Absturz

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Ferun

Wir rauschten nun schon eine Weile durch die Luft, als sich plötzlich vor uns Wolken auftürmten. „Was um alles…!“, weiter kam ich nicht, da hatte uns die Wolke bereits verschluckt. Ich zog in der Eiseskälte meinen Kopf tiefer zwischen meine Schultern und war so erleichtert, dass Rudolf mit seiner roten Nase uns sicher hier hindurch bringen würde. Der Wind heulte um uns herum, der Schnee peitschte gegen mein Gesicht und die Eiseskälte pikste in meine Haut. „Ha…hat….hatschi…“, nieste Rudolf vorne und verlor beinahe das Gleichgewicht, der Schlitten begann zu schleudern, aber irgendwie schaffte Rudolf es noch ihn wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Der Schneesturm nahm immer weiter zu, und ich war mir sicher, noch nie einen so heftigen gesehen zu haben. „Ach du meine Güte!“, rief Rudolf plötzlich, und nun sah auch ich sein Problem, wir rauschten genau auf einen mit tannen bedeckten Berghang zu. Rudolf versuchte zu bremsen, doch es half nichts mehr, mit einem lauten krachen trafen wir auf die ersten Wipfel der Bäume und dann wurde auch schon alles schwarz um mich herum.

Sven

Ich lag auf einem Hügel zwischen Bäumen im kühlen Schnee, knabberte an paar Grashalmen die noch durch die Schneedecke lugten und dachte an meine Herrin. Ich mag meine Herrin trotz ihrer oft kalten einschüchternden Art und bin froh bei ihr zu sein. Sie akzeptiert mich und ist mit mir zufrieden. Das obwohl ich recht klein, untypisch weiß, tollpatschig…  ohhh Schneeflocken… fing diese mit meiner Zunge auf, äh ja verträumt und leicht abzulenken bin.
Sie hatte mich gerettet. Ich war in eine Gletscherspalte gefallen, als ich vor den anderen Rentieren davon gelaufen bin. Sie hatten sich wieder nur über mich lustig gemacht und wollten mich nicht dabeihaben.
Während ich noch nachdachte, wird es plötzlich dunkler und fängt stark zu schneien und stürmen an… das war wohl meine Herrin. Ich sollte mal lieber nachschauen gehen. Seit Cara und auch die Wölfe nicht da sind, ist sie sehr angespannt und noch schlechter gelaunt… aber jetzt wo es schneit… sehr stark stürmt und schneit, dürfte es ihr besser gehen. Ich kann spüren wo sie ist und laufe in ihre Richtung. Immer schneller und schneller lief ich die Hügel hinab und Ahhhh und Auuuu… stolperte ich leider über meine Beine und rollte den kleiner Berg hinab. Oh man, was muss ich auch vier Beine haben, zwei hätten vollkommen gereicht. Mit einem gewaltigen Rumps landte ich leicht benommen direkt vor Ihren Füßen. Sie sah mich amüsiert an, „das nenn ich mal ne stürmische Begrüßung Sven. Und du bist genau richtig, ich war gerade auf dem Heimweg, so brauche ich nicht weiter Fuß gehen.“ Ich rapple mich auf, stellte mich neben sie und ließ sie aufsitzen. Sie schwang sich elegant auf meinen Rücken. Ich galoppierte an und so liefen wir gemeinsam in vollem Tempo zickzack zwischen den Bäumen durch zurück zum Schloss…

Lupi

„Los, schneller!“, rief ich lachend und rannte mit einem Teil vom Rudel durch den dichten Winterwald, da der Schneesturm unserer Herrin nachgelassen hatte. Mein Vater, Geri und Freki kontrollieren das restliche Gebiet. Währenddessen tollte ich fröhlich mit meinen Geschwistern, natürlich unter strenger Aufsicht des Rudels, im Pulverschnee herum. Ich bin zwar der Kleinste und Jüngste im Wurf und werde oft nicht ernst genommen, aber auch der Schnellste. „Hey, ich bin schneller als ihr!“ und rannte los. Geschickt wich ich tiefhängenden Zweigen aus und war schon bald darauf zwischen den tief verschneiten Bäumen verschwunden. Das heulen und knurren des restlichen Rudels zeigte dass sie im Abstand hinter mir herjagten. „Hah, Langweiler!“
Ich sprang über einen umgefallenen Baum, rutschte geschickt den Hang hinunter und blieb abrupt stehen, als ich etwas bemerkte, was definitiv nicht hierher gehörte. Nicht weit vor mir im Schnee lag halb unter der frischen Schneedecke ein Schlitten, so ähnlich wie die Herrin einen hat. Ich schlich leise unter weiteren umgestürzten Bäumen durch und näherte mich vorsichtig und kampfbereit dem Gefährt. Behutsam wischte ich mit der Pfote den Schnee vom Holz herunter und legte den Rest des Fahrzeugs frei. Mehrere der Holzplanken waren zerbrochen, eine Kufe fehlte komplett. „OHH Geschenkeeeee!“, jubelte ich, als aus dem einen Sack, den ich vom Schlitten zog, bunt verpackte Päckchen vielen. Zumindest müssten sie das laut der Beschreibung von Sven sein. Aber wie kommen die dahin und warum?
„Ferun!“, ich zuckte erschrocken zusammen, der Ruf kam von rechts, nicht weit entfernt. Ich hörte das knirschen des Schnees, drehte mich etwas ängstlich aber auch neugierig herum, als ein Rentier aus dem Unterholz heraus humpelte. „Fer…“, seine Worte erstarben auf seiner Zunge und es starrte mich mit weit auf gerissenen Augen an. Ich betrachtete das Tier genauer, irgendwas war anders… oh, es hat eine rote Nase! „Äh… hast du zufällig…“, wieder wurde es unterbrochen, dieses Mal von einem tiefen Knurren meines Rudels hinter mir. Die Augen des Rentiers weiteten sich noch ein Stück mehr. „Tut mir leid Ferun!“, dann rannte bzw humpelte es so schnell es konnte davon. Ich schaute ihm sprachlos und überrumpelt hinterher.
Alba, meine Mutter, trat neben mich, der Rest des Rudel wartet interessiert und skeptisch noch ein Stück hinter uns im Schutz der Bäume. Das weiße Fell meiner Mutter schimmerte in der Wintersonne, ihre hellblauen Augen musterten zuerst aufmerksam die Gegend und sahen mich dann vorwurfsvoll an. „Es hätte auch was passieren können! In Zukunft wartet du, rennst nicht einfach voraus, keine Alleingänge mehr!“ Im Hintergrund nahmen wir ein leises Geräusch war: „Was war das?“ Etwas bewegte sich unter der Schneedecke. Keuchend und hustend schob sich ein Kopf mit weinroter Mütze und langen braunen Locken hervor. Wieder machte ich mich kampfbereit, während sich die Frau aus dem Schnee befreite. „Verdammt…“, brummte sie, anscheinend hatte sie uns noch nicht bemerkt. Meine Mutter knurrte warnend und die Fremde wirbelte mit einem leisen „Oh“ herum. „Äh… also… ich bin Ferun, könnt ihr mich verstehen?“, fragte sie nach kurzem Zögern und sah uns etwas ängstlich an. „Ja natürlich “ knurrte meine Mutter und der Rest des Rudels trat näher zu uns. Während meine Geschwister Nuri, Aki und Lumi interessiert zum Schlitten schauen, sehen sie Ari, Nova und Dalla misstrauisch und mit gefletschten Zähnen an. „Bitte nichts tun, wir waren nur auf der Durchreise als uns der Schneesturm erwischt hat und… Ohh, Ihr habt nicht zufälligerweise ein Rentier mit roter Nase gesehen?“, sprach sie nervös und viel zu schnell.              „Es ist gerade davongelaufen was man an den Spuren im Schnee sieht.“ „Oje. Armer Rudolf, ihr habt ihn verschreckt.“ „Tatsächlich?“ „Ja, er ist eine treue Seele, aber Wölfe sind nicht so seine Stärke…“ „Tja… euer Problem, ihr seid in unser Revier eingedrungen und solange wir nicht wissen was ihr vorhabt wirst du uns begleiten.“, meinte meine Mutter kühl und stieß dann ein langes heulen aus, das kurze Zeit später erwidert wird. Die Königin wird sich sicher über ein Mitbringsel freuen. „Alle los jetzt und die Säcke mitnehmen.“ „Ok, ich weiß eh nicht wohin“, antwortete sie etwas sicherer, klopfte sich den Schnee von der Kleidung und begann die verstreuten Päckchen wieder in den Sack zu packen…..
Rudolf
So schnell ich konnte rannte, bzw.  humpelte, ich zwischen den Bäumen durch den Schnee davon und war erleichtert, dass mir die Wölfe nicht folgten. Seufzend blieb ich nach einer Weile stehen da mein schlechtes Gewissen sich meldete. Ich wollte Ferun nicht zurücklassen, aber die Angst hatte überhand genommen. Aber sie ist meine Freundin und ich werde sie nicht im Stich lassen, werde ihr helfen, jawoll! Ich wusste bloß noch nicht wie. Meine Schmerzen im rechten Bein wurden auch immer schlimmer und ich schielte vorsichtig runter. Hoffe es blutet nicht, hoffe es blutet nicht… wiederholte ich wie ein Mantra. Denn ich kann kein Blut sehen. Gott sei Dank, kein Blut! Aber verdammt, oberhalb meinem Huf wird es immer dicker. Warum mussten wir auch stürzen und ich umknicken und hoffentlich ist Ferun nichts schlimmes passiert! Schuld war bloß dieser blöde Schneesturm! So einen hatte ich noch nie gesehen, kann nicht mit rechten Dingen zugehen! Ich atmete tief durch und seufzte, ich werde wohl oder übel zurück gehen müssen um zu sehen ob es Ferun gut geht. Hoffe die Wölfe sind weg und haben ihr nichts getan… Ich drehte mich langsam um und humpelte schmerzverzerrt meinen Fußspuren folgend in die Richtung aus der ich gekommen war. Plötzlich knurrte es neben und hinter mir „Wen haben wir denn da“. Ich bemüh mich meine Angst im Griff zu haben, selbstsicher zu wirken und mache mich groß, als ich drei furchteinflößende Wölfe erblicke. Ein dunkelgrau-schwarzer und zwei dunkelgrau-braune. „Ich bin Rudolf und suche meine Freundin Ferun, wir sind mit dem Schlitten durch den Schneesturm abgestürzt“. „Dann vorwärts Freundchen, das wird die Herrin klären“, sprach der sehr große dunkelgrau-schwarze Wolf. Wir folgten meinen Fußspuren und hatten die Absturzstelle bald erreicht. Erleichtert sah ich eine scheinbar unverletzte Ferun und leider noch weitere Wölfe, die bis auf die weiße große Wölfin und den kleinen hellgrau-braunen Wolf, alle unsere Säcke mit den Päckchen nahmen.
Lupi
Oh da kommen mein Vater Askan, Geri, Freki und das Rentier mit der roten Nase, das scheinbar Rudolf hieß. Gut gelaunt begrüßte ich sie winselnd und lief auf das Rentier zu und beäugte es mit schiefgelegten Kopf. Die Frau lief vollgepackt mit Säcken ebenfalls auf Rudolf zu und war erleichtert ihn zum sehen. „Rudolf, ein Glück, du bist wieder da!“ „Ruhe und jetzt endlich Bewegung, auf zum Schloss.“, sagte mein Vater. Gemeinsam machten wir uns mit den beiden und Sack und Pack auf den Weg. Mein Vater voraus, meine Mutter, Geri und Freki im Abstand neben uns. Ich hüpfte fröhlich neben dem Rentier her, während die anderen Wölfe Säcke ziehend und kritisch beobachtend hinter uns her liefen. „Du bist Rudolf? Ich bin Lupi.“ „Lass mich in Ruhe“. „Hey sei doch nicht so“ und stupste ihn an. „Wo kommt ihr her, sind das tatsächlich Geschenke, was ist da drin und was habt ihr damit vor?“, ach komm schon, warum antwortest du nicht. Ungeduldig und neugierig hopste ich neben ihn her. „Bitte“ und zwickte ihn leicht in sein flauschiges Hinterteil. „Jetzt lass mich doch in Ruhe du kleiner Quälgeist, ich bin alt und schmecke nicht“.

Eine etwas andere Wintergeschichte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt