let me go

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„Samu?" Müde sah die Sängerin sich um. Es war nach wie vor der Tag ihrer ersten Therapiestunde, doch während sie geschlafen hatte, waren einige Stunden vergangen und durch den finnischen Winter standen bereits die ersten Sterne am Himmel. Im Gegensatz zu vorher war der Finne selber jedoch nicht mehr bei ihr und durchatmend setzte sie sich auf. Es dauerte tatsächlich wenige Minuten, doch nachdem sie aufrecht saß, atmete sie zufrieden durch und streckte sich mühsam nach ihrem Handy. Samu hatte ihr vor wenigen Tagen endlich wieder eins besorgt und auch einige Kontakte besaß sie schon wieder.
So entdeckte sie auch gleich eine Nachricht von ihm und lächelte.

I'm shopping, see you later!<3

Shoppen oder Einkaufen war an sich nichts Besonderes für den blonden Sänger. So schrieb sie kurz zurück und scrollte anschließend durch ihr Handy. Dabei kroch ein schlechtes Gewissen in ihr hoch. Sie war nun seit 2 Monaten hier in Finnland, fast genau dieselbe Zeit auch verletzt, doch nur Heide, ihre Managerin, wusste genau was passiert war. Schließlich war sie froh gewesen, dass die deutschen Promimedien nichts erfahren hatten.
Ihren Eltern hatte sie nur mit Samus Hilfe über dessen Handy benachrichtigt, dass ihr Handy kaputt sei und sie sich mit ihrem Sänger eine Auszeit nehmen würde. Schließlich hatte sie sie nicht beunruhigen wollen. Trotzdem wurde ihr nach all den Tagen und Wochen bewusst, wie sehr sie die beiden wirklich vermisste und das schlechte Gewissen schlug zu. Es waren nun mal gerade ihre Eltern, die Samu kannten und ihn auch ins Herz geschlossen hatten.

So wählte sie langsam den Kontakt aus und atmete durch. Sie fühlte sich wie früher, als sie ihrer Mutter irgendwas hatte beichten müssen und so versuchte sie sich Sätze zurecht zu legen, bevor sie anrief.
„Catterfeld?" Eine warme Stimme erfüllte sie und tief atmete sie durch. „Hey Mama..." Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern und langsam zog sie ihre Decke enger um sich. „Vonni, mein Schatz!", freute Annemarie sich sofort und erneut durchzog die Sängerin ein kleiner Stich. „Ich freu mich so, dass du anrufst! Ist das dein neues Handy?" „Ja genau...", gab sie nur dünn zurück und schluckte heftig. Es tat gut und gleichzeitig unfassbar weh diese vertraute Stimme wieder zu hören und durchatmend versuchte sie ihre Tränen wegzublinzeln.
Allerdings wäre Annemarie nicht ihre Mutter gewesen, hätte sie die Unruhe und das Zittern in der Stimme ihrer Tochter nicht gehört.
„Vonni, alles okay? Was ist denn los? Ist etwas passiert?" Und das war der Moment in dem in Yvonne die Mauer brach. Nach all den Wochen des Verdrängens und dem weit weg Sein von Zuhause brach alles aus ihr raus und sie schluchzte leise. Sie war selten so lange ohne Kontakt zu ihr gewesen und sie vermisste sie.

„Es tut mir so leid Mama! Ich- ich konnte einfach- ich-" Sie schniefte leise und versuchte Luft zu holen. Es überforderte sie einfach und sie hatte absolut keine Ahnung wo sie anfangen sollte. Alles der letzten Wochen und Monate prasselte in vielen verschiedenen Perspektiven auf sie ein. Von der Angst in Berlin, über den Unfall, bis zu Samus Antrag und der Reha war so viel passiert und irgendwie versuchte sie zur Ruhe zu kommen.
„Yvonne, hey... Tief durchatmen mein Schatz!" Liebevoll drang die Stimme ihrer Mutter zu ihr durch. „Alles wird gut ja? Ich bin bei dir, was ist passiert Yvonne?" Die Sängerin atmete durch. Es war unfassbar schwer auch nur irgendwie einen Gedanken zu fassen und irgendwann begann sie einfach zu reden. Vom Unfall und ihren Verletzungen, von jeder Kleinigkeit die passiert war, die Reha und die Operation die nach dem allen hier noch anstand. Von Susanna und der ersten Stunde heute. Jedes Detail legte sie auf den Tisch und es war nicht zu vermeiden, dass sie dabei immer wieder zu weinen begann.
Es war eben doch eine lange Zeit ohne ihre Mutter gewesen und auch Annemarie selber war irgendwie erstmal geschockt. Schließlich hatte sie wirklich gedacht, dass ihre Tochter glücklich und gesund mit ihrem Freund einige schöne Wochen in Helsinki verbachte und nicht seit Weihnachten in der Klinik gelegen hatte. Doch gleichzeitig spürte sie, wie sehr Yvonne das alles selber zu schaffen machte, die mentale Erleichterung war deutlich fühlbar und so versuchte sie selber ganz ruhig und liebevoll zu reagieren. Vorwürfe konnte sie wohl am wenigsten brauchen und so begannen sie einfach zu reden. Yvonne war schließlich auch erwachsen und vorschreiben konnte sie ihr ja eh nichts mehr. Gleichzeitig konnten Mutter und Tochter beide spüren, dass es guttat Bescheid zu wissen und irgendwann seufzte Annemarie leise.

The mess that I've madeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt