit Enzo übte.

Doch sie trainierten anders als die anderen. Ich kam etwas näher und erst jetzt bemerkte ich, dass Enzo einen Stock in der Hand hielt.
Auch Levi hielt einen, doch er schien damit nichts anfangen zu können.

„Sie hat das immer irgendwie so gemacht!", hörte ich Enzo sagen und er fuchtelte dämlich mit dem Stock rum, was mich zum Lachen brachte. Ich setzte mich auf einen umgefallenen Holzstamm und schaute den beiden zu.

„Was tut er da?", hörte ich Hanji fragen. Sie hatte den Abstand zwischen uns fallen gelassen und hatte sich scheinbar dafür entschieden, sich nun zu mir zu setzen.

„Ich glaube er versucht Levi zu trainieren.", meinte ich schmunzelnd.

„Im Stöcker rumfuchteln?", kicherte sie und ich stimmte mit ein. Enzo schien nichts mehr von dem zu können, was ich ihm beigebracht hatte, und je genervter Levi dreinschaute, umso nervöser wurde er und seine Bewegungen wurden unkoordinierter.

„Eigentlich kann er es besser.", versicherte ich Hanji, doch als Enzo wieder zu fuchteln begann, blieb sein Stock in der Erde stecken. Er stolperte über den Stock und landete auf der Nase, was Hanji und mich so zum Lachen brachte, dass wir von Levi und Enzo entdeckt wurden.

Nur nebenbei registrierte ich, dass mir dabei die Rippen nicht schmerzten. Also egal was Hanji mir da verabreicht hatte, es wirkte.

Sofort begann Enzo zu schmollen, als er bemerkte, dass wir über seine Blamage lachten und wütend erhob er sich und stampfte auf uns zu.

„Du hast mir nur Schrott beigebracht!", maulte er mich an, was mich noch mehr zum Lachen brachte.

Wütend schnappte er sich einen kleineren Stock, der vor ihm auf dem Boden lag und fuchtelte wieder damit rum.
„Du hast gesagt, wenn ich das so mache-", er demonstrierte eine Bewegung.
„-dann würde mein gegenüber umfallen! Aber vielleicht sind hier einfach nur blöde Stöcke!"

Ich stand auf, schnappte mir den Stock. Bevor er realisierte, was geschah, setzte ich den Stock hinter seinen Füßen an und zog ihn nach vorne, sodass Enzo sofort zu Boden krachte.

„Nein, am Stock liegt es nicht.", sagte ich lachend. Wieder schmollte Enzo und schnappte sich den Stock wieder aus meiner Hand.
Erst jetzt bemerkte ich Levi, der ebenfalls zu uns gekommen ist. Auch Enzo bemerkte ihn und maulte irgendwas, dass es ja eine Blamage für ihn wäre, ehe er wütend davon stampfte, sich einige Meter weiter auf dem Boden setzte und beleidigt den Stock in die Erde rammte.

„Was ist das für eine Technik?", fragte mich Levi.

„Seine Mutter, Lea, und ich haben sie ausgearbeitet. Wir mussten uns häufig gegen Leute verteidigen, die bewaffnet waren. Also lernten wir mit Dingen zu kämpfen, die wir fanden. Die normalen Nahkampftechniken hatte alle drauf, also erfanden wir etwas, womit niemand rechnete."


„Bring sie mir bei.", forderte Levi und ich sah etwas in seinen Augen funkeln, was meinen Kampfgeist entfachte.

„Oi!", mischte sich Hanji ein.
„Sie ist noch krank, Levi!"

„Geht schon.", versuchte ich Hanji abzuwimmeln.

Levi reichte mir einen der Stöcker, die ich annahm. Nichts lieber wurde ich in diesem Moment tun, als Levi richtig schön in den Arsch zu treten...


GatewayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt