Kapitel 19 ~ Toujours pur

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„Der junge Mister Black muss etwas essen. Er ist so mager."
„Ich hab keinen Hunger."
„Aber er wächst doch noch. Wenn er kräftig werden will, muss er essen."
„Ich sagte doch, ich will nicht!"

„Wenn ich du wäre, würde ich essen: Ihr Eintopf ist der beste...und vorher wird sie sowieso nicht nachgeben.", Bellatrix bog in die Küche. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen trat sie zu den beiden, die sich zuvor unterhalten hatten: Doaty die Hauselfe und ein Junge um die dreizehn. Die Elfe quiekte vor Freude und tapste eilig um die lange rustikale Holztafel herum, an der der Junge vor einer dampfenden Schüssel saß. Er sah Bellatrix neugierig an und ließ die Hand, auf der er sein Kinn gestützt hatte, langsam sinken.
„Miss Bella!", juchzte die Elfe, kam um den Tisch herum getappst und umarmte ihre junge Herrin auf Taillenhöhe. Dann sprang sie - offenbar über sich selbst erschrocken - zurück und verbeugte sich stattdessen tief. Bellatrix strahlte erleichtert.
„Ich musste dich unbedingt sehen, Doaty. Ich hatte ja keine Ahnung, dass mein Vater dich hierher verkaufen würde, während ich ans Bett gefesselt war."
Doaty's Blick zeigte ehrliches Bedauern. „Der Herr hatte verboten, Miss Bella noch ein letztes Mal zu sehen. Doaty konnte es Miss Bella nicht erzählen oder sich auch nur verabschieden."
„Er wollte sicher nicht, dass ich dir weitere Befehle geben kann und du mir hilfst. Schlau von ihm...", Bellatrix Worte schmeckten bitter auf ihrer Zunge und sie verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln. Ihr Vater war wie ein Splitter unter ihrer Haut, der sich zunehmend immer tiefer und schmerzhafter in ihr Innerstes fressen würde, wenn sie nichts dagegen unternahm.
„Doaty hat sich mit dem Fleischklopfer die Hände bearbeitet, weil sie die Herrin allein lassen musste und den ganzen Weg nach London über geweint. Aber Miss Walburga ist eine gute Herrin und Doaty darf bei ihrem Sohn sein."
Bellatrix hob die Brauen und sah sie fragend an. „Deinem...deinem Sohn?"
Die Elfe nickte, offenbar mächtig stolz.
„Ja, Miss. Er ist oben und serviert die Erfrischungen.", Bella erinnerte sich: Ihre Mutter hatte erwähnt, dass Doaty's Sprössling hier lebte.
„Kreacher liebt es hier. Und Doaty tut ihr bestes, es auch zu lieben. Doaty bohnert den Boden und fegt die Treppe und kocht. Und manchmal kümmert sie sich um die jungen Herren, die nicht essen wollen.", sie ruckte vielsagend mit dem Kopf in Richtung Tisch.
„Ich habe nunmal keinen Appétit...", beharrte der Junge aus dem Hintergrund.
Sirius...
Bellatrix hatte ihn ganz vergessen. Den älteren ihrer beiden Cousins hatte sie das letzte Mal auf einem Fest wie diesem hier gesehen. Damals war sie dreizehn Jahre alt gewesen. Etwa in seinem jetzigen Alter. Ein Gespräch hatten sie nie geführt - er war einfach zu jung gewesen - und sie sah, dass er nicht mehr genau wusste, wer sie war. Andromeda jedoch hatte früher oft mit ihm gespielt und auf ihn aufgepasst.
Sie verscheuchte ihre Schwester schnell aus ihren Gedanken, bevor sie erneut die Überhand gewinnen konnte, und widmete sich wieder Sirius.
Noch immer hatte er den Eintopf nicht angerührt. Stattdessen blätterte er in einem Magazin. Einem...seltsamen Magazin, dessen Titel Bella jetzt ins Auge stach:
Spinning Spokes - Rennräder im Test. Sie runzelte die Stirn und setzte sich ihm gegenüber. „Was liest du denn da? Sirius schielte misstrauisch über den Rand der Zeitschrift hinweg, legte seine Lektüre flach auf den Tisch und schob seinen Arm darauf, um der Hexe die Sicht zu versperren. „Das geht dich nichts an.", zischte er verdrießlich.
Bellatrix zuckte gleichgültig mit den Achseln. Die Hände unter dem Tisch, zückte sie ihren Zauberstab und ließ ihn kurz schnipsen.
Mit einem stummen Accio glitt das Magazin unter Sirius' Arm hindurch, der es noch festzuhalten versuchte, und schlitterte dann über die Tafel, wo Bellatrix es blitzschnell auffing, bevor der Junge auch nur protestieren konnte. Sie drehte sich ein wenig weg und schlug es auf.
Rennräder? Was soll das sein?", das abgebildete Vehikel hatte zwei Räder, Pedalen und eine Menge verarbeitetes, grellbunt lackiertes Metall.
„Gib mir mein Heft zurück!", schimpfte Sirius nur und versuchte verzweifelt, an die Zeitschrift zu kommen.
„Ist es eine Art Besen für...Muggel?", Bellatrix blieb unbeeindruckt und blätterte lässig weiter, ohne ihren Vetter zu beachten, wenngleich sich beim Anblick der Artikel die Abneigung in ihr aufbäumte.
„Bitte!", flehte der Junge. „Wenn meine Mutter Wind davon bekommt,...", er unterbrach sich. Bella schaute über den Rand der Seiten zu ihm. Sein Gesicht war tief bekümmert. Sie klappte das Heft zu und reichte es ihm zurück. Sofort riss er es ihr hektisch aus der Hand, rollte es zusammen und klemmte es sich hinter den Hosenbund, wo er es unter seinem Pullover verbarg. Alphard's Worte klangen in Bellatrix' Ohren nach: Ich habe auch nie so ganz hineinpassen wollen...
Mochte ihr Onkel auch etwas eigenartig sein, was er sagte, hatte seinen Eindruck auf die junge Dame hinterlassen und so erkannte sie das Muster, das auch Alphard aufgefallen war:

UnverzeihlichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt