Kapitel 4

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Fröstelnd ging ich den Weg zur Schule durch den Schnee. Meine Hände hatte ich tief in meine Jackentasche gesteckt und meine Nase in meinen Schal eingegraben. Ich war normalerweise nicht empfindlich, aber ich war ja auch die letzte Woche kaum draußen gewesen.

Gerade als ich die Turnhalle schon in der Ferne sehen konnte, traf mich etwas hart am Rücken und zerbröselte.

Wütend schaute ich mich nach hinten um, um zu sehen, wer mich beworfen hatte.

Es war Sugawara. Gerade formte er die nächste Ladung Schnee zu einem kleinen runden Ball zusammen. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, lachte er hell und mit einem Mal war meine Wut verflogen.

Stattdessen bückte ich mich angriffslustig, um meinerseits Schnee zusammenzuklauben und zu formen. Ich richtete mich gerade wieder auf, als mich schon Sugawaras Geschoss traf.

"Na warte!", rief ich aus und warf den Ball. Doch Suga wich geschickt aus und er flog an ihm vorbei. Hämisches Lachen.

Statt erneut Schnee zusammenzuscharren, rannte ich einfach auf ihn zu. Wie ein Rugbyspieler warf ich meinen Freund um und wir landeten gemeinsam im weichen Schnee. Doch ich ließ ihm keine Verschnaufpause. Ich hielt ihn am Boden und begann sofort, ihn mit Schnee einzureiben. "Nein! Bitte Daichi!", flehte Suga halb panisch, halb lachend und versuchte erfolglos mich abzuwehren. "So war das nicht gemeint. Tut mir leid, tut mir leid" Seine Stimme ging in einem Glucksen unter und ich ließ von ihm ab.

"Das will ich doch hoffen", prustete ich, bevor ich mich erschöpft neben ihn fallen ließ.

"Ich mach's nie wieder, versprochen!'' Suga grinste mich an. "Ich konnte ja nicht ahnen, dass du gleich zu so harten Maßnahmen greifen wirst"

"Tja, leg dich nicht mit mir an", antwortete ich und schloss die Augen. Suga sah so wunderschön aus, wenn er so vor Freude strahlte, doch ich wollte nicht, dass er sah, wie ich ihn betrachtete.

Für einen Moment hörte ich Sugas schnellem Atem zu. Ich wollte diesen Moment für immer festhalten. Doch dann hörte ich den Schnee neben mir knacksen und Suga stand auf.

"Komm. Wir müssen los. Die anderen warten sicher schon auf uns"

Ach ja, das Training. Ich ließ mir von Suga aufhelfen und joggte ihm hinterher. Noch immer klopfte mein Herz wie wild. Doch das hatte nichts mit meiner Kondition zu tun. Ich wollte diesen wunderschönen Moment in meinem Inneren versperren, wo er kein Unheil stiften konnte, doch mein Herz hatte andere Pläne.

Immer und immer wieder hörte ich Sugas Lachen wie einen Ohrwurm in meinem Kopf. Ich war wirklich hoffnungslos verloren.

***

Am Nachmittag saß ich vor dem Klassenraum auf dem Boden über einen Block gebeugt. Ich mochte es, meine Hausaufgaben in den Pausen zu machen. So hatte ich mehr Freizeit zuhause oder fürs Training und andererseits einen kleinen Moment für mich.

"Hey Daichi", begrüßten mich meine Mitschüler, bevor sie in den Raum gingen. Ich verstand mich zwar ziemlich gut mit den Jungs, wollte aber nicht immer reden. Manchmal brauchte ich einen Moment für mich. Wenn ich meine Hausaufgaben machte, ließen sie mich in Ruhe.
Doch gerade kam ich einfach nicht weiter.

In dem Moment als ich meinen Stift schon wieder frustriert in die Federtasche stecken und die Aufgabe sein lassen wollte, bemerkte ich, dass sich Sugawara zu mir runter gekniet hatte.

"Hey, kann ich dir helfen?"

"Nein, bin schon fertig", log ich und wollte den Block wegpacken, doch Suga hielt ihn sanft fest.

"Das glaub ich dir nicht. Du sitzt seit geschlagenen fünf Minuten vor dem Ding, ohne etwas aufgeschrieben zu haben."

"Stimmt", gab ich zu. Es war mir peinlich, vor Sugawara zuzugeben, dass ich hier einfach nicht weiter kam.

Stumm zog er meinen Block zu sich, um die Matheaufgabe darauf anzuschauen.

"Was machst du eigentlich hier?", fragte ich ihn nun, da ich nichts anderes mehr zu tun hatte. Suga und ich waren nicht in einer Klasse.

"Hab ein paar Räume weiter gleich Unterricht"

Und da hatte er mich im Flur sitzen gesehen und fünf Minuten lang beobachtet. Wie ich mir das so vorstellte, merkte ich, wie meine Wangen verräterisch warm wurden.

"Suga, du brauchst wirklich nicht meine Hausaufgaben machen", räumte ich nun ein.

"Ich helfe dir gerne, das weisst du doch. Guck mal hier" Er zeigte mir, wie man mit ein paar Schritten zur Lösung des Problems kommen konnte. Zwar wäre ich wohl alleine nie darauf gekommen, aber ich musste zugeben, dass Suga wirklich gut erklären konnte.

"Danke. Kann ich dir dafür was als Gegenleistung bieten?"

"Du willst mich bezahlen?" Suga lachte. "Daichi, ich bin dein Freund. Ich mach das gratis für dich"

Mein Herz stockte, als er "dein Freund" sagte. Ach verdammt, hör auf dort was reinzuinterpretieren. Ich musste aber zugeben, dass es sich gut anhören würde.

Als er meinen entgeisterten Blick sah, lenkte er ein. "Lad mich doch mal auf einen Kaffee ein" Ein vielsagender Blick traf mich. Trotzdem konnte ich ihn nicht deuten. Ich stimmte ihm zu und schon ertönte der Gong, der die nächste Stunde ankündigte und Suga machte sich auf zu seinem Raum.

Ich sollte ihn einladen. Konnte es sein, dass ich mir hier nichts einbildete und er es genauso meinte, wie ich es mir dachte oder wünschte ich es mir einfach? Ich wusste es nicht. Doch ich hatte Angst. Angst um meine Gefühle. Wenn ich mich ihnen weiter hingab und sie größer wurden… konnte ich nur verletzt werden… denn nach der Schule würde nichts mehr so sein, wie es mal war.

We Will Stay Together (Daichi x Suga) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt