Kapitel 12 ~ Der Nachtmahr in der Maske

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„Ich weiß nicht, wie oft ich es noch sagen muss:" Der Himmel war grau, doch an einigen Stellen brach das helle Blau - wie Dotter unter einer porösen Eierschale - hindurch und ließ auf gutes Wetter hoffen. Der Rasen war nass und die langen Halme troffen noch vom vorhergegangenen Regen. Für die Jahreszeit war es erstaunlich warm und nicht einmal der kurze Schauer hatte die Vögel, die aufgeregt zwitschernd um die Obstbäume flatterten, in denen sie nisteten, zum Schweigen bringen können.
„Ich weiß nicht, wo sie ist! Ich lüge nicht. Und ich bin erwachsen. Ihr könnt mich nicht ewig hier festhalten und es ist mir egal, wie sehr ihr mich bestraft - Lange werdet ihr mich nicht mehr einsperren. Die Nachbarn werden reden und das wäre doch ärgerlich, nicht wahr, Maman? Und was werden erst Vaters Kollegen in der Nokturngasse denken? Sie wissen, dass ich meinen Abschluss bereits lange habe. Warum sollte ich nicht arbeiten? Ich bin kinderlos und nicht verheiratet. Was wird wohl aus dem Ruf der Blacks, wenn herauskommt, dass die eine Tochter weggesperrt und die andere eine Nestbeschmutzerin ist? Und wie werden sie wohl Narcissa in Hogwarts behandeln, wenn erst die Gerüchteküche brodelt."
„Genug! Schluss jetzt!", Druellas schrille Stimme gellte durch den Garten, durch den die Hauselfen huschten, um Hecken zu schneiden, Blumen zu gießen und Büsche zu stutzen.
Ihre sonst so makellos aristokratische Erscheinung war heute mit Gartenhandschuhen, Schürze und Sonnenhut ausstaffiert, während sie an einem Pflanztisch Alihotsi-Gewächse in kleine Tonkübel eintopfte. Man vermutete es nicht, doch die Frau des vermögenden Cygnus Black scheute nicht davor, ihren Garten und die Pflanzen darin selbst zu pflegen - zumindest ab und an -, was wohl nicht zuletzt an ihrer einstigen Anstellung als Apothekerin in der Winkelgasse lag.
Bei den Worten ihrer Ältesten ließen ihre Hände erregt zitternd den Topf, den sie gerade mit Erde befüllt hatte, auf den Feldsteinweg fallen. Bellatrix, die die hysterischen Gefühlsausbrüche ihrer Mutter gewöhnt war und damit gerechnet hatte, ließ lässig den Zauberstab kreisen, und die Tonscherben fügten sich wieder ohne Weiteres zusammen, und auch die Erde schichtete sich widerstandslos selbst zurück in den Bottich.
Sie war es leid, eingesperrt zu sein. Sie war es leid, nichts unternehmen zu können und sich auf die Suche nach Antworten zu begeben. Und sie war es leid, einsam zu sein.

„Du hast recht.", sagte sie und reichte ihrer Mutter den reparierten Topf zurück. „Es ist genug.", Bellas Blick war stur und bohrend. Sie würde nicht nachgeben. Und ihre Mutter war das schwächere Glied in der Kette. Wenn sie es nur schaffte, sie zu überzeugen, würden sie vielleicht beide ihren Vater zur Vernunft bringen.
Druella seufzte. „Ich weiß, dass du nicht lügst. Aber...dein Vater ist eben besorgt."
Besorgt...pah! Bellatrix konnte nur mit Mühe ein Schnauben unterdrücken. Ihr Vater liebte es lediglich, Kontrolle auszuüben und seine Macht zu demonstrieren. Das hatte er immer schon geliebt. Er liebte es von seinen eigenen Kindern gefürchtet zu werden.
„Wäre er weniger besorgt, wenn ein Artikel über mich und Andy seinen Weg in den Tagespropheten finden würde? Gerade in seiner Branche...mit seinem makellosen Ruf als Ahnenforscher und Zauberkundler, wäre es doch besser, die Details aus unseren engsten Kreisen blieben unter uns."
Bellatrix scherzte nicht. Sie hasste ihr Dasein als Gefangene dermaßen, dass sie nicht einmal mehr davor zurückschreckte, ihre eigenen Eltern zu erpressen. Und ihre Verbissenheit blieb nicht ohne einen Effekt. Druella schluckte und hielt dem Blick der jungen Frau kaum stand.
„Schön, ich...ich rede mit ihm. Aber tu nichts, was dich selbst ins Unglück stürzen könnte, mein Kind. Das ist es nicht wert."
„Das ist es allerdings, Maman."
Druella öffnete den Mund, schloss ihn wieder und ruckte dann seltsam mit dem Kopf, als wäre sie unentschlossen, wie sie auf die Situation reagieren sollte, und wandte sich dann wieder ihren Alihotsi-Setzlingen zu.
„Vergiss nicht, deiner kleinen Schwester ein Geschenk zu schicken, jetzt, da deine Eule zurückgekehrt ist. Immerhin ist das Cissy's großer Tag. Mein kleines Mädchen wird siebzehn...", die Hexe verlor sich in ein emotionales Schluchzen, das sie beinah in einem der mit feuchter Erde besudelten Handschuhe, in denen ihre Finger steckten, ersticken wollte, bevor sie sich selbst ausbremste. Stattdessen reichte ihr einer der Hauselfen wortlos und untergeben ein makellos weißes Taschentuch, in das sie sich bedenkenlos schnäuzen konnte, ohne sich ihr alabasterfarbenes Gesicht mit Erde beschmutzen zu müssen.
„Natürlich...", murmelte Bellatrix unbeeindruckt und unterkühlt.
„...ich werde mich einfach in meinem Zimmer nach etwas Geeignetem umsehen. Wer braucht schon die Winkelgasse mit ihren Geschäften, wenn man sich nur von seinem persönlichen Besitz trennen muss, um jemand anderen für zwei Minuten zu erheitern und ihn zu seiner großen Errungenschaft zu beglückwünschen, geboren worden zu sein..."
„Deinen Zynismus dulde ich hier nicht, junge Dame. He! Hörst du?!"
Doch Bellatrix war bereits auf dem Weg zurück ins Haus und in ihr Zimmer. Die halbe Stunde ihrer gestatteten Zeit an der frischen Luft, neigte sich ohnehin dem Ende zu und sie konnte ihre Mutter nur in kleinen Dosen ertragen. Zu dem würde ihr Vater bald schon von seiner Arbeit zurückkehren und diesem wollte sie unter keinen Umständen unter die Augen treten.

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