Hannah ☆

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Panik stieg in mir hoch, meine Augen weiteten sich und meine Hand fing augenblicklich an zu zittern. Was sollte ich denn jetzt machen? Hektisch begann ich mich langsam auf den Boden zu knien, die nackte Hand dabei schützend an meinen Körper gepresst.

Ich musste die Hand irgendwie in meiner Jacke einklemmen, damit ich nicht in Versuchung kam, mich damit abzustützen. So gut es ging stopfte ich meine Hand in die Tasche meiner Jacke, zog den Reißverschluss so weit wie möglich zu und hoffte, dass das ausreichen würde.

Mit klopfendem Herzen rutschte ich langsam auf den kleinen Hang zu, den ich ohnehin runter musste und an dessen Ende ich meinen Handschuh wiederfinden würde. Mit zitternden Knien stellte ich mich wie in Zeitlupe auf und krallte mich dabei verkrampft an einem der Zweige fest. Zögernd machte ich den ersten Schritt, der mich wie eine Stufe um einige Zentimeter nach unten brachte, dann den zweiten und den dritten. Allmählich wurde ich etwas entspannter, atmete einmal tief durch und machte den vierten.

Erst jetzt fiel mir auf, dass der Handschuh an einer Stelle lag, die zunächst mal ein riesiger Umweg war und an die ich auch furchtbar schlecht gelangen würde.

Ich schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein! Verzweifelt streckte ich meinen Fuß aus, um über eine Wurzel steigen zu können. Ohne zu überlegen, fixierte ich ausschließlich den Handschuh und achtete nicht mehr auf den Rest der Umgebung. Den kalten Windzug, der mir fast schon durch Mark und Bein ging, ignorierte ich und verzog tapfer keine Miene.

Den kleinen Zitteranfall in meiner rechten Wade ignorierte ich ebenfalls, blieb kurz stehen, straffte die Schultern und ging weiter.

Ich ließ meinen Blick kurz durch die Umgebung gleiten, eine Sekunde zu lange, wie sich im Nachhinein herausstellte.

Der Stein, auf dem ich meinen Fuß abgestellt hatte, stellte sich als rutschiger heraus, als ich es erwartet hatte und es brauchte gerade mal wenige Millisekunden, bis mein Fuß hinunterrutschte und meinen ganzen Körper mitnahm. Ich fiel nach hinten, knallte kurz auf den Rücken und musste dann mit großem Entsetzen meiner Hand dabei zuschauen, wie sie über den Schnee rutschte. Verzweifelt versuchte ich sie nach oben vom Schnee wegzustrecken, was nicht funktionierte. Parallel dazu versuchte ich mit der anderen Hand und meinen Füßen irgendwo Halt zu finden. Ich knallte nacheinander gegen Zweige, Baumstämme und Steine, an denen ich allerdings sofort wieder abprallte und nicht liegen blieb.

Ich konnte den Schmerz, der sich in meinem ganzen Körper auszubreiten schien, nicht einem bestimmten Körperteil oder einem bestimmten Aufprall zuordnen.

Ich schloss die Augen und versuchte mich gedanklich auszubremsen, meine Kehle war wie zugeschnürt und ich versuchte auch sie gedanklich zu öffnen.

Ein letztes Mal knallte ich mit meinem linken Knie gegen einen großen Baumstumpf, bis ich mit dem Schuh an einem unebenen Stein hängenblieb und endlich zum Stehen oder wohl eher Liegen kam.

Ich hatte gar nicht bemerkt, wie stark ich meine Augenlider aufeinandergepresst hatte, dass es mir gerade schwer fiel diese Verkrampfung zu lösen.

Als ich es schließlich geschafft hatte, schaute ich mich etwas um, drehte meinen Kopf und wunderte mich fast schon, dass das so einfach ohne Probleme funktionierte. Ich lag mitten im Wald, umgeben von nichts als Bäumen, Sträuchern und irgendwelchem Grünzeug. Kaum etwas von dem Tageslicht erreichte mich durch das dichte Blätterdach.

Stöhnend versuchte ich meine Arme zu bewegen, aber bis auf ein paar ziehende Stiche funktionierte auch das erstaunlich gut. Langsam setzte ich mich auf und versuchte das schmerzende Pochen in meinem Rücken durch ein warmes Gefühl zu ersetzen.

Nachdem ich mich davon versichert hatte, dass ich mir erstaunlicherweise nichts gebrochen hatte, traute ich mich das erste Mal auf meine Hand zu achten.

Es war nicht so schlimm, wie ich es erwartet hatte, ich spürte nur ein leichtes Kribbeln, von dem ich aber wusste, dass es sich in den nächsten Stunden sehr stark verändern würde.

Zu sehen war nur eine leichte rötliche Färbung der Haut, was sich aber definitiv auch noch ändern sollte.

Überrascht doch noch so glimpflich davongekommen zu sein, zog ich meinen Rucksack von meinen Schultern und kramte daraus meine Salbe hervor.

Sofort breitete sich ein leicht warmes Gefühl in mir aus, als die Salbe die Hand berührte und augenblicklich begann, sie aufzuheizen. Ich hatte diese Salbe früher immer Wundersalbe genannt. Das war sie auch irgendwie, trotzdem durfte ich nicht zu viel verwenden, es war nicht mehr viel in der Tube und natürlich war ich gestern nicht in der Lage gewesen, mir eine neue Tube einzustecken. Das würde mir nie wieder passieren!

Nach ein paar Versuchen hatte ich es schließlich geschafft, mich an einem Baum hochzuziehen und selbst stehen zu bleiben. Ein kurzer Blick genügte mir, um festzustellen in welche Richtung ich mich bewegen musste und als ich den ersten Schritt machte wurde mir bewusst, was für ein anstrengender und gefährlicher Weg jetzt noch vor mir lag, was mir augenblicklich eine Gänsehaut verschaffte, die auch durch die Salbe nicht zurückgehalten werden konnte. 

Winter des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt