Kapitel 3 ~ Auf, auf

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Es vergingen zwei weitere Tage. Rodolphus hatte es Bellatrix gestattet, bei ihm zu wohnen. Zumindest vorübergehend und nur unter der Bedingung, dass sie Abstand zu seiner Großmutter hielt. Sie sei in letzter Zeit einfach zu oft verwirrt und stünde neben sich, als dass man sie mit einem Gast im Haus überfordern sollte, meinte er nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht nach dem Gespräch.
Mrs Lestrange verließ ihr Zimmer zwar fast nie und schlich nur gelegentlich orientierungslos durch die Gänge des Hauses, als dass sie sich an einer sich frei durch die Räume bewegenden Bellatrix irgendwie hätte stören können. Doch die junge Hexe widersprach nicht. Zu sehr fürchtete sie, Rodolphus könne es sich womöglich anders überlegen, sie bei dem nächsten Treffen seiner Freunde, wie er sie anonymer Weise nannte, mitzunehmen. Nur nachts, wenn das Haus im Dunkeln und die Familienälteste in tiefem Schlummer lag, wagte Bella es, hinunter in die Küche oder ins Badezimmer zu huschen wie ein nicht geduldetes Phantom.

An einem nebligen Sonntagmorgen - der Schnee hatte begonnen, zu schmelzen und die Straße mit großen Taupfützen versehen - wurde Bellatrix durch ein unsanftes Rütteln geweckt. Ihre Lider zuckten und ihr Gesicht verzog sich unzufrieden. Schmollend öffnete sie die noch müden, dunklen Augen und blinzelte verschlafen gegen das Tageslicht, das das Schlafzimmer flutete. Verwirrt sah sie sich nach dem um, das sie geweckt hatte, die Hände noch unter die Wange zwischen Kopf und Kissen geschoben und nicht fähig oder willig ,einen einzigen Muskel zu bewegen. Rodolphus stand am Fußende mit dem Rücken zu ihr. Er war bereits halb angekleidet und machte einen überaus geschäftigen Eindruck, ganz so, als sei er in Eile. Gerade widmete er sich seinem Spiegelbild, das ihn von der dem Bett gegenüberliegenden Zimmerwand her mürrisch anschaute, indes er die letzten Knöpfen seines Hemdes verschloss und dann mit den Hemdsärmeln fortfuhr. Seine Schuhe steckten in robusten Drachenlederstiefeln und sein Zauberstab in einer Art Holster an seinem Gürtel.
Noch immer müde, hob Bella etwas den Kopf und stemmte dann den Oberkörper, dessen Blöße sich noch immer unter der bis unter die Achseln gezogenen Decke verbarg, auf einen Berg aus Kissen.
„Gut. Du bist wach.", bemerkte Rodolphus mit unterkühlter Stimme, indem er sie kurz durch den Spiegel anblickte, als sie sich im Bett hinter ihm regte, bevor er sich wieder sich selbst zuwandte.
„Du bist schon auf? Wie spät ist es?", murmelte Bellatrix und blickte sich im Raum nach einer Uhr um. Doch Rod war mit seiner Antwort schneller.
„Es ist fast acht Uhr. Wir müssen los. Zieh dir etwas an."
„Acht Uhr...?", träge drehte die Hexe den Kopf zum Fenster und blinzelte gegen den hellen, doch wolkenverhangenen Himmel. Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Ihr Schlaf war von Albträumen gestört worden und zu allem Überfluss hatten, wie sie glaubte, die wimmernden Wehklagen von Mrs Lestrange sie zu späterer Stunde wieder einmal wachgehalten und erst gegen Morgen erneut einschlafen lassen. Worüber die Alte weinte oder wen sie so lautvoll betrauerte, wusste Bellatrix nicht und Rodolphus behauptete, es ebenfalls nicht zu wissen. Fast jede Nacht rief sie nach ihrem Enkel oder eher ihrem Sohn, denn vehement nannte sie ihn bei dessen Namen. Dieser verließ dann Bellas Seite, um dem Ruf seiner Großmutter zu folgen und sie zu beruhigen.
„Willst du jetzt mitkommen oder nicht?", Rodolphus' Stimme war nun ungeduldig, während er sich eine Art wildledernen Wams über sein Hemd zog und darin mit seinen breiten Schultern einen recht verwegenen und unleugbar  attraktiven Eindruck machte.
Bellatrix nickte nur stumm, etwas widerwillig. Eine ehrliche Antwort wäre es gewesen, hätte sie verneint, sich die Decke über den Kopf gezogen und jeglichen Kontakt, der außerhalb des Bettes stattgefunden hätte, für die nächsten zwölf Stunden vermieden.
Doch die Neugier, endlich zu erfahren, wonach sie schon seit Monaten fragte und forschte, ließ sie sich nun endlich aufrappeln, aus den Laken gleiten und barfuß zu ihrem Koffer gehen. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabes, welchen sie beiläufig vom Nachttisch genommen hatte, flog ihr ein Bündel Wäsche aus den Tiefen des verhexten Koffers in die Arme, mit welchem sie dann das Badezimmer aufsuchte.
Etwa zehn Minuten später nahm die junge Hexe die Treppenstufen nach unten ins Foyer, wo Rodolphus schon aufbruchbereit an der Tür stand und auf sie wartete. Bellatrix trug ein schwarzes, hochgeschlossenes Reisekleid, das einem praktischen Gehrock glich, und, ähnlich wie auch Rod, einen ebenfalls schwarzen Umhang. Ihr Haar war hochgesteckt und unter einer kleinen, spitzen Kappe verborgen. Sie mutete so aristokratisch an, wie ihre Familie es seit jeher tat, wohin sie auch ging. Ganz so wie es sich für ein so fürnehmes Reinblütergeschlecht, wie es die Blacks waren, geziemte.

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