Kapitel 9 ~ Stille Wasser sind tief

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Die Dielen hatten einige große Wasserschäden. Ganz so, als hätte man sie nicht fachgemäß gereinigt oder versehentlich eine große Menge Flüssigkeit verschüttet. Das Holz war ein wenig aufgequollen und farbentsättigt, die Maserung spröde und splittrig. An einigen Stellen standen die Dielennägel gefährlich heraus oder waren so tief hineingetrieben, dass das Brett an der Eintrittsstelle gespalten war.
Bellatrix hatte Zeit, sich eindringlich mit dem Fußboden zu befassen. Den Kopf tief geneigt, war ihre Stirn nur Zentimeter von ihm entfernt und ihr Blick starr darauf gerichtet. Die Konzentration auf diese nichtigen Details half ihr, ihre Aufregung zu verschleiern. Und diese war enorm. Neben der Erwartung, Rod wiederzusehen, freute Bella sich unsagbar darüber, einer geheimen Organisation anzugehören. Die Vorstellung, ein Teil etwas Bedeutsamem zu sein, reizte sie. Und doch war da noch etwas anderes, das sie zunehmend unruhig machte.
Der Raum wurde, wie so oft an diesem Abend, in sattes Giftgrün getaucht, und dieses Mal wussten alle Anwesenden, wer der Versammlung in Rosier's Haus als nächstes beiwohnte. Gemächliche, gleichmäßige Schritte klangen mit dem Geräusch flacher Absätze auf Holz im Salon nach, als sie sich ihnen näherten. Ein leises Schleifen begleitete die Schritte und Bellatrix sah im Augenwinkel durch einen Vorhang dicker Locken, die ihr übers Gesicht fielen, wie einige ihrer Nebenmänner sich noch im Knien nach vorn beugten und nach dem Saum eines tiefschwarzen, schwer samtenen Umhanges griffen und ihn voll Ehrfurcht küssten.
Yaxley neben ihr, die Augen geschlossen, beschränkte sich darauf, das Haupt noch tiefer zu neigen und den Stoff durch seine zitternden Finger gleiten zu lassen, als dieser an ihm vorbei über den Boden gezogen wurde. Als das Paar feinster Lederschuhe jedoch an Bellatrix vorbei schritt, ließ sie sich ebenfalls nach vorn fallen und bedeckte den fein verarbeiteten Saum mit ihren Lippen.
Er roch nach Staub, etwas süßlich Blumigen und der Kaminasche, aus der sein Besitzer eben gestiegen war. Bellatrix spürte, wie feingliedrige, lange Finger billigend ihren Kopf streiften und durch ihr Haar fuhren, bevor der Umhang sich ihr entzog, und sie ihr Gewicht zurück auf ihre Zehen verlagerte, um wieder in die Reihe zu rutschen. Ihr Herz schlug ihr schmerzhaft gegen die Kehle.
„Meine Freunde...", hob die Stimme des Zauberers an, der sich Bellatrix während ihres ersten Treffens bei den Todessern als
Lord Voldemort vorgestellt hatte.
„Ich danke euch für diesen würdigen Empfang. Jetzt kommt. Erhebt euch und sitzt mit mir zusammen. Wir haben viel zu besprechen."

Bellatrix und die anderen richteten sich auf. Der Lord stand am Kopf der Tafel, die sich in einiger Entfernung zum Kamin befand. Er lächelte sein charmantes Lächeln, das sich mit seinen wiederum angsteinflößend rot schimmernden Augen und der unnatürlichen Blässe auf seinem Gesicht zu einer eindrucksvollen Erscheinung paarte. Bella warf ihm einen flüchtigen Blick zu und senkte ihn dann sofort wieder demütig gen Boden. Die Todesser platzierten sich um den Tisch, wobei sie das Ende für ihren Anführer aussparten. Die junge Hexe setzte sich zwischen Avery und Travers, die wie auch der Rest erwartungsvoll ihre Blicke auf Voldemort gerichtet hatten, der sich nun, da alle saßen, ebenfalls erhaben auf dem Stuhl niederließ, als wäre dieser ein Thron.
„Nun,", begann er und lehnte sich auf seinem Platz nach hinten, während er die langfingrigen Hände vor der Brust grazil verflocht.
„Ich freue mich, dass wir vollzählig sind. Ihr habt dazugelernt und wisst, wie unabdingbar es ist, dass alle sich an den Versammlungen beteiligen, wenn der Plan gelingen soll."
„Herr...", warf Macnair dazwischen. „..., aber was ist mit den anderen? Dolohov, Lestrange und Mulciber... sie sind noch nicht -"
„Sie sind entschuldigt. Die drei sind auf einer wichtigen Mission, was ich ebenfalls zur Sprache gebracht hätte, wenn du mich hättest ausreden lassen, Walden.", Voldemorts Stimme war nicht über seine vorige Lautstärke hinausgetreten. Doch die Schärfe seiner Worte hätte schneidender und mahnender nicht sein können. Das Lächeln auf seinen schmalen Lippen war einem missbilligenden Nasenrümpfen gewichen, als dieser ominöse rote Funke in seinem Blick aufloderte und Macnair in die Schranken wies. Dieser senkte sogleich den Blick und rutschte in seinem Stuhl ein wenig zurück, als wollte er darin versinken.
Insgeheim war Bellatrix aber froh, dass Macnair die Frage gestellt hatte und sie selbst es nun nicht tun musste. Auf was für einer Mission würde Rod jetzt wohl sein?

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