Right person, wrong time

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Ich ziehe mir mein Shirt über den Kopf, lasse mich auf mein Bett fallen, vergrabe meinen Kopf in einem Hoodie. Er ist noch von ihm, riecht noch nach ihm, hat noch seine Initialien am Ärmel, von seinem Karateverein. Ich überlege, ob ich ihm den zurückgeben sollte. Wahrscheinlich sollte ich. Aber konnte ich das? Damit abschließen? Jetzt schon?

Ich habe meine Schuhe noch an, liege halb in meinem Bett, denke an tausend Dinge, mein Kopf ist trotzdem leer. Ich habe Angst. Angst vor der Veränderung in meinem Leben, Angst, ihn zu verlieren, ihn schon verloren zu haben. Irgendwann läuft eine Träne meine Wange herunter. Ich schließe die Augen, versuche mich zu sammeln, vergeblich. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, bis ich irgendwann in der gleichen Position einfach einschlafe, mit dem Geruch seines Hoodies in der Nase.

Meine Füße tun am nächsten Morgen weh, als ich aufwache. Mein Herz auch. Meine Schuhe sind auf Dauer nicht sonderlich gemütlich, die Position erst recht nicht. Ich rappele mich von meinem Bett auf, öffne mein Fenster, gehe ins Bad.

"Komm rein" waren die Worte meines Freundes, Ex-Freundes, Simons Worte gewesen, als ich unwissend vor seiner Tür stand. Dann hattem wir geredet, lange. Eine stunde später saß ich dann in der Bahn, lief irgendwie nach Hause, hatte mich dann in mein bett gelegt.

Ich schaue in den Spiegel über dem Waschbecken. Ich sehe aus wie Überfahren. Meine Haare verwuschelt, lagen trotzdem platt an meinem Kopf. Meine Augen leicht rot unterlaufen, mein Gesicht blass.

Heute ist Mittwoch, noch fünf tage Ferien. Vier davon waren meine Freunde noch im Urlaub. Eigentlich hatten Simon und ich auch wegfahren wollen. Simon hatte dann kurzfristig abgesagt. Und keine Woche später Schluss gemacht. Weil es ihm nicht gut ging. Ich konnte ihn verstehen, gleichzeitig wollte ich ihm helfen, wusste, dass er das nicht wollte.

"Können wir reden?" fragt mich Simon, als wir gerade beide auf dem Flur stehen. Ich will gerade auf Klo gehen, er kommt anscheinend von draußen, sein Gesicht war gerötet. "Klar, gleich" Ich schiebe mich an ihm vorbei, gehe ins Bad.

Als ich wieder komme, sehe ich Simon an der Wand des Dunklen Flurs lehnen. Einer unserer Freunde ist 17 geworden, feierte jetzt mit uns nach. Neben Simon und mir hatte er noch sechs andere eingeladen, wir hatten nur den einen Kellerraum zur Verfügung. Aber es war eine schöne Runde. "Joint?" - "Klar"

Vier Monate war es jetzt her, dass er Schluss gemacht hatte. Wir hatten immer wieder Kontakt, aber nicht so richtig, hatten noch nicht wieder geredet. "Es tut mir leid, was ich damals gemacht habe" beginnt er, als wir uns auf die Mauer an der Hofeinfahrt gesetzt haben. Er zündet den Joint an, den er hinter seinem Ohr klemmen hatte, zieht, reicht ihn mir. "Das lief irgendwie alles kacke, mit meinen Eltern, meinem Outing, Schule, die Therapie, das war alles zu viel. Ich weiß, ich hätte das niemals so an dir auslassen dürfen, aber ich war einfach überfordert, ich wusste nicht, was ich machen sollte" Er nimmt den Joint wieder, den ich ihm hinhalte. "Right person, wrong time" murmle ich in mich hinein, unsicher, ob er es hört. Er lehnt seinen Kopf an meine Schulter. "Ja. Genau das. Ich weiß, dass ich dich Liebe, dich immer geliebt habe. Aber es ging da einfach nicht mehr" - "Ich hätte dich gern aufgefangen" - "Darum gehts nicht. Ich war einfach so immens überfordert, du hättest mir nicht helfen können ohne selbst meterweit in der Scheiße zu stecken" - "Du weißt, dass ich für dich in der Scheiße ertrunken wäre" - "Ich wollte das aber nicht. Du hattest doch selbst genug Probleme" Wir schweigen uns kurz an, in der kalten Januarnacht sieht man nur das Glühen des Joints, wenn er zieht.

"Noah?" - "Simon" - "Darf ich dich nochmal küssen?" Ich denke nach, lasse mir mit meiner Antwort Zeit, sie ist kurz. "Warum?" Er benötigt ein paar Sekunden, zu verstehen, was ich meine. "Eh. Ich liebe dich Noah. Immer noch. Das weißt du. Es hat sich nie verändert" - "Wir haben uns verändert Simon. Wir" Ich sehe in seine Augen. Sie sind immernoch dunkelbraun, schauen einen so treu an wie die eines Hundes. Ein Labrador. "Denkst du?" - "Ja. Wir verändern uns immer. Und ich glaube, die Zeit, in der wir uns zusammen verändern, ist vorbei" - "Warum?" er sieht mich flehend an. Bei seinem Blick bricht irgendetwas in mir. "Ich weiß ich hab Scheiße gebaut. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Es tut mir leid, das war nicht richtig verdammt. Aber ich liebe dich. Du bist der einzige, dem ich wirklich vertraue. Du warst der erste, bei dem ich mich geoutet habe. Du kannst doch nicht die letzten vier Jahre einfach wegwerfen" - "Verdammt. Simme was machst du mit mir" Ich kann in diesem Moment nicht anders, schlinge meine Arme um ihn, küsse ihn. Ich denke, dass das falsch ist. Eigentlich denke ich gerade garnicht. Ich küsse ihn. Darauf habe ich die letzten vier Monate gewartet. Er weiß, dass er mich verletzt hatte. Und sich selbst gleich mit. Aber vielleicht wurde ja jetzt alles wieder gut.

BoyxBoy Oneshots Trans* representationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt