Kapitel 30

24 1 0
                                    

Niall starrte von einem zum anderen und keuchte stark.

Dann schnaufte er: „Zwei Krankenschwestern haben sich darüber unterhalten, dass du aufgewacht wärst und deswegen bin ich schon wieder hier. Sorry Jungs, hab mir kein Sandwich geholt."

Es klang nicht wirklich so, als ob es ihm leidtun würde.

Erschöpft ließ sich der Blondschopf auf den Plastikstuhl neben meinem Bett fallen und beobachtete mich unsicher.

Auch der Rest schien zu merken, dass das hier gerade eine unpassende Situation war, um zu sechst vor sich hin zu gammeln, also verabschiedeten sie sich mit schlechten Ausreden und verschwanden.

Keiner von uns sagte etwas. Niall nicht, weil er nicht wusste was und ich nicht, weil ich nicht wusste, wie ich es formulieren sollte.

Immer wieder legte ich mir Sätze im Kopf zurecht, empfand sie dann aber als nicht passend. Irgendwann war ich aber relativ zufrieden mit den Fragen und atmete tief durch.

„Alles okay mit dir?"

Niall lachte ungläubig auf und fragte leise: „Sollte das nicht eher ich fragen?" Ich schüttelte leicht den Kopf und seufzte.

„Zayn hat mir davon erzählt. Davon, dass du nicht mehr geredet hast und auch nicht mehr essen oder schlafen wolltest. Stattdessen warst du die ganze Zeit hier."

Langsam nickte er. „Es war nicht so, als dass ich mit Absicht nichts mehr gegessen habe. Ich hatte einfach nur keinen Appetit mehr...nicht, wenn du hier liegst und auch nichts essen kannst...ich meine: Warum sollte ich etwas tun dürften, was du nicht machen kannst?"

Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Diese Aussage ergab wenig Sinn für mich.

„Wegen mir sollst du doch nicht auf irgendwas verzichten", gab ich zurück.

Niall verzog leicht schmerzvoll sein Gesicht. „Doch, denn...denn ich bin schuld an diesem ganzen Desaster hier! Wegen mir liegst du in diesem Krankenhaus. Wenn jemand das Recht auf Essen hat, dass ja wohl du und nicht ich!"

Mich beschlich das Gefühl, dass es sich hier schon nicht mehr um Essen handelte.
Niall machte sich Vorwürfe, er hatte Schuldgefühle.

Erschüttert nahm ich seine warme Hand in meine und brachte ihn damit dazu, mich anzusehen. Tränen glänzten in seinen Augen. Leicht strich ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken.

„Niall, du bist nicht daran schuld, dass ich die Treppe runtergefallen bin", sagte ich eindringlich. Er durfte das auf keinen Fall denken!

Einzelne Tränen verließen seine Augen, liefen über seine Wange, den Hals hinab und wurden schließlich von seinem Pulli aufgesaugt. Fasziniert folgte ich den Wasserspuren auf seiner Haut.

Stopp – Angie, lass dich nicht ablenken!

„Doch, dass bin ich. Hätte ich mich nicht betrunken, dann wärst du auch nicht mitten in der Nacht aufgestanden. Du würdest noch gesund sein und keine Schmerzen haben", wimmerte der Ire leise. „Gott, ich bin an deinen Schmerzen schuld!", flüsterte er mehr zu sich selbst als zu mir.

Der Anblick zerriss mir das Herz:
Niall, dem immer mehr Tränen aus den Augen quollen. Es wirkte fast so, als würden sie nie wieder stoppen. Verzweifelt klammerte sich der Blondschopf an meiner Hand fest, als wäre es sein letzter Halt. Sein Anker. Dabei war er doch immer meiner gewesen...

Als ich Niall so sah aktivierte sich auch meine Tränendrüse. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass er sich die Schuld für so einen doofen Zufall gab. Das war nicht richtig.

Sanft zog ich an seiner Hand. Wie von selbst fand der Ältere den Weg neben mich ins Bett und zog mich, als er lag, auch sofort in eine Umarmung. Schützend schlang ich meine Arme um seine Hüfte und drückte mich so fest an ihn, wie es nur ging. Auch Niall schien gar nicht daran zu denken mich loszulassen.

Als ich meine Kopf auf seiner Brust ablegte schlichen sich tatsächlich einzelne Tränen aus meinen Augenhöhlen. Glücklicherweise war mein Gesicht von seinem abgewandt, so dass er es nicht sah.

All das zwischen uns war so kompliziert. Ich wusste nicht, was ich wollte.
Damals, mit Jacob, war es so viel einfacher gewesen. Er hatte mir im Grunde auch gar keine andere Wahl gelassen, als mich in ihn zu verlieben. Er war so vertrauens- und geheimnisvoll und so unfassbar liebevoll. Das große Rätseln, welches es zu knacken galt, war also nur noch, ob er das heute immer noch war...

Aber mit Niall gab es zwei Seiten. Die eine, die sich nichts sehnlicher wünschte, als sich in die Arme des Iren zu kuscheln, seine Wärme zu spüren und seinen Geruch zu riechen.

Und die andere, die krampfhaft versuchte professionell zu bleiben. Die genau wusste, dass es verdammt schwer war, in dieser Branche, in einer Beziehung mit einem Weltstar stark zu bleiben. Der ganze Hass der Fans, der Hass des Managements und die Reporter, die einen unbedingt zerfleischen wollten. Die alle dunklen Geheimnisse ans Licht bringen wollten.

Irgendwann fing Niall damit an, leichte Kreise auf meinem Rücken zu zeichnen. Eine Gänsehaut breitete sich dort aus, wo seine Finger meine Haut durch den Stoff des T-Shirts berührten. Seufzend schmiegte ich mich noch enger an ihn.

Leise murmelte ich: „Happy Birthday."

Niall schaute auf und ich fragte seufzend: „Wieso feierst du deinen Geburtstag nicht?" Betroffen stieß der Blondschopf die Luft, die er während meiner Frage anscheinend angehalten hatte, aus. Ich merkte, dass er da nicht wirklich drüber reden wollte, aber ich musste es wissen.

Er hörte nicht auf Formen auf meinen Rücken zu malen, als er antwortete: „Die Jungs haben versucht mich zu überreden. Naja, sie wollten mir auf jeden Fall schonmal ihre Geschenke geben, aber ich habe mich geweigert. Und dann habe ich ihnen verboten, mit dir darüber zu reden, weil...ich wollte nicht, dass du damit belästigt wirst."

„Wieso hast du dich geweigert?", fragte ich und ignorierte seine letzte Aussagen erst einmal.

Niall vergrub sein Gesicht in meine Haare und murmelte dann leise, aber bestimmt: „Ich will nicht ohne dich feiern."

Fast hätte ich es nicht gehört und auch nachdem ich mir den Satz ein paarmal durch den Kopf hatte gehen lassen, war ich mir nicht sicher, ob ich mich verhört hatte oder nicht.

Ich drehte mich in den Armen des Iren und schaute ihm in die Augen.

Dieses Blau...normalerweise war es wie das Meer an einem Sommertag. Ruhig, gelassen und beruhigend. Aber heute, jetzt gerade wirkte es wie bei einem Unwetter. Gehetzt, aufgewühlt und nicht sicher, für welchen Weg es sich entscheiden sollte, weswegen die Wellen hart gegeneinander schlugen. Doch trotzdem konnte ich meinen Blick nicht abwenden.

„Wieso nicht?", hauchte ich schließlich leise.

„Du bist mir zu wichtig. Ohne dich gibt es keinen Grund zum Feiern. Doch wenn du da bist könnte ich es durchgehen tun", flüsterte er zurück.

„Das haben wir ja vorgestern gemerkt" scherzte ich, bereute es allerdings sofort wieder, als sich ein Schleier aus Schuld auf seine Gesichtszüge legte.

„Tut mir leid, das war unangebracht. Ich mache dir keine Vorwürfe, verstehst du das Niall? Dich triff keine Schuld!"

Er nickte leicht, wirkte aber nicht sonderlich überzeugt. Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte, also drückte ich ihm einen sanften Kuss auf die Wange und legte meinen Kopf dann wieder auf seiner Brust ab.

„Wir sollten über diesen Morgen reden", murmelte er noch. Ich nickte leicht.

Ich wusste, dass es da viel Redebedarf gab, aber am liebsten hätte ich diese Gespräch jetzt schon hinter mir.

Also nuschelte ich nur: „Aber nicht jetzt. Später, zuhause."

--------------------------------------------------------------------------

Heyy,

irgendwelche Anmerkungen oder Kommentare?

Half A Heart - (Niall Horan) (One Direction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt