❁ Gillyflower ❁

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❁ Gillyflower ❁

Verdrießlich band sich Ushijima die Sneaker zu. Es war das gefühlt hundertste Paar, das er anprobierte, doch auch dieses Modell würde es wohl nicht in die engere Auswahl schaffen. Wakatoshi hasste es, Schuhe kaufen zu gehen. Jedes Mal war es dasselbe. Für Stunden verweilte er in dem Laden, probierte jeden einzelnen Sneaker an, hatte an jeden Schuh etwas anderes auszusetzen, bis er sich mit dem am wenigstens kritisierten Modell als Kompromiss zufriedengab und sich schlussendlich irgendwann daran gewöhnte, kurz bevor sie wieder so zerschlissen waren, dass er neue brauchte. Dieser Teufelskreis war nervenaufreibend für den Gewohnheitsmenschen. Denn er tat sich nicht nur mit Abweichungen seiner Routine schwer, sondern mit so gut wie allen Neuem. Interessanterweise, und zu seinem großen Glück, hielten seine Volleyballschuhe länger. Das lag vielleicht auch daran, dass die Shiratorizawa Verträge mit namenhaften Sportartikelherstellern hatte und ihre Sportteams nur mit den besten ausstattete. Außerdem blieben die Modelle dort im Sortiment und änderten sich nicht jede Saison. Das war der Unterschied zwischen Profi-Ausstattungen und stinknormalen Schuhgeschäften. Daher benötigte der Captain lediglich neue Laufschuhe, da seine dabei waren, sich allmählich aufzulösen.

Seufzend erhob sich Ushijima von dem einfachen Hocker, auf dem er Platz genommen hatte, um einen weiteren Schuh anzuprobieren und begann im Gang auf und abzugehen. Den Spiegel zu seiner linken ignorierte er eisern. Es ging ihm nicht um das Aussehen, sondern um Funktionalität und Tragegefühl. Mit grantigem Blick verfiel er ins Joggen und lief im nur spärlich besuchten Laden umher. Es war früher Nachmittag. Die meisten Menschen, die sonst die Einkaufsstraße des Wakano-Bezirks besuchten, waren noch bei der Arbeit, während die anderen Schüler noch ihren Clubaktivitäten nachgingen. Das Volleyballtraining war an diesem Tag ausgefallen. Coach Saitou hatte sich den Magen mit Muscheln verdorben und Coach Washijou war ebenfalls abwesend. Daher hatte sich Wakatoshi entschieden, die Zeit für etwas zu nutzen, dass er viel zu lange vor sich hergeschoben hatte, während sich seine Teamkameraden dem freien Training widmeten. Er würde später hinzustoßen und ein paar Bälle schlagen. Vorausgesetzt, er würde sich für eines der Modelle entscheiden können.

Murrend kehrte der Sportler zum Hocker zurück und pflanzte seinen Hintern darauf, um seine Füße von den drückenden Folterinstrumenten zu befreien. Sie waren an den Seiten zu eng, doch an den Zehen hatte er noch Luft. Eine Nummer größer und er würde wahrscheinlich beim Laufen hinausschlüpfen. Die Laune des Sportlers verschlechterte sich von Minute zu Minute, in der er in diesem Laden verweilen musste. Das Licht war zu grell. Die Musik nervtötend und laut. Und zu allem Übel roch es nach einer kaum auszuhaltenden Mischung aus billigem Leder, Kautschuk, Plastik und Imprägnierung. Wakatoshi atmete flach, um nicht zu viel des unangenehmen Geruchs zu inhalieren. Aber ganz zu seinem Verdruss, brauchte er Sauerstoff zum Atmen und er konnte die Luft nicht allzu lange anhalten. Doch plötzlich kitzelte etwas seine Geruchsrezeptoren und der Volleyballer, der die Schleifen der zu engen Sneaker löste, hielt inne. Ein leichter Hauch Magnolie mischte sich nun unter den Gestank des Ladens und begann es zu übertünchen. Wakatoshi schloss die Augen. War er diesen Duft etwa schon so sehr gewöhnt, dass sein Hirn ihm einen Streich spielte und ihm etwas vorgaukelte, was gar nicht da war?

„Hallo, Senpai."

Augenblicklich wirbelte Ushijima auf dem einfachen Hocker herum. Da stand sie wahrhaftig. Tendou Kohana. Mit ihren kleinen Fingern strich sich die Schülerin eine Strähne ihres aschblonden Haares hinters Ohr, während sie ihn anstrahlte, als wäre sie die Sonne höchstpersönlich.

„Auf der Suche nach neuen Schuhen, hm?"

Mit einem einfachen Kopfnicken deutete sie auf den Stapel Schuhkartons, der neben ihm stand. Alles Modelle, die er anprobiert und aussortiert hatte. Wakatoshis Pupillen folgten einen Moment lang ihrer Zeigerichtung, bevor er sich erneut hinabbeugte, um endlich aus diesen Folterwerkzeugen herauszukommen.

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