Kapitel 6

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Verammt, was machte ich hier eigentlich? Ich hatte Suga doch tatsächlich eingeladen, so wie er es sich gewünscht hatte.

Nach Tanakas Ansprache hatte ich wirklich geglaubt, ich könnte es schaffen, mich meinen Gefühlen für ihn zu stellen. Jetzt war ich mir dabei aber nicht mehr so sicher. Ich hatte Angst. Immer noch. Und ich war nervös. Immer noch.

"Hey Daichi", begrüßte mich Sugawara, der wie aus dem Nichts vor mir aufgetaucht war.

"Hey", antwortete ich verhalten. Verdammt, reiß dich zusammen Daichi! Du bist doch sonst nie unsicher bei irgendwas. Der Daichi, der Kapitän des Karasuno-Teams war, wusste immer, was zu tun war. Doch der Daichi, der gerade hier vor dem Café mit seinem besten Freund stand, war ein ganz anderer.

"Wollen wir reingehen?", fragte Suga freundlich. Ihn schien meine Wortkargheit nicht zu stören. Er freute sich, dass wir jetzt endlich was zusammen machten. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir war, freute ich mich auch.

"Klar" Ich griff nach der Tür, neben der ich gestanden hatte, und öffnete sie für Sugawara. Er hob dankend die Hand und zeigte mir sein wunderbares, ehrliches Lächeln, während er an mir vorbei ins Café ging.

Wir suchten uns einen schönen Platz nahe dem Fenster. Ich wusste dass Sugawara es liebte, die Leute draußen zu beobachten oder einfach nur das schöne Wetter.

Schon gleich darauf kam eine Kellnerin und wir nannten ihr unsere Bestellung.

Für einen Moment herrschte angenehme Stille. Suga starrte aus dem Fenster und schien ganz seinen Gedanken nachzuhängen. Ich betrachtete ihn, wie er so vertieft in etwas war, was ich selbst nicht erkennen konnte. Er sah so schön aus.

"Du hast mich ganz schön erschrocken, als du nicht zum Training kommen wolltest", sagte er, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.

Daher konnte er auch nicht sehen, wie ich ihn erstaunt anschaute und wahrscheinlich sogar rot wurde.

"Ich hatte echt Angst, dass es dir plötzlich nicht mehr wichtig sein könnte. Dabei bist du doch der Kapitän. Ich hatte immer das Gefühl, du brennst auf eine andere Weise für die Sache als alle anderen." Jetzt schaute er mich direkt an.

"Suga, ich..." Tatsächlich wusste ich nicht, wie ich mich hätte verteidigen sollen. Es stimmte nicht. Ich hatte unser Ziel nicht aus den Augen verloren.

"Falls sich das geändert haben sollte, musst du mir das sagen. Falls dir Volleyball nicht mehr so wichtig ist, muss ich, müssen wir alle das wissen." Er starrte mich eindringlich an.

"Nein, so ist es nicht. Ich will uns noch immer zum Frühlingstunier bringen.", sagte ich so bestimmt ich nur konnte. Vor allen anderen im Team fiel es mir leichter, die Souveränität des Kapitäns aufrecht zu erhalten. Nicht so bei Suga.

"Das ist gut" Jetzt lächelte er wieder. "Mir ist da nämlich was aufgefallen, was ich mit dir besprechen wollte."

Und so erzählte mir Sugawara, was er bei den jüngeren Teammitgliedern festgestellt hatte. Suga hatte eine unglaublich gute Beobachtungsgabe und so erzählte er mir öfter von den Mängeln oder Stärken der anderen und seine Ideen, wie man daran arbeiten könnte. Er selbst traute sich oft nicht genug zu, um es den anderen direkt zu sagen, also suchte er Rat bei mir. Und es gefiel mir, eine helfende Hand an meiner Seite zu haben, mit der ich das Team besser führen konnte.

"Weißt du eigentlich schon, was du nach der Schule machen willst?", fragte Suga plötzlich unvermittelt. Die Frage traf mich wie ein Schlag. Es war genau das Thema, worüber ich am wenigsten nachdenken wollte und es doch am dringendsten tun musste.

"Noch nicht so richtig. Ich würde gerne eine Ausbildung anfangen und hab ein paar Ideen, naja… aber entschieden hab ich mich noch nicht"
Mir war klar, dass ich kein Studium anfangen wollte. Dafür war ich nun wirklich nicht der Typ. Suga jedoch schon. Er sollte es unbedingt tun. Er ist so schlau.

Suga warf mir einen zweifelnden Blick zu. "Irgendwie glaub ich dir das nicht."

"Jaaaa…" Ich kratzte mir verlegen am Kopf. Natürlich hatte er mich durchschaut. Er kannte mich eben ziemlich gut. Aber diese Sache hatte ich noch niemandem erzählt. "Als Kind wollte ich immer Polizist werden. Aber ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre"

"Ich find es nicht schlecht. Ich denke, du könntest es probieren"

Ich blinzelte perplex. "Ja? Das denkst du?" Ich senkte den Blick. Es freute mich zwar, dass er so dachte, aber ich wollte eigentlich gar nicht weiter darüber reden. Am Ende musste ich mich selbst entscheiden, oder? "Was willst du denn machen?"

Sugawara zuckte die Schultern. "Ich würd gern was mit Kindern machen. Vielleicht Lehrer oder so"

"Ja das passt zu dir" Ich lächelte bei dem Gedanken, wie Suga stets mit Kindern umging. Besonders meine kleinen Geschwister mochten ihn sehr.

"Warum siehst du dann so traurig aus, Daichi?"

"Ich sehe überhaupt nicht traurig aus!", widersprach ich, ohne zu wissen, wie ich eigentlich aussah.

"Aber nachdenklich." Er strich mit dem Finger über meine Stirn und erst da merkte ich, dass sich eine Falte zwischen meinen Augen gebildet hatte.

Ich seufzte. "Ich… ich habe nur irgendwie Angst. Alles wird sich verändern. Ich werde das hier alles schon ziemlich vermissen, weisst du"
Es fiel mir schwer, dieses Geständnis abzulegen, doch es tat gut es endlich auszusprechen.

"Ja das stimmt. Aber eins kann ich dir versprechen. Mich wirst du nicht so schnell los"

"... Was?"

"Daichi, ich will nirgendwo hin wo du nicht auch bist. Ich werde alles dafür tun, damit wir zusammenbleiben können" Plötzlich wurde Suga traurig.

"Was ist?"

"Ich hoffe, das willst du auch?"

Ich nickte heftig. Zu groß war der Kloß in meinem Hals. Ich hatte das Gefühl, dass unzählige unausgesprochene Worte zwischen uns hingen. Doch ich schaffte es nicht, auch nur einen Ton rauszubringen.

Wie ein Ertrinkender streckte ich die Hand nach Suga aus und er ergriff sie. "Daichi, ich will mit dir zusammen sein. So richtig"

Ich konnte nicht fassen, was er da gerade gesagt hatte. Da merkte ich, dass meine Mauern, die ich mir aufgebaut hatte, mit einem Mal in sich zusammen fielen. Suga hatte mir gerade versprochen, immer bei mir zu bleiben. Und auch wenn es vielleicht nicht klappen könnte... Es war mir endlich egal. Ich wollte nur noch ihn.

Was sollte schon dabei sein, mit ihm zusammen zu sein?

Schnell rückte ich näher an ihn heran, um ihn fest in meine Arme zu schließen. Ich wollte ihn nie wieder loslassen. Jetzt wo ich ihn einmal hielt.

Doch irgendwann löste ich mich von ihm und tat das, was ich schon längst hätte tun sollen: Ich nahm sein Gesicht vorsichtig in meine Hände und küsste ihn.

Sacht berührten sich unsere Lippen und ein Schauer durchfuhr mich. Ich wollte mich schon lösen, da allein diese kleine Berührung so überwältigend war, doch ich merkte, dass Suga sich an meinem Hemd festgekrallt hatte. Also blieb ich und das war auch gut so.

Irgendwann ließen wir schließlich voneinander ab und starrten uns schwer atmend an.

"Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet", keuchte Suga.

"Ich auch nicht", antwortete ich wahrheitsgemäß.

We Will Stay Together (Daichi x Suga) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt